Fürstenfeldbruck:Rappen gegen Rechtsextremismus

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"Never give up" steht auf dem Zettel dieses Teamleiters von "Interactive Cultures", der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. (Foto: Johannes Simon)

Schulprojekttag "Mixtape" soll die demokratische Haltung an Mittelschulen stärken

Von Maren Jensen

FürstenfeldbruckBeat Box trifft auf politische Bildungsarbeit: An den Mittelschulen Nord und West der Kreisstadt konnten Achtklässler am Dienstag und Mittwoch nicht nur in diversen Workshops Rap, Techno, Video und Film, Streetsoccer und Graffiti erlernen. Nein, das Ganze dient auch der Stärkung des politischen Bewusstseins. Der Verein "Cultures Actives" hat das Projekt "Mixfaktor" an den beiden Brucker Mittelschulen angeboten.

Drei achte Klassen waren in das Projekt in der Mittelschule West involviert. Schnell entscheiden sich die Jugendlichen, in welchen Workshop sie gehen wollen. Besonders Beat-Box-Rap ist beliebt. Nach ersten Einführungsübungen in den Musikstil dürfen die Jugendlichen selber aktiv werden und Texte schreiben. Ein Meer aus Zetteln breitet sich auf dem Boden aus. Auf allen prangt in fünfzehn verschiedenen Sprachen die Parole: "Gib niemals auf". So will die Gruppe ihren Song nennen. Gemeinsam sollen sie einen Beat-Box-Rap entwickeln, der sie verbindet und persönliche Probleme behandelt. Es zischt und ploppt, ein Teil der Gruppe macht den Beat, der andere den Text. "Was hier im Raum gesagt wird, das bleibt auch im Raum. Die Jugendlichen sollen sich auf uns verlassen können", sagt Workshop-Leiterin Lisa Gabriel. Die 32-jährige wirkt seit sechs Jahren an Projekten mit Jugendlichen mit.

Organisator und Projektleiter Oliver Kossack erzählt von speziellen Methoden um an die Jugendlichen heran zu kommen. "Wir stellen zu Beginn des Workshops Fragen. In jede Ecke des Raumes hängen wir Antwortmöglichkeiten auf, die Jugendlichen müssen sich anschließend positionieren", sagt er. So wird beispielsweise gefragt, ob Flüchtlinge in Deutschland leben sollten. Einige der Teilnehmer laufen entschieden in die Ecke für "Nein", andere zögern, bevor sie sich für eine Antwortmöglichkeit entscheiden. "Durch die Reaktionen und Antworten kitzeln wir Schritt für Schritt heraus, wie die Jugendlichen zu bestimmten Szenen stehen". Er habe schon viel erlebt in seiner Arbeit. Manche Teilnehmer seien sogar Aktivisten in der Neonazi-Szene gewesen.

Der Verein "Cultures Interactive" ist ein bundeszentraler Fachträger für Jugendkulturarbeit, wie es im Behördendeutsch heißt. Im Rahmen des deutschlandweiten Programms "Demokratie leben" versucht er Präventionsmaßnahmen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu schaffen.

Während Kossack über seine Arbeit in Berlin spricht, startet ein weiterer Workshop im Nebenraum. Statt lauter Musik ist nur vollkommene Stille zu hören. Eine zehnköpfige Gruppe zeichnet an Comics gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Einige Bildgeschichten erzählen von Diskriminierungen im Alltag, andere widmen sich den Terroranschlägen in Paris. Viel Inbrunst und Konzentration steckt hinter den Konzeptionen.

"Mixtape" startete im September diesen Jahres. Neben Fürstenfeldbruck wird es noch in Thüringen angeboten. Das durch die Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Projekt soll Jugendliche dazu anregen über demokratische Werte und Haltungen nachzudenken. Besonders soll dabei der Erfahrungsaustausch zwischen Schülern mit und ohne Migrations- und Fluchtgeschichte gefördert werden. "Die Jugendlichen sollen merken, dass sie eine Stimme und das Recht auf eine Teilhabe an Entscheidungen haben, auch wenn sie nicht den direkten Zugang zu Eliten oder Führungspositionen haben", sagt die Initiatorin des Projektes und Gründerin von "Cultures Ieractive", Silke Baer.

Viele der teilnehmenden Schüler haben einen sozialschwachen Hintergrund. Manche sind in die rechte Szene gerutscht, andere haben Gewalt und Drogenmissbrauch erfahren. "Uns ist deutlich bewusst, dass die Zeit von einem Tag nicht ausreicht um die Jugendlichen aus der Szene heraus zu holen. Aber ein kleiner Zweifel an ihrem eigenen Weltbild reicht uns schon aus. Hinterfragen: Warum denke ich so? Damit können wir manchmal schon sehr viel erreichen", sagt der aus Berlin stammende Teamleiter Chris Egenberger.

Anhand der Entstehung von Hip Hop lernten die teilnehmenden Schüler von antirassistischen und emanzipatorischen Ursprüngen verschiedener Jugendkulturen. "Diese bieten einen guten Zugang für politische Bildung, weil sie nah an den Lebenswelten der Jugendlichen sind", sagt Baer.

Noch mehr Zuspruch fand das Projekt gestern an der Mittelschule Nord. 93 Schüler, bestehend aus vier achten Klassen und einer Gastklasse aus Emmering nahmen an den Workshops teil und sprachen mit den Teamleitern über ihre versteckten Wünsche und Sorgen.

In Zukunft soll das Projekt noch weiter ausgebaut werden und weiteren Jugendlichen helfen an demokratischen Werten fest zu halten.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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