Fürstenfeldbruck:Stadtwerke einigen sich mit Ex-Chef

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Vor dem Landgericht stimmen der Brucker Energieversorger und sein bis Ende 2018 amtierender Geschäftsführer einem Vergleich zu. Es bleibt zwar bei der Kündigung, Enno W. Steffens erhält aber noch für ein halbes Jahr Bezüge

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Stadtwerke und ihr früherer Geschäftsführer Enno W. Steffens haben sich auf einen Vergleich geeinigt. Der vor der Handelskammer des Landgerichts II geschlossene Kompromiss sieht vor, dass der 45-Jährige nach seiner Kündigung im Dezember 2018 rückwirkend noch Bezüge für das erste Halbjahr 2019 erhält. Weitere Abfindungen oder Tantiemen werden nicht gezahlt.

Der kleine Verhandlungsraum im vierten Stock des Landgerichts an der Münchner Denisstraße wirkt am Donnerstagvormittag eher wie der Schauplatz einer Aufsichtsratssitzung der Stadtwerke. Am Tisch mit dem Reiter "Beklagtenpartei" sitzt Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist. Neben ihm sitzen hinter dicken Ordnern zwei Anwälte der Stadt sowie Interims-Geschäftsführer Bernd Romeike. Ihnen gegenüber sitzen Enno W. Steffens und sein Anwalt. Steffens hatte im Sommer 2014 die Leitung der Stadtwerke übernommen und war im Dezember 2018 fristlos gekündigt worden. Ein Justizmitarbeiter bringt noch zusätzliche Stühle, damit der komplette Aufsichtsrat (nur Tommy Beer befindet sich im Ausland) Platz nehmen kann - in Verhandlungsunterbrechungen wird sehr deutlich, dass in dem Gremium in dieser Sache über alle politischen Grenzen hinweg große Einigkeit besteht. Gekommen sind auch die leitenden Mitarbeiter der Stadtwerke sowie Stadtjurist Christian Kieser. Der Vorsitzende Richter Johannes Brose betritt den Saal mit einigen Minuten Verspätung, bis dahin herrscht eisiges Schweigen. Die Zahl der Unterstützer Steffens ist gelinde gesagt sehr überschaubar. Gleichwohl ist Steffens hier der Kläger. Das leicht gerötete Gesicht unter den zurückgekämmten Haaren lässt darauf schließen, dass er sich nicht wohl fühlt. Aber für ihn geht es um zu viel, als dass er den Termin vermeiden könnte. Sein Anwalt deutet es an: Fristlose Kündigung bedeutet drei Monate Sperrzeit, anschließend Arbeitslosengeld. Klar wird, dass so ein Geschäftsführerposten zwar ein fünfstelliges Monatssalär bedeutet, dass aber eine anstehende Vertragsverlängerung auch ganz ohne Gründe und Entschädigungen abgelehnt werden kann. Steffens bestreitet freilich, dass sich auch eine außerordentliche und fristlose Abberufung begründen lässt und dass sie wegen möglicher Formfehler überhaupt in Kraft getreten ist. Er hegt zudem Zweifel daran, dass der Aufsichtsrat Ende 2018 wirklich einstimmig und formal korrekt den Beschluss gefasst hat, sich sofort von ihm zu trennen.

Letztlich geht es aber nicht darum, dass Steffens wieder die Leitung der Stadtwerke übernehmen will oder kann. Viel zu groß ist die Ablehnung, die ihm entgegenschlägt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat als Kontrollgremium der städtischen Tochtergesellschaft ist völlig illusorisch. Es geht nur noch um den Betrag, den die Stadtwerke für die "Scheidung" vom früheren Geschäftsführer zu zahlen bereit sind. Am Ende einigt man sich auf Empfehlung Broses auf 130 000 Euro, zuzüglich Versorgungsbeiträge im mittleren vierstelligen Bereich. Die Summe liegt ziemlich genau zwischen dem Angebot der Stadtwerke und der Forderung der Klägerseite.

Letztlich wird dadurch eine langwierige Beweisaufnahme mit der Einvernahme von Zeugen und Aufsichtsräten vermieden. Brose hatte betont, dass sich ein Gerichtsverfahren, das durch alle Instanzen theoretisch bis zum Bundesgerichtshof durchgefochten werden könnte, eine jahrelange Hängepartie für alle Beteiligten bedeuten würde. Es muss also letztlich nicht über die Vorwürfe verhandelt werden, mit denen die Stadt die Entlassung Steffens begründet hat und die von ihm allesamt nachdrücklich bestritten werden. Es geht um angebliche Verstöße gegen den Arbeitsvertrag: um 30 Tage im Homeoffice, den Leasingvertrag für einen Geschäftswagen, mehrere übers Firmenbudget abgerechnete Mittagessen mit einer Assistentin. Und um bauliche Veränderungen an der mittlerweile bezogenen neuen Firmenzentrale an der Cerveteristraße, die angeblich dem erklärten Willen des Aufsichtsrats widersprachen und mit Mehrkosten in Höhe von mehr als 700 000 Euro zu Buche schlugen.

Brose und die beiden ihn flankierenden Handelsrichter - darunter der frühere Sparkassenchef Klaus Knörr, an dessen Unabhängigkeit aber kein Zweifel besteht - sind sich einig, dass wohl nicht alle Punkte eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Steffens lasten sie, diplomatisch formuliert, an, "teilweise nicht glücklich" und ungeschickt agiert zu haben. Gleichwohl lassen die Richter auch den Aufsichtsrat nicht ganz ungeschoren davonkommen: Der habe nicht früh und gründlich genug kontrolliert. Gremiumsmitglieder quittieren das mit Protest. Walter Schwarz (SPD) murrt, teils habe man nichts gewusst und gar keine Beschlüsse fassen können. Unterm Strich versichert man sich aber gegenseitig, im Frieden auseinanderzugehen.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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