Fürstenfeldbruck:Strategien gegen die Zersiedelung

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Der Landkreis wächst unaufhaltsam - und damit der Bedarf an Wohnraum. 16 Kommunen suchen gemeinsam nach Lösungen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Bevölkerung im Landkreis wird in den nächsten 18 Jahren um etwa 32 000 auf 242 000 Einwohner wachsen. Vor allem der Zuzug in den Landkreis ist verantwortlich für diese Entwicklung, durch die auch die Wohnungsnot verschärft werden könnte. Der Planungsverband hat diese Prognose nun vorgelegt. Den Bedarf an zusätzlichen Wohnungen beziffert der Verband auf jährlich 1250. Um diesen zu decken, wollen der Landkreis und 16 seiner 23 Kommunen gemeinsam einen verbindlichen Handlungsleitfaden entwickeln.

Dieser soll vorgeben, wo neue Wohngebiete entstehen und was unbedingt erhalten werden soll. Den Handlungsleitfaden erstellt ein Team von Fachplanern für Städtebau und Raumentwicklung. Dieses präsentierte bei einem Workshop in der Aula des Brucker Graf-Rasso-Gymnasiums Bürgern und Politikern erste Ergebnisse. Zudem bekamen die etwa hundert Teilnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme.

An der Grundstruktur des Landkreises mit großen, fast schon zusammengewachsenen Siedlungsschwerpunkten in den Ostkommunen und einem ländlich geprägten Bereich im Westen rütteln die Planer nicht. Der Trend zur Verstädterung der Großkommunen wird also anhalten, ebenso die Verdichtung der Bebauung. Als Alternative verworfen wurde die Fortsetzung des Flächenverbrauchs für den Bau von Einfamilien- und Reihenhäusern. Weiterzumachen wie bisher würde bedeuten, dass jede Gemeinde weiter ihre Gewerbegebiete, ihre Umgehungsstraße und ihre neuen Siedlungen ohne Absprache mit den Nachbarn plant, aber alle die Folgen zu tragen hätten und Siedlungsräume zugebaut werden.

Für einen Stillstand, also die Bewahrung des erreichten Zustands und den gänzlichen Verzicht auf die weitere Ausweisung neuer Siedlungsflächen, plädierte bei der Diskussion auch niemand. Als gemeinsamen Nenner nannte Moderator Alain Thierstein vom Lehrstuhl für Raumentwicklung der TU-München die beiden Begriffe "gestalten" und "vernetzen". Einigkeit herrschte darüber, dass die Herausforderungen nur durch eine bessere interkommunale Zusammenarbeit auch über die Landkreisgrenze hinaus zu bewältigen sind. Michael Schanderl, Kreisvorsitzender des Gemeindetags und Emmeringer Bürgermeister, sprach von einem "gordischen Knoten", gelte es doch, viele Wohnungen zu schaffen und gleichzeitig die Landschaft zu erhalten. Das, so Schanderl, werde wohl nicht funktionieren. Er räumte ein, mit seiner These vom Ende des Einfamilienhauses provokativ gewesen zu sein. Es gelte, einen Ausgleich zu finden. Da ein guter Öffentlicher Personennahverkehr als "Entwicklungstreiber für Siedlungen" angepriesen wurde, lautet ein Lösungsansatz, einerseits Siedlungsschwerpunkt an Nahverkehrsknoten zu schaffen, andererseits Anreize zu schaffen, aufs Auto zu verzichten und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Nur ist der Landkreis Fürstenfeldbruck im Großraum München der mit den meisten Auspendlern. Laut Statistik vom Planungsverband waren es 2014 etwa 54 000 Pendler, also etwas mehr als jeder vierte Landkreisbewohner, der einen Arbeitsplatz außerhalb des Landkreises hat. In Jahrzehnten ist es nicht gelungen, überfällige Verbesserungen auf der Linie der S 4 durchzusetzen. Der von den Fachplanern geforderte Kulturwandel in der Mobilität kann also nur erreicht werden, wenn andere, wie Staatsregierung und MVV, mitspielen. Die geforderte Vernetzung birgt also auch Risiken und stößt schnell an Grenzen - und erinnert an viele gescheiterte Vorstöße. Eine Forderung aus dem Publikum lautete, die Nutzung des eigenen Autos durch eine Preissenkung für Bus und S-Bahn unattraktiv zu machen. Eine Frau plädierte dafür, Parkdecks für Autos außerhalb der Wohngebiete zu errichten, von denen aus Busse zu den Siedlungsschwerpunkten pendeln.

Der Maisacher Bürgermeister Hans Seidl (CSU) schlug vor, in mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbaren Ortszentren den Stellplatzschlüssel für Neubauten zu halbieren, also den Parkraum erheblich zu reduzieren. Ein anderer Bürger griff den Vorschlag von Bürgermeister Schanderl auf, generell ein Stockwerk mehr zu genehmigen. Auf diese Weise könnte ohne Verlust an Lebensqualität oder die weitere Versiegelung von Flächen neuer Wohnraum geschaffen werden.

Besucher des Workshops, die erwarteten, eine Auswertung der Anregungen aus dem ersten Workshop im November zu bekommen, zeigten sich enttäuscht. Andere Teilnehmer vermissten eine Dynamik in der Diskussion.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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