Fürstenfeldbruck:Sparer und Mieter sind die Verlierer

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Volksbank-Raiffeisenbank-Chef Walter Müller erläutert bei der Mittelstandsunion die Folgen der Niedrigzinspolitik

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Walter Müller weiß, dass er bei der Mittelstandunion der CSU referiert, aber der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Fürstenfeldbruck ist so frei, gleich mal mit einem populistischen Satz des bayerischen Finanzministers aufzuräumen. Hatte doch Markus Söder im Frühjahr behauptet, Schuldenmacher und Spekulanten seien die Gewinner der Nullzinspolitik. "Da schwillt mir doch der Hals an", donnert Müller, "in erster Linie profitiert der deutsche Staat auf allen Ebenen von der Nullzinsentscheidung der Europäische Zentralbank" (EZB). Vor 40 Besuchern malt Müller aus der Perspektive der Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein eher düsteres Bild.

Müllers Rechnung ist simpel. Der deutsche Staat spare bei einer Gesamtverschuldung von 2,2 Billionen Euro, wenn er demnächst statt vier nur noch ein Prozent Zinsen zahlen muss, 66 Milliarden Euro jährlich. Ausgangspunkt für die Nullzinspolitik der EZB sei die Finanzkrise 2008/2009 gewesen, als "Staaten Banken gerettet haben", so Müller. Er erinnert an den Satz des EZB-Präsidenten Mario Draghi im Sommer 2012 zur Rettung des Euros: "What ever it takes." Seitdem seien die Zinsen auf Talfahrt, weil die EZB die Finanzmärkte mit Geld flute. Besonders in Südeuropa genieße Draghi jedoch Heldenstatus. Müller: "Viele EU-Länder wären bei höheren Zinsen sonst bald pleite." Da spiele das Klagen der deutschen Sparer keine Rolle. Müller erwartet noch viele Jahre der finanziellen Repression. Die Lage ist prekär, besonders für Sparer. Deren Geld wollen die Banken nicht mehr, weil sie nicht wissen, wohin damit. Auch die VR-Bank verfügt immer noch über zu viel Kundengeld . Mit ihren 300 Millionen Kundenspargeldern als Kapitalanlage mache sie zurzeit nur Minus. Eine Credit Suisse-Anleihe hätte kürzlich für vier Jahr einen Strafzins von 0,05 Prozent pro Jahr eingebracht. Eine Anlage des Spargelds bei der EZB brächte einen Zins von minus 0,04 Prozent. Auch mit billigen Immobilienkrediten könne die VR-Bank kaum noch Geld verdienen, zumal droht dort ein Zinsänderungsrisiko. Erhöhe sich der Zinssatz während der Laufzeit eines Kredites, mache die Bank ein erhebliches Minus. "Das Zinsgeschäft ist aber unser Hauptgeschäft", bekräftigt Müller.

Geschäftsbanken werden weitere Zweigstellen schließen und Mitarbeiter entlassen, prognostiziert Müller. Aber auch die Sparkassen und die VR-Bank, die bisher die "brutale Sparpolitik einigermaßen überlebt haben", könnten sich nicht ganz abkoppeln. Müller erwartet für seine Bank für das laufende Jahr ein viel schlechteres Ergebnis als sonst. Verschärft wird die Lage durchs Online-Banking. Bei der VR-Bank wickeln 50 Prozent der Kunden ihre Zahlungen online ab. "In unseren Schalterräumen herrscht gähnende Leere", so Müller. Beruhigend sei, dass es bei der VR-Bank kaum Kreditausfälle gebe. Der Sparer und der Mieter machten Minus. "Die Gewinner sind eindeutig die Immobilienbesitzer", resümiert der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank. Seit 2010 sind die Immobilienpreise auch in der Region München um 50 bis 70 Prozent gestiegen. Aber 10 000 Euro pro Quadratmeter kann bald niemand mehr bezahlen, warnt der VR-Bank Chef mit Blick auf weitere Steigerungen. Mit einem Platzen der Immobilienblase rechnete Müller jedoch nicht. Einen schlagartigen Rückgang erwartet er nicht.

Viele Firmen allerdings seien aufgrund der Zinspolitik in ihrer Existenz gefährdet, weil sie ihre Pensionszusagen nicht mehr erwirtschaften und einhalten könnten. Mit einer Alternative zur EZB-Strategie der Nullzinsen kann Walter Müller auch nicht aufwarten. Es sei ein "Experiment mit ungewissen Ausgang", sagt der Referent. Aber es bestehe immerhin die Chance, dass insbesondere die Staaten ihre enorme Verschuldung endlich zurückführen können.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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