Fürstenfeldbruck:Runter von der Straße

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Selbstkritisch: Trotz einiger Schicksalsschläge macht Gerhard Hoffmann (Name geändert) niemanden für seine Situation verantwortlich. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nach einem Leben mit Drogen hat Gerhard Hoffmann die Wende geschafft

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Mit 13 der erste Vollrausch, mit 14 in Therapie, dann Drogenkonsum mit allen Konsequenzen: Dealen, auf den Strich gehen und immer wieder im Knast landen - Gerhard Hoffmann ( Name geändert) hat die klassische Vita eines Drogensüchtigen. Jetzt, mit 55 Jahren, ist er ziemlich am Boden. Seit ein paar Monaten hat Hoffmann keine Wohnung mehr. Zunächst kam er noch bei Freunden und Bekannten unter. Doch auf die Dauer wurde das zu eng. Dann hat sich Hoffmann auf der Straße rumgetrieben, übernachtet hat er in erster Linie am Münchner Flughafen. Der ist offenbar unter Obdachlosen eine beliebte Anlaufstelle für die Nacht, weil er überdacht und beheizt ist, weil er bewacht wird und die Gefahr eines Angriffs auf einen Schlafenden dort eher gering ist, wenn man ihn mit Alternativen wie U-Bahnhöfen, Isarufer oder Parkbänken vergleicht.

Seit einigen Wochen lebt Hoffmann in der Kap, wie die Obdachlosenunterkunft der Caritas in der Kapuzinerstraße in Fürstenfeldbruck heißt. Wie deren Leiter, Heinrich Baumann, unterstreicht, bietet das Gebäude in einem Hinterhof nicht nur Aufwärm- und befristete Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose. Ein weiterer Schwerpunkt sei deren Beratung und Weitervermittlung an andere Einrichtungen und Institutionen, die dem Betroffenen in seiner Situation am besten weiterhelfen können. Oft kooperiere man dabei auch mit Münchner Stellen. So ist es auch in Hoffmanns Fall. Er hofft darauf, über das Adolf-Mattes-Haus, eine katholische Männerfürsorgeeinrichtung in München, ein WG-Zimmer zu bekommen. Sein größter Wunsch wäre eine eigene Wohnung. Doch die kann ihm auch der Adventskalender der SZ nicht herbeizaubern. Also wünscht er sich - aber erst, nachdem er abgewunken und auf andere, noch Bedürftigere verwiesen hat - finanzielle Hilfe bei der Einrichtung seines zukünftigen Zuhauses.

Seine letzte Wohnung im Landkreis hatte der 55-Jährige mit den tiefen Falten im Gesicht, der aber trotz seiner Situation zufrieden, ja fröhlich wirkt, in Eichenau. Über Jahrzehnte hat der gelernte Maler und Lackierer dort in einer Wohnung gelebt, die zum Betrieb seines Arbeitgebers gehört. "Mein Chef, der war sehr kulant", erzählt Hoffmann. Über viele Jahre habe der immer wieder seine drogenbedingten Ausfälle hingenommen. Er konnte sich frei nehmen, um eine Drogentherapie zu machen, "und mein Chef hat mich immer wieder eingestellt". Einmal lieh der ihm sogar 30 000 Euro - weil Hoffmann so viele Schulden hatte. "Der war sehr sozial", betont der 55-Jährige.

Das Arrangement zerbrach vor sieben Jahren. Da musste Hoffmann für 16 Monate in Therapie - Auflage der Staatsanwaltschaft wegen Drogenhandels. Danach verschlug es den Maler und Lackierer nach Hamburg und Kiel. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs in seinem Beruf sowie in allen möglichen anderen Bereichen über Wasser. Als Christbaumverkäufer, auf dem Jahrmarkt, in der Küche und als Servicekraft habe er schon gearbeitet, zählt er auf. "Ich habe ja auch im Rotlicht gearbeitet", lächelt er, fünf Jahre als "Animierschlampe", auch auf den Strich sei er schon gegangen.

Nach der letzten Therapie - es war die fünfte - hat es Hoffmann geschafft, Betäubungsmittel zu meiden. Jetzt will er eigentlich nichts weiter, als ein Dach über dem Kopf für sich finden und eine Arbeit, die er mit seinem kaputten Rücken noch machen kann. Seinen Bandscheiben zuliebe darf er nicht mehr als fünf Kilogramm heben, was für einen Handwerker fast schon einem Berufsverbot gleichkommt. Er habe sich auch schon an das Jobcenter gewandt, allerdings mit wenig Erfolg. Hoffmann will wieder arbeiten, keine Frage. Nicht nur des Geldes wegen, wie er sagt. Auch wenn man diesen Grund verstehen könnte: Nach 25 Jahren Einzahlung in die gesetzliche Rentenkasse bekam er erst kürzlich einen Bescheid: 680 Euro würde er zurzeit bekommen, allenfalls genug für die Miete.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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