Eine moderne Darstellung des Kreuzweges in Sankt Bernhard:Stilisiertes Leiden

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Ein Besuch in der Fürstenfeldbrucker Kirche ist nicht nur für Gläubige, sondern auch für Kunstliebhaber lohnenswert.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Mit dem Kreuzweg wird in jeder katholischen Kirche die Geschichte der Leiden Jesu erzählt. Meist in prachtvollen Bildern, die detailliert die Qualen des Sterbenden zeigen - am deutlichsten in den barocken Malereien. Das genaue Gegenteil davon ist der Kreuzweg in der Kirche Sankt Bernhard. Reduziert auf das Wesentliche, in wenigen, gedeckten Farben, entfalten die Glasmosaike eine mitreißende Emotionalität, die auch Nicht-Gläubige berührt.

Geschaffen wurde der Zyklus vom 1999 gestorbenen Eichenauer Künstler Josef Dering, der auch die restlichen Glasfenster der Kirche entworfen hat und von dem unter anderem die grüne Fassade der Brucker Sparkasse, die Fenster in Sankt Cäcilia in Germering und das Eichenauer Gemeindewappen stammen. Der Kreuzweg in Sankt Bernhard wurde gleichzeitig mit der Kirche im 1964 fertig gestellt.

Derings Zyklus unterscheidet sich jedoch nicht nur in der konsequenten Reduktion von anderen Kreuzwegen. Statt der üblichen 14 oder 15 Motive - in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wird ab und an auch die Auferstehung integriert - sind in Sankt Bernhard 18 Bilder zu sehen. Den 14 traditionellen Stationen ist die Verurteilung Jesu vorangestellt, am Ende steht die Auferstehung. Zwischen die siebte und achte Station hat Dering zwei Bilder mit den Marterwerkzeugen gestellt. Sie bilden auf den beiden Seiten jeweils den Abschluss zum Eingang der Kirche.

Im Gegensatz zum traditionellen Buntglasmosaik verzichtet Dering darauf, die einzelnen Scherben mit Schwarzlot zu bemalen und damit den Figuren Gesichter zu geben - somit wirken die Bilder alleine durch die Formen. Durch diese Modifikation der die seit dem Mittelalter gebräuchlichen Technik werden Tradition und Moderne auf interessante Weise vereint. Außerdem verwendet Dering keine Blei- sondern Zementrahmen, was aufgrund der Dicke des Glases notwendig ist.

Farblich ist der Kreuzweg in Grau- und Blautönen gehalten, vor allem violett, die liturgische Farbe der Passionszeit, steht im Zentrum. Nur zwei Bilder, die Verurteilung und die Auferstehung, brechen aus dem Farbmuster aus. In diesem beiden Darstellungen sind gelbe Akzente zu sehen - Zeichen der Hoffnung. Bereits im ersten Bild kündigt Dering also an, dass das folgende Leid nicht das Ende ist. Und so bleibt in der Auferstehungsszene das Schwarz im Grab, während der Nimbus, der Jesus umgibt, weis, rot, gelb und violett erstrahlt. Für den Besucher lohnt sich auch ein Blick von außen auf den Zyklus. Denn von dort erscheinen die Bilder wie schwarz-weiß Negative. Erst durch das Licht, das in die Kirche fällt, bekommen die Farben ihre Kraft. Während außen also vor allem Leid und Dunkelheit zu sehen sind, entstehen im Kircheninneren Helligkeit und warme Farben.

Aber nicht nur Farbe und Form sind auf das Wesentliche reduziert, sondern auch die Inhalte. So sind beispielsweise keine Menschen zu sehen, die nicht unmittelbar mit Jesus interagieren. Die spottende Menge etwa, die den Weg säumt, wird nicht gezeigt. Durch diese unmittelbare Darstellung findet sich der Besucher plötzlich mitten in der Szene wieder, wird von Betrachter zum Teilnehmer - theologisch betrachtet vielleicht sogar zum Mitschuldigen - dieses brutalen Schauspiels.

Und so fordert jedes der 18 Bilder regelrecht offensiv zur Beschäftigung mit dem Dargestellten auf und schafft es, im Betrachter tiefe Emotionen zu wecken - seien sie nun theologischer oder profaner Natur. Es ist also ein wahres künstlerisches Kleinod, das da in der Kirche Sankt Bernhard versteckt ist und das für jeden Kunstinteressierten einen Besuch wert ist - nicht nur in der Passionszeit.

Informationen zu Josef Derings Kunst in Sankt Bernhard finden sich im Buch "Predicamus Crucem", von Gerhard Schinke, das im Pfarrbüro erhältlich ist.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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