Fürstenfeldbruck:Rock'n' Roll und Amen

Lesezeit: 2 min

Evangelische Erlöserkirche verabschiedet Diakon Rainer Fuchs

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Er ist der Mann für die leisen, nachdenklichen, aber auch für die sonor bollernden Töne. Seine Unterarme sind tätowiert, auf der Brust prangt eine Luther-Rose. Regelmäßig tauscht er die Lederkluft gegen den weißen Talar. Dann legt er den Motorradhelm beiseite und greift zur Bibel: Rainer Fuchs ist der Rock 'n' Roller der Erlöserkirche. Und er genießt die scheinbaren Widersprüche. Der 43-Jährige ist Motorradfan, spielt Bass und liebt amerikanische Musik. Und er ist Diakon. Was bei Menschen, die ihn nicht kennen, Verwunderung auslöst, ist für ihn der Beleg, dass man mitten im Leben und mitten in der Gesellschaft stehen kann und gleichermaßen ein gläubiges Leben führen kann. Die nächste Wandlung steht auf beruflichem Felde an: Fuchs wird an diesem Sonntag mit einem von Dekan Stefan Reimers gestalteten Gottesdienst in der evangelischen Erlöserkirche am Stockmeierweg in Fürstenfeldbruck verabschiedet. Anschließend haben alle Besucher die Gelegenheit, dies auch noch persönlich zu tun.

Die Stelle als Leiter des Dekanatsjugendwerks bleibt vorerst vakant und dürfte Anfang 2017 wieder besetzt werden. Auf Fuchs wartet in Giesing eine spannende Aufgabe. Vor zwei Wochen ist der gebürtige Nürnberger bereits in den Münchner Stadtteil umgezogen. Dort wird er kirchliche Sozial- und Gemeinwesenarbeit verrichten. Ein ganz anderes Feld als die 15 Jahre Kinder- und Jugendarbeit oder die Aus- und Weiterbildung Ehrenamtlicher. Und doch irgendwie ähnlich: "Ganz nah am Menschen", im Sinne der sieben Werke der Barmherzigkeit, ganz unabhängig von Konfession, Herkunft oder Hautfarbe. Es ist wahrscheinlich so, als würde Fuchs von seiner 36 Jahre alten 650er Boxer-BMW, die er selbst mit Ochsenaugenblinkern und weiteren Modifikationen zum caféracermäßigen "Bobber" umgebaut hat, auf eine vierzylindrige Honda Goldwing aus den Sixties umsteigen. Klar, das würde der Reiter der schwarzen Gummikuh wohl milde lächelnd dementieren. Aber theoretisch würde man das - Chrom, Speichenräder, Patina und ein uriger Sound vorausgesetzt - ihm schon zutrauen, sich auf diese Wandlung einzulassen. In der Garage des Diakons stehen noch eine Vespa und ein Volvo - beide natürlich betagt, Ehrensache. Viele Brucker kennen den verheirateten Vater einer dreijährigen Tochter von den jährlichen Motorradgottesdiensten, die er gemeinsam mit dem Religionspädagogen Helgo Boehlkau insgesamt neunmal zelebriert hat. Vor der obligatorischen Ausfahrt unterhielten sich dann die Biker mit ihm über Gott und die Welt, amüsierten sich über die Lederjacke mit der Aufschrift "Reverend Ray Fox" oder über die Tattoos auf den Unterarmen (die sich bei nähere Betrachtung als Bildsymbole der vier Evangelisten entpuppten). Die Biker-Gemeinde kann beruhigt sein: Der Fortbestand des Motorradgottesdiensts scheint gesichert, ein ehemaliger Militärseelsorger wird einspringen. Gut, der fährt eine fast schon beängstigend perfekte BMW GS, aber deshalb sollte man nicht gleich den Stab über ihm brechen.

Wenn Fuchs von den Reaktionen der Menschen erzählt, dann lacht er aus einem von einem Dreitage-Backenbart sowie einer nach hinten gegelten Rockabillyfrisur eingerahmten spitzbübischen Gesicht. Er ist immer für eine Überraschung gut und passt einfach nicht in eine Schublade, in die kirchliches Personal gerne gesteckt wird. Überrascht reagiert haben auch seine Eltern, als er ihnen einst seinen Berufswunsch offenbarte. Nein, sorry, es wird nix mit Bank- oder Versicherungsjob. Stattdessen gab es eine sechsjährige Ausbildung an der Fachakademie. Und so wurde aus einem Hobby der Beruf. Rainer Fuchs verfolgt seither seinen Weg - on the road again.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: