Wer heute als 19-jähriger Musiker mit einem sehr anspruchsvollen Programm im Konzert auftritt, muss sich mit den Maßstäben der Profis messen lassen. Die Zeit des "jungen Talents" und des "hoffnungsvollen Nachwuchses" sind da vorbei. Und es ist nicht von Bedeutung, in welcher Phase des Studiums sich ein Künstler befindet - allein auf die Leistung auf der Bühne kommt es an.
Wer sich solch großen Herausforderungen stellt, der muss ehrgeizig sein, unendlich fleißig und diszipliniert. Alle diese Eigenschaften sind nicht kompatibel mit dem Wesen von Musik, die vor allem von Spiel und Freiheit lebt. Auf die Trennung beider Sphären kommt es dabei ebenso an wie auf die kluge Kombination. Das Publikum darf von den Anstrengungen nicht mehr als die unbedingte Konzentration auf die Sache spüren. An dieser Stelle entscheidet sich, ob es sich um Kunst handelt, weil es von Können kommt, oder doch um Wulst, weiß es mehr dem Wollen entspringt.
Der Emmeringer Geiger Tassilo Probst, der sich vor einer Woche im sehr gut besuchten kleinen Saal des Veranstaltungsforums wieder einmal dem heimischen Publikum stellte, hat eine hervorragende Entwicklung genommen: Der frei schwingende Ton, der in seinem Spiel mit einer Vielzahl an farblichen Schattierungen und dynamischen Ebenen aufwarten kann, ist zum Markenzeichen seiner Kunst geworden. Das Programm unter dem Motto "Zeitreise durch die Musikgeschichte" bot ihm die Möglichkeit, die Versiertheit mit ganz unterschiedlichen Werken unter Beweis zu stellen. Am Klavier unterstützte ihn dabei höchst professionell der Pianist Mamikon Nakhapetov, der selbst auch als Korrepetitor an der Münchner Musikhochschule arbeitet.
Der Abend begann mit Ludwig van Beethoven, nämlich mit der spritzig-heiteren Sonate Nr. 8 für Klavier und Violine in G-Dur op. 30 Nr. 3. Der Kopfsatz (Allegro assai) fordert ein außergewöhnlich hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Partnern, gepaart mit großer Transparenz. Beide Faktoren waren hier beeindruckend und mit Verve erfüllt, im Detail ergänzt durch die oft minutiös umgesetzten Angaben zur Lautstärkendifferenzierung. Im Tempo di Minuetto stand vor allem der kammermusikalische Charakter im Vordergrund: Tassilo Probst wählte eine warm timbrierte Klangfarbe, wenn dem Klavier die Führungsrolle zufiel. In großer Ruhe entstand so eine stimmige Balance beider Instrumente, geführt von weiter Kantabilität. Das extrovertierte Final-Allegro in der Art eines scheinbaren Perpetuum mobile gelang mit perlender Offenheit und tonlicher Substanz selbst im leisesten Piano.
Bei der Sonate Nr. 2 für Violine und Klavier op. 45 des Geigers und Komponisten Joseph Achron handelt es sich um ein vergessenes Werk aus dem Jahr 1918. Die Sonate wartet mit einem Überschwang an Charakteren und Ausdrucksebenen auf, die motivisch gut verklammert sind. Tassilo Probst und Mamikon Nakhapetov verschmolzen im komplexen Zusammenspiel immer wieder wunderbar. In den großen Spannungsbogen, der die vier Sätze der Sonate verband, nahm Tassilo Probst die Zuhörer mit hinein, die es ihm mit nicht nachlassender Konzentration dankten. Bei der folgenden Sonate op. 27 Nr. 3 für Violine solo von Eugène Ysaÿe war die Nähe zu Johann Sebastian Bach insbesondere in der klangvollen Doppelgriffen gut hörbar.
Als Schlussstück des Programms erklang die Ysaÿe gewidmete Sonate für Klavier und Violine in A-Dur op. 100 von César Franck. Dem meditativ versunkenen Gestus des Kopfsatzes (Allegretto) begegneten die beiden Musiker mit sonorer Sanglichkeit und einem wunderbar differenzierten Vibrato beim Geiger. Im expressiven Allegro waren die rhapsodischen Ausbrüche in die Architektur des Satzes organisch eingebettet. An keiner anderen Stelle des Programms wirkte die Stimmung so gelöst wie im Final-Allegretto, dessen berührende Kantabilität eine geradezu berauschende Sogwirkung entfaltete.
Zwei sangliche, klanglich veredelte Zugaben belohnten den ausgiebigen Beifall des Publikums am Ende des Konzerts. Tassilo Probst hat bereits viele Hürden auf dem Weg zum Solisten genommen. Wie groß eine Karriere ausfällt, hängt dabei neben dem Können immer auch von etwas Glück ab. Da ist es ganz gewiss gut, wenn den talentierten Geiger sein Lehrer an der Hochschule für Musik und Theater München, Ingolf Turban, noch eine Zeit weiter betreut.