Fürstenfeldbruck:Rückzugsräume

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In der aktuellen Ausstellung in Haus 10 beschäftigen sich vier Künstlerinnen mit der Frage, welche Bedeutung Häuser und Gehäuse für Lebewesen haben - im Zentrum steht der Mensch

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Eine Behausung, also einen Schutzraum und Rückzugsort, zu haben, ist nicht nur eines der Urbedürfnisse des Menschen, sondern auch aller anderen Lebewesen. Während beispielsweise Bienen komplexe Bauten errichten, tragen andere Tiere, wie etwa Schnecken, ihre "Häuser" direkt am Körper. Die ursprüngliche Sehnsucht nach diesen Rückzugsräumen thematisiert die aktuelle Ausstellung im Haus mit dem Titel "Gehäuse - Hide and See". Gezeigt werden Werke der vier Künstlerinnen Iris Ermlich, Claudia Hippe-Krafczyk, Iris Schabert und Ingrid Thorwart. Während sich zwei von ihnen eher mit architektonischen Fragen beschäftigen, legen die beiden anderen den Fokus eher auf die organische Komponente.

Iris Ermlich arbeitet sich in ihren Werken von der abstrakten Struktur von Hausfassaden zu konkreten Darstellungen von Gebäuden vor. In einer Bilderserie zeigt sie Häuser aus ihrer Heimat. Diese sind so sehr auf die Umrisse reduziert, dass sie eher wie Farbflächen wirken, auch die Proportionen sind nicht realitätsgetreu abgebildet. Konkreter wird Ermlich bei einer Reihe von Bildern, die einsame Häuser in der Natur zeigen. Die organischen Elemente, also Pflanzen, geraten hier zum Beiwerk, erinnern an einfache Naturbühnenbilder aus dem Theater. Damit stehen die Bauwerke im Fokus. Auch sie sind so einfach gehalten, dass sich der Blick des Betrachters auf die Form richtet. Ermlichs Häuser wirken durch die Darstellung eher wie Panzer, klobige, aber sichere Rückzugsräume. Von den Bewohnern sieht der Betrachter nichts. Eine religiöse Verbindung zum Kloster bilden ihre zwölf Wachs-Einfamilienhäuser, die an klassische Votivgaben erinnern und stellvertretend für die Bewohner um Schutz von höchster Stelle bitten sollen.

Auch in den Werken von Claudia Hippe-Krafczyk sieht man die Bewohner nicht. Sie konzentriert sich darauf, Fassaden abzubilden. Damit wirft sie die Frage auf, wie sich die Menschen, die sich dahinter verbergen, nach außen präsentieren. Besonders deutlich wird das in einer Serie von vier Gemälden, die jeweils den Eingangs einer Reihenhaussiedlung zeigen. Die Architektur ist in allen vier Bildern identisch. Individuell werden die Eingangsbereiche erst durch die Gestaltung der Bewohner: Unterschiedliche Lampen und Fußmatten etwa. Eine Familie hat ein Dreirad vor der Tür stehen, eine andere an gleicher Stelle einen großen Briefkasten.

Mit organischen Gehäusen beschäftigt sich Iris Schabert. Ihre Porzellanskulpturen erinnern an Pflanzensamen oder Organe. Schabert geht es darum, den Übergang von der Hülle ins Innere heraus zu stellen. Denn jede Skulptur ist an einer Stelle geöffnet. An den Rändern dieser Öffnung wachsen kristalline, dornenartige Strukturen über die glatte Oberfläche. Dadurch geht es nicht nur um die Hülle, sondern auch um das, was umhüllt wird. An ein Monster aus einem Science-Fiction-Film erinnert eine Stelle mit großem Schlund, die Dornen erinnern an scharfe Zähne. Der Betrachter kann tief ins Innere schauen, es entsteht der Drang, mit der Hand hinein zu greifen und abzuwarten, was passiert.

Wesentlich harmloser kommen die Gehäuse von Ingrid Thorwart daher. Aus Zeitungspapier hat sie ein Gehäuse geschaffen, das wie das Versteck eines Tieres wirkt. Die Buchstaben der Zeitungstexte verschmelzen zu einem Schwarz-weiß-Muster. Ein anderes Werk, ebenfalls aus Zeitungspapier, zeigt eine kleine Siedlung. Auch hier wird gezeigt, wie die einzelnen Häuser, die einer festen Struktur folgen, durch individuelle Gestaltung einmalig werden: Verschieden große Fenster und Türen und unterschiedliche Zäune prägen die einzelnen Häuser. Die Skulptur wirft Fragen auf wie "Wie viel Schutz braucht ein Individuum?" oder auch: "Wie viel Abgrenzung braucht der Mensch als Individuum von anderen Menschen?".

Durch diese verschiedenen Herangehensweisen und die unterschiedlichen Materialien, schafft es die Ausstellung, im Besucher viele Fragen nach Sinn und Stellenwert des eigenen "Gehäuses" aufzuwerfen.

Ausstellung "Gehäuse - Hide and See", im Haus 10, Kloster Fürstenfeld. Vernissage am Freitag, 23. September, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen bis zum 9. Oktober, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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