Fürstenfeldbruck:Sittsames Burgfräulein trifft zwielichtige Spielleute

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Mit Landknechtstrommel und Naturtrompete: Die Gäste vom Fanfaren- und Trommlerzug Bretten 1504. (Foto: Reger)

Buntes Brunnenfest mit Mittelaltermarkt des Graf-Toerring-Fanfarenzugs in Gernlinden

Von Stefan Salger

Maisach - Bleischwer hängen die grauen Regenwolken über dem Feldlager. Dort wird unbeirrt glühendes Metall geschmiedet. Schwerter, Samtgewänder, Mieder und Silberschmuck wechseln den Besitzer. Einzig dieser Verschlag neben der Feldküche, mit dem Sütterlin-Schriftzug "Crêpes", lässt den Verdacht aufkeimen, dass entweder die Geschichtsbücher diese frühe kulinarische Unterwanderung des römisch-deutschen Reichs durch die Franzosen unterschlagen haben oder man hier, mitten in Gernlinden, doch nicht das Jahr 1000 schreibt.

Besser so für die finsteren Gesellen, die da beim Graf-Toerring-Brunnenfest nebst Mittelaltermarkt immer wieder mal den Ton angeben. So auch am Sonntagmittag. Die Spielleut' von der Trollfaust scheinen ein äußerst zwielichtiges Halunkenquartett zu sein, mögen sie auch Dudelsäcken, Trommeln, gehörnten Sackpfeifen und Schalmeien erstaunlich harmonische Klänge entlocken. Umfangen von künstlichem Nebel und düstern Gedanken stehen da die Mannen, mit Tattoos übersät, im nietenbesetzten Lederlendenschurz. In der Neuzeit wären sie wohl gesetzt als Protagonisten der fünften Mad-Max-Fortsetzung. Bei ihnen klingt "Hänschen klein" nach Conan, der Barbar. "Eins, zwei, drei", schallt es sodann von der Bühne, es folgt ein archaisches Männerballett. Bücken, strecken, brüllen. Nach einer halben Stunde zeigt das archaische Spektakulum Wirkung: Die Wolken nehmen Reißaus, die Sonne versucht, die große Wiese mit dem Aussichtsberg vor der Bühne in ein versöhnliches Licht zu tauchen. Als sich dann aber einer der Gesellen - ob es nun Arachon, Morda, Ziegenstolz oder Jalfur war, lässt sich hinterher nicht mehr feststellen - über diese komische, bunte Kleidung dieser komischen, neumodischen Bürgerkinder dort vor der Bühne spottend das Maul zerreißt, da wird klar: Im Mittelalter wären diese lästerlichen Spitzbuben spätestens jetzt vom Burgherrn oder Grafen in den Kerker geworfen worden. So aber wird ihnen nicht der Pranger, sondern wohlfeiler Applaus der Gästen zuteil, die ihrer Kleider zufolge von weit hergekommen sind. Und dem Herold der spitzen Feder, der diese Zeilen verfasst hat, bleibt der Auftritt des Henkers versagt, der diese Überlieferung des Schauspiels doch so bereichert hätte.

Man wendet sich also einem anderen Schauplatz zu, von dem es herüberschallt: "Seht her, ihr Leut', hier spritzt das Blut, hier brechen die Knochen!" Man biegt um die Ecke und sieht, wie dort junge Menschen auf bewegliche Ziele feuern. Mit kleinen Armbrusten legen sie mittels Flaschenkorken kleine Pappreiter um. Gleichwohl steht der Mittelaltermarkt vor allem im Zeichen friedlicher Gaukler, Falkner oder Kerzenzieher.

Am Freitagabend war das Fest von den "Furunkulus"-Barden eingeläutet worden. Am Sonntagnachmittag führen Edelleute und sittsame Burgfräuleins des Fürstenfelder Historienspiel-Ensembles Reigentänze vor, dann folgt der Höhepunkt des ritterlichen Stelldicheins: ein Sternmarsch, an dem sich der gastgebende Verein ebenso beteiligt wie der Fanfarenzug Ottheinrich Neuburg und der Fanfaren- und Trommlerzug Bretten 1504. Ein Augen- und Ohrenschmaus: Fahnen fliegen, Trommeln werden geschlagen. Und der messerscharfe Klang der Fanfaren schallt durch Gernlindens Straßen.

Jene Naturtrompeten werden Leo Huber zufolge allein per Lippenspannung, also ohne Ventile, gespielt. Der Vorsitzende des Fanfarenzugs ist froh, dass das Wetter, von ein paar kurzen Regenschauern abgesehen, mitgespielt hat und somit ausgiebig das 55-jährige Bestehen des Vereins und das zehnjährige Bestehen des Graf-Toerring-Brunnens begangen werden konnte.

Dem Graf-Toerring-Fanfarenzug, der in einem Monat beim Dorffest erneut zu sehen ist, gehören etwa 40 Aktive an. Wer mitmachen will, sollte mindestens zehn Jahre alt sein (musikalische Erfahrung oder Notenkenntnisse nicht erforderlich, Trachten und Instrumente werden gestellt).

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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