Fürstenfeldbruck:Richtig essen lernen

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Im Landkreis formiert sich ein Ernährungsrat. Er will für eine höhere Wertschätzung von Nahrungsmitteln werben

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Landrat Thomas Karmasin (CSU) hat den Sitzungssaal schon verlassen, als Richard Bartels noch um ein wenig Aufmerksamkeit bittet. Bartels nimmt Karmasins Platz vor den Kreisräten ein, die zuvor zur Sitzung des Energie-, Umwelt- und Planungsausschusses im großen Sitzungssaal im Landratsamt zusammengekommen waren. Für das, was er vorhat, ist Bartels genau der richtige Mann. Der frühere Tierarzt und Vorsitzende der IG Lichtspielhaus steht auch der Slow-Food-Bewegung im Fünfseenland vor, die sich dafür einsetzt, dass die Menschen den Produkten, die sie täglich zu sich nehmen, als auch den Erzeugern dieser Lebensmittel wieder mehr Wertschätzung entgegen bringen und Essen wieder mehr als Genuss wahrnehmen. Bartels will nun einen Ernährungsrat installieren, der die Bedeutung von Ernährung und Nahrungsmittelproduktion im Landkreis mehr ins Bewusstsein rücken soll. "Es gab mal so was wie eine Esskultur", sagt Bartels, "aber wir sind gerade dabei, sie abzuschaffen".

Der lokale Ernährungsrat will Ernährungsbildung und Esskultur voranbringen. Dazu gehört auch die ökologisch nachhaltige und faire Erzeugung und Vermarktung von Lebensmitteln. Mit ein paar markigen Sprüchen unterstreicht Bartels, was zu tun ist. "Wer heute Milchproduzent ist, war früher ein angesehener Mensch. Heute ist er eine arme Sau." Heute ginge die Vermarktung in Richtung Frischeprodukte und das sehe dann so aus, skizziert Bartels: Man bestellt 100 Gramm Aufschnitt und "wenn's sein muss, kann man sich das bis in den Kofferraum liefern lassen". Die Qualität aber sei fragwürdig, die Ökobilanz "eine Katastrophe". Auch im Ernährungshandwerk, in Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung werde es "immer schwieriger, a g'scheits Essen zu bekommen". Deshalb sollten beispielsweise auch in Schulmensen mehr regionale Zutaten verarbeitet werden, fordert Bartels: Im Landkreis würden "so viele Kartoffeln produziert, die für ganz Bayern reichen".

Der Ernährungsrat ist eine Anregung aus der Regionalkonferenz. Bund Naturschutz, Bauernquelle, Brucker Land, die Metzgerinnung, die Firma Ökoring, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), die Agenda 21, einige Kommunalpolitiker, aber auch Konsumenten haben sich Bartels zufolge bislang zusammengetan. Ernährungsräte gibt es weltweit, der erste in Deutschland entstand in Köln. Auch in München ist einer in Arbeit, jener in Fürstenfeldbruck könnte deutschlandweit der erste auf Landkreisebene sein. "Durch die Internationalisierung des Lebensmittelmarktes werden Entscheidungen über unser Essen immer weiter weg gefällt. Wir möchten wieder mitentscheiden, woher unser Essen kommt und wie es produziert wird", sagt beispielsweise der Ernährungsrat in Köln über seine Ziele. "Wir müssen die Lebensmittelversorgung stärker zurück in die Region bringen, ergänzt Richard Bartels: "Der größte Teil der Wertschöpfung soll in der Region verbleiben!" Würde beispielsweise ein Cyberangriff die Lebensmittellogistik lahm legen, könne sich eine Stadt wie München gerade mal zwei Tage lang von Vorräten ernähren. "Im Landkreis", sagt Bartels, "vielleicht ein bisschen länger, weil wir hier auch noch bäuerliche Strukturen haben".

Bei den Kreisräten wirbt Bartels um Wohlwollen und den Einfluss der Kommunen für die gute Sache. CSU-Kreisrat Hubert Ficker mahnt an, dass das lose Bündnis eine feste Struktur benötige, beispielsweise als Verein. Sein Kollege von den Freien Wählern, Gottfried Obermair, der auch Vorsitzender des Energiewendevereins Ziel 21 ist, regt an, einen Antrag auf finanzielle Unterstützung durch den Landkreis zu stellen. Das wird erst für das nächste Jahr relevant, die Haushaltsberatungen für den Bereich Umwelt und Energie gingen wenige Minute zuvor zu Ende. Die Sorge von Rudi Keckeis (BV), dass möglicherweise nur ökologische Erzeugnisse beworben werden könnten, zerstreut Bartels. So seien etwa die Hofläden im Landkreis elementar für den Versorgungsgedanken, wie er dem Ernährungsrat vorschwebt. Auch Brucker Land habe "Bio dabei", setze aber nicht ausschließlich darauf.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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