Fürstenfeldbruck:Streit um die Erinnerungskultur am Fliegerhorst

Lesezeit: 3 min

Wie vor zehn Jahren findet die Gedenkveranstaltung vor dem alten Tower statt. (Foto: Günther Reger)

Kulturreferent Wollenberg (FDP) wirft seiner Kollegin Klemenz (CSU) Zensur und Kompetenzüberschreitung vor, was diese zurückweist

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Über die geplante Dokumentation zur Geschichte des Fliegerhorstes und die Gedenkstätte zum Olympia-Attentat von 1972 gibt es Streit zwischen Klaus Wollenberg (FDP) und Birgitta Klemenz (CSU), den beiden Kulturreferenten des Brucker Stadtrates. Auslöser ist ein Papier, das Mitglieder eines Arbeitskreises verfasst haben, den Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) einberufen hatte. Darin werden Möglichkeiten skizziert und um eine Grundsatzentscheidung gebeten. Das Papier sollte als Vorlage im Kulturausschuss dienen, wurde aber von Pleil nach Protesten von Wollenberg zurückgezogen.

Die Geschichte des Fliegerhorstes soll nicht in Vergessenheit geraten, wenn das Areal zu einem zivilen Stadtviertel umgewandelt wird. Auf dem Gelände soll eine Dokumentation eingerichtet werden, in welcher Form, wie das Gedenken an das Olympia-Attentat einbezogen werden könnte und wer die Kosten trägt, ist offen. Im Mai 2014 fand ein hervorragendes Kolloquium mit Experten im Rathaus statt, das Stadtarchivar Gerhard Neumeier organisiert hatte. Seitdem ist nicht mehr viel passiert. Vor allem fehlt eine prinzipielle Entscheidung des Stadtrates.

Pleil hatte deswegen einen Arbeitskreis einberufen, der sich Ende April erstmals traf. Dabei waren Stadtbaumeister Martin Kornacher, die Leiterinnen des Museums, Angelika Mundorff und Eva von Seckendorff, Stadtrat Klaus Quinten (BBV) sowie Klemenz und Neumeier. Wollenberg sei ebenfalls eingeladen worden, sagte der OB der SZ. Nach Pleils Erinnerung hat der FDP-Kulturreferent am letzten Treffen dieser Runde nicht teilgenommen. Der wiederum sagte der SZ, er sei "angeblich versehentlich" nicht eingeladen worden.

Die Gruppe erarbeitete eine Vorlage für die jüngste Sitzung des Kulturausschusses, die aber nicht auf den Tischen lag, was Ulrich Schmetz (SPD) veranlasste nachzufragen, woraufhin Klemenz den Streit öffentlich machte. Wollenberg war in dieser Sitzung nicht anwesend. In dem Papier wird um eine Grundsatzentscheidung gebeten, so dass auf offizieller Basis weiter gearbeitet werden kann. Auch aus Kostengründen müsste nicht unbedingt ein weiteres Museum entstehen, heißt es darin. Man könnte einen Rundgang einrichten, der an diversen Gebäuden vorbeiführt und in einem Besucherzentrum an der Hauptwache startet. Außerdem sollte der Ausschuss entscheiden, ob die Stadt sich an einer Gedenkstätte zum Olympia-Attentat beteiligen will. Der Arbeitskreis könnte ein Grobkonzept für die Dokumentation entwickeln, und der Landkreis gebeten werden, die Kommune in die Entwicklung der Gedenkstätte stärker einzubinden.

Das geht Wollenberg viel zu weit. "Wir haben erhebliche Meinungsverschiedenheiten", sagte er der SZ. Das Papier lege schon fest, wie die künftige Einrichtung aussehen solle, dabei würden Gruppen, die sich schon mit dem Fliegerhorst und seiner Geschichte beschäftigen, ausgeschlossen. "Für mich ist das ein Diktat, regelrechte Zensur", kritisierte der FDP-Stadtrat. Gänzlich ausgespart sei, wie ein Museum finanziert werden sollte. Der Preis würde sich zwischen einer halben und einer Million Euro bewegen. Allein die Restauration alter Flugzeuge würde Millionen kosten, ebenso eine Renovierung des Towers für die Gedenkstätte.

Wollenberg hält Kirchen- und Kunsthistorikerinnen für nicht kompetent, sich mit einer militärischen Einrichtung zu befassen - ein Seitenhieb auf Klemenz und die beiden Museumsleiterinnen. Speziell seiner Amtskollegin Klemenz wirft er vor, ihre Zuständigkeit überschritten zu haben. Für Museen sei er zuständig.

Gar nichts sei mit dem Papier festgezurrt, widersprach Klemenz. "Das ist ein Vorschlag, wir sind nach allen Seiten offen, aber wir brauchen einen offiziellen Auftrag der Stadt, um aktiv zu werden", sagte die CSU-Stadträtin der SZ. Von einem Museum könne keine Rede sein und über Kosten zu spekulieren, bevor man wisse, was man wolle, sei überflüssig. Klemenz betonte, dass Wollenberg zu den Treffen eingeladen war. Obendrein sei die Dokumentation dem Stadtarchiv zugeordnet und obliege damit ihrem Aufgabenbereich.

Der Oberbürgermeister versucht, die Wogen zu glätten. Zwar findet Pleil einerseits, das Papier des Arbeitskreises gebe "eine Richtung" vor, betonte aber andererseits, man werde es "als Basis nehmen". Pleil möchte den Arbeitskreis vergrößern und zu Referenten und Fachleuten "vom Haus" einen Vertreter jeder Fraktion aufnehmen. Eine Genehmigung durch den Stadtrat sei nicht notwendig. Ähnlich hatte Jens Streifeder (BBV) im Kulturausschuss argumentiert und dafür eine Mehrheit bekommen.

"Man muss sich nicht aufregen, man kann das in aller Ruhe bearbeiten", sagte Pleil der SZ. Dagegen findet Klemenz, eine Entscheidung sei dringend notwendig. Im September gibt es ein Kolloquium im Landratsamt zur Gedenkstätte Olympiaattentat. "Die Stadt muss endlich sagen, ob sie sich inhaltlich einbringen oder bloß ihre Planungshoheit ausüben und dafür sorgen will, dass neben der Gedenkstätte kein Supermarkt entsteht", verlangt die Kulturreferentin. Ihrer Ansicht nach sollten der Tower als Gedenkort und eine Dokumentation der Stadt aufeinander bezogen sein. Das Attentat ist ein zentrales Ereignis in der Geschichte des Fliegerhorstes, die als Luftkriegsschule in der NS-Zeit begann.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: