Kunst:Spielwiese für künstlerische Experimente

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Mit viel Musik feierten die Mitglieder der Interessengemeinschaft Kultur das 30-jährige Bestehen von unkonventioneller Kunst in Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Die Interessengemeinschaft Kultur präsentiert seit 30 Jahren zeitgenössische Kunst. Entstanden ist sie als Gegenentwurf zu einer Brucker Leitkultur mit großem Ausstellungsraum

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

"Es kommt nicht auf die Hülle an, sondern auf den Inhalt": Das war das Motto der Interessengemeinschaft Kultur (IG) schon vor 30 Jahren - und ist es bis heute geblieben. Besonders die hochfliegenden Pläne von einer "großen Stadthalle Fürstenfeld" forderten Erik Jäger und Gleichgesinnte 1986 heraus, einen Gegenentwurf zur "Monsterhalle", wie sie das städtische Projekt nannten, zu starten. Statt Brucker Leitkultur der alten Schule, wie sie der langjährige Kulturreferent Lorenz Lampl vertrat, schwebte den Gründern etwas grundsätzlich Anderes vor: Die Präsentation zeitgenössischer Kunst aus der Region, verteilt auf das gesamte Klosterareal und die Stadt, nicht auf eine bestimmte Klientel beschränkt, sondern allen Bürgern zugänglich. "Wir wollten von unten her etwas wachsen lassen", sagt Christine Helmerich vom Organisationsteam "Haus 10". Der Bedarf war da, das zeigte der Zuspruch der Bevölkerung bei den Brucker Kulturtagen ein Jahr später.

Bei aller Liebe zu unkonventioneller Kunst kam man um gewisse Reglementierungen freilich nicht herum. Die IG initiierte zusammen mit der seit 1924 existierenden Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck den Trägerverein "Kulturwerkstatt Haus 10". Darstellende und bildende Kunst blieb dem Verein vorbehalten, andere künstlerische Aktivitäten deckte die IG ab. Überschneidungen blieben nicht aus, aber man arrangierte sich. Ein zusätzlicher Spielort, Haus 11, machte es von 1993 an möglich, veranstaltungsmäßig in die Vollen zu gehen. Wichtiger Impulsgeber für die über 60 Vorstellungen war Bruno Bader, Georg Trenz entwarf das vielsagende Logo K(l)ost(er)proben. Legendär war nicht nur der raue Charme der ehemaligen Stallungen - keine Heizung, Kiesboden, Hasenstall und alte Autos, das war's, was die IGler vorfanden - von den unkonventionellen Darbietungen schwärmen die Besucher heute noch. Etablierte Kabarettisten wie Jörg Hube und die Biermösl-Blosn traten ohne Gage auf, Rockbands, Literaten, Theaterleute und sogar ein Handpuppenspieler aus China kamen ins Haus11.

Besonders "ausgefallene Sachen", wie die Klanginstallation von Zoro Babel, sind Monika Pfefferkorn, der langjährigen Vorsitzenden der IG in Erinnerung geblieben. Die Metallstützen im heutigen Säulensaal fungierten dabei als Klangkörper, verstärkt durch im Boden verlegte Mikrofone und Flugzeugpropeller. Ein zweites Standbein schuf Bruno Bader als Vorsitzender der IG mit dem Kulturcafé im Haus 10. In der "kulturellen Nische", wie er es nannte, wurde fast exzessiv experimentiert, was bei manchen bildenden Künstlern unter den Mitgliedern auf Kritik stieß. Durchhänger blieben auch der Interessengemeinschaft nicht erspart. Mit dem Spatenstich für das Veranstaltungsforum fiel die Spielstätte Haus 11 weg, ebenso erging es dem Kulturcafé nach vier Jahren. Der enge Kontakt zur Subkultur, die im Haus 11 viele Rockkonzerte veranstaltete, erwies sich als hingegen hilfreich. Hier hat man sich bis heute mehrfach eine Art Blutauffrischung geholt.

Die Letzte dieser Art initiierten vor fünf Jahren Daniel Bradzda und Max Müller. Mit dem Kommunikationsdesigner und ersten Vorsitzenden Kadir Kara ist frischer Wind eingekehrt. Er und seine Mitstreiter organisieren Lesungen, Fotoausstellungen und Filmvorführungen der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) sowie zeitgenössische Musikabende. Trotz der städtischen Förderung bewegt man sich finanziell nach wie vor in einem sehr engen Rahmen. Spenden und Getränkeverkauf bei Veranstaltungen sind die wenigen Einnahmequellen. Bei dem Grillfest zum 30-jährigen Bestehen am Samstag blieben sie wie so oft überschaubar. Ein Lichtblick im neuen Portfolio sind die Poetry Slams. "Da kommen bis zu 100 Leute", schwärmt Kara und überlegt, dafür demnächst in den Säulensaal umzuziehen. Eine Wiedergeburt alter, legendärer Zeiten? Lorenz Lampl jedenfalls, der dereinst als Barockengel über Fürstenfeld schweben wollte, würde sich sehr wundern.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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