Ausstellung im Haus 10:Raum zur Reflexion

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Drei Künstler nutzen das Haus 10 auf dem Gelände des Klosters, um die Besucher zur geistigen Einkehr und zum Nachdenken über sich und die Gesellschaft zu animieren. Die Hilfsmittel dafür sind Gardinen, Gläser und Trockenhauben

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist keine leichte Ausstellung, die aktuell im Haus 10 zu sehen ist. Keine Werkschau, durch die man als Besucher einfach mal durchschlendern und dann mit dem guten Gefühl, etwas Kunst konsumiert zu haben, wieder nach Hause gehen kann. Vielmehr braucht es viel Konzentration und Muße, die vielen künstlerisch und thematisch inhaltsvollen Bilder, Skulpturen und Videoinstallationen zu erfassen. Gezeigt werden unter dem Titel "entrückt" Werke von Patricia Lincke, Ulrike Prusseit und Christian Wichmann.

Mitten auf dem Klostergelände, einem Raum der traditionell der Einkehr und der Erkundung der eigenen Innenwelt dient, wollen auch die Künstler die Zeit überwinden und bewusst einen Ort der Einkehr und des Nachdenkens schaffen. Einen Raum, um den Alltag zu reflektieren, die eigene Rolle in einer modernen Gesellschaft. Und das gelingt ihnen außergewöhnlich gut. Den schönen Schein der modernen Welt, das auf den ersten Blick Oberflächliche, hält etwa Christian Wichmann wunderbar mit seiner Installation "Cross of pain" fest.

Die große Skulptur besteht aus einem Regal mit sieben Etagen, in denen jeweils sieben mundgeblasene Gläser stehen. Im ersten Moment sieht der Betrachter darin nur schöne, bunt bemalte dekorative Elemente. Doch nach und noch schält sich der Kern des Werkes heraus. Es sind nicht einfach nur willkürlich angeordnete Gläser, die da zu sehen sind, sondern vielmehr bilden die mittleren Gefäße ein großes Kreuz, das von roten Behältern definiert wird. Und auch die Muster auf den Kreuz-Gläser sind keine abstrakten Kunstwerke, sondern Abdrucke von erkrankten und verletzten menschlichen Teilen, teilweise mit dem Mikroskop vergrößert. Sie sind so angeordnet, dass das Kreuz im ganzen den Körper eines Menschen darstellt, oben drei Ausschnitte von erkrankten Gehirnen, an den Seiten die Hände. Verbunden mit der Form des Kreuzes erinnert das Werk also an den christlichen Schmerzensmann.

Mit seiner eigenen Lebensgeschichte beschäftigt sich Wichmann in der Installation "Was bleibt". In 30 nachträglich bemalten und bearbeiteten Fotografien erzählt er darin seine Beziehung zum Vater. Zu sehen sind die Bilder durch kleine Risse in einer Gardine - Symbol für die Demenz des Vaters, die nur ab und an den Blick freigibt.

Gardinen sind auch der Hauptwerkstoff von Patricia Lincke. Sie beschäftigt sich mit den Abgründen und Mustern der deutschen Bürgerlichkeit. Und dafür steht in ihren Augen kaum etwas so sehr wie eben jenes Stück Stoff, dass das Heim vor den Augen der Außenwelt verbirgt. In "Die Gardine ist der Orchidee ihr Tod", verbindet Lincke gleich zwei Elemente der Kultur, die sie beobachtet. Die Orchidee steht dabei als ehemaliges Symbol der Eleganz und Feingeistigkeit, die durch ihre Verfügbarkeit in jedem Baumarkt zu Spottpreisen, jegliche Würde verloren hat und mittlerweile das Usambara-Veilchen auf dem Fensterbrett - hinter der Gardine - verdrängt hat. Deshalb steckt sie eine künstliche Orchidee in einen lebensgroßen Sarg, verschlossen mit einer Plexiglasscheibe und dekoriert - wie viele echte Särge - mit einer Gardine. Im Hintergrund hängt an der Wand ein "Porträt" der Verblichenen. In mehreren Werken greift sie das Motiv der Gardine noch einmal auf.

Ulrike Prusseit lenkt in ihren Bildern den Blick zurück ins Innere des Menschen. Wie schaffen wir es, in einer hektischen Welt, Räume der inneren Einkehr und Ruhe zu schaffen? Das ist die Frage, mit der sich viele ihrer Werke beschäftigen. Als Symbol für einen solchen Schutzraum hat sie die Trockenhaube gefunden, jenes unförmige, aufblasbare Plastikteil, mit dem man auch Zuhause die perfekte Dauerwelle hinbekommt. Prusseit definiert die Haube zum Helm, der seinen Träger von der Welt isoliert, den Lärm und störende Einflüsse abwehrt. Einen Einblick in ihr Arbeitsumfeld gewährt Prusseit mit der Präsentation ihres Archivs, das sie einfach eins zu eins an die Wand gehängt hat. Zeitungsausschnitte, finden sich dort neben Bildern und Kartons die mit Begriffen wie "Theater" und "Tier/Mensch" beschriftet sind. Damit zeigt sie den Raum, in dem sie "entrückt", sich aus der Welt zurückzieht und in ihre Kunst eintaucht.

Durch diese Mischung aus innerer und externer Entrückung aus der Realität, aus Rollenbildern und Gewohnheiten, ist eine Ausstellung entstanden, die auch dem Besucher hilft, den eigenen Standpunkt in der Gesellschaft, der Familie, ja überall zu bestimmen und zu bewerten.

Ausstellung "entrückt", Haus 10 Fürstenfeldbruck. Vernissage am Freitag, 18. März, von 19.30 Uhr an, danach zu sehen bis zum 3. April, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags sowie am Karfreitag und Ostermontag von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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