Fürstenfeldbruck:Sinnbildhaft

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Jugendliche ergründen ihre Sehnsüchte

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Heimat - ein durchaus sperriger Begriff. Was verstehen junge Menschen darunter? Sehr berührend wird es, als Adnan aus Somalia auf die Bühne der Brucker Stadtbibliothek tritt. Er hat ein Bild gemalt. Es zeigt eine Frau mit Kopftuch, Gelb dominiert. "Mutter ist Heimat" hat er das Bild betitelt. Der 17-jährige Afrikaner ist mit 15 Jahren aus Somalia geflohen - einem Land, das von mafiaähnlichen Privatmilizen unter Terrorherrschaft gehalten wird. Seit eineinhalb Jahren lebt er in Fürstenfeldbruck. "Heimat ist dort, wo es eine Zukunft für mich gibt", sagt Adnan, "wo man in Frieden leben kann". Schmunzelnd ergänzt er: "Heimat ist auch dort, wo es mir schmeckt."

Adnan schmeckt es in Fürstenfeldbruck, besonders in der Gemeinschaft beim Kulturverein Turmgeflüster. Der präsentierte in der Stadtbibliothek die Ergebnisse eines Workshops mit elf Jugendlichen zum Thema Heimat(W)orte im Rahmen der Kreiskulturtage. Christine Dietzinger leitet dieses regelmäßige Treffen von Kindern und Jugendlichen seit zwölf Jahren. "Inhaltlich wird nichts von mir vorgegeben", sagt sie nachdrücklich. "Aus einem Leseclub ist ein Themenclub geworden", beschreibt sie die Entwicklung. Gelesen wird auch zunächst von den Jugendlichen zum Thema Heimat und Sprache. Sie kommen nacheinander auf die Bühne, halten ein Harry-Potter-Buch in der Hand und lesen daraus abwechselnd auf Deutsch, Russisch, Spanisch, Englisch oder Französisch vor. "Es nicht nötig eine gemeinsame Sprache zu sprechen, wenn man eine gemeinsame Geschichte hat", kommentiert Dietzinger diesen Auftritt für die 30 Besucher.

Dann tritt Greta Kinder als "Heimatologin" auf. Die 16-jährige Schülerin am Graf-Rasso-Gymnasium beschäftigt sich unterhaltsam wie eingehend mit dem Heimatbegriff. "Heimat ist individuell", ist ihr Fazit. "Ich habe zwei Heimaten: Fürstenfeldbruck und Mexiko." Heimat sei dort, wo sie sich zuhause fühle. Für sie ist das auch Mexiko, weil sie dort erst kürzlich einen einjährigen Kulturaustausch verbracht hat. "Jeder Mensch sollte viele Heimaten haben", empfiehlt sie und kreiert den Begriff "heimatreich". Denn "heimatlos kann es nicht geben".

Andere Teilnehmerinnen formulieren ihr Heimatverständnis mit eigenen Bildern oder einen bemalten Regenschirm, so Franziska Schmid. "Heimat muss kein Ort sein", sagt Pauline Wiewiorra zu ihrem abstrakt bunten Bild, aus dem ein Baum durchschimmert. Lisa Strömsdörfer, 16, trägt einen eigenen Text vor. "Heimat ist ein Mosaik", liest sie und erzählt von der Grundschule, an der sie vorbeikommt und wie sie die Mama auf die Stirn küsst. Olessja Sedelnikova spielt Cello und Sofia Luther präsentiert ihren Wischmobwie, sie sagt, der "Menschen und Tiere rettet".

Zum Abschluss tanzen alle elf zusammen einen afrikanischen Tanz, den Adnan freudig anleitet.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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