Fürstenfeldbruck:Rätselraten um Altlasten im Fliegerhorst

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Umweltbeirat warnt Kreisstadt vor finanziellem Risiko eines voreiligen Grunderwerbs. Er sieht Landkreis und Bund in der Pflicht, den Boden auf Rückstände von Löschschaum sowie weitere Giftstoffe zu untersuchen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Im Boden des Fliegerhorsts dürften giftige Chemikalien wie PFC schlummern. Und wenn die Stadt die Flächen im Zuge der zivilen Umgestaltung aufkauft und bei der Formulierung von Verträgen schludert, dann könnte sie am Ende auf den Kosten der Altlastensanierung sitzen bleiben. Das ist die Botschaft des Umweltbeirats, der sich am Freitag im Rathaus dieses brisanten Themas angenommen hat. Vor allem Landkreis und Bund sieht das mit unabhängigen Experten besetzte Gremium in der Pflicht.

Bis 2011 verwenden Flughafenfeuerwehren im ganzen Bundesgebiet PFC-haltigen Löschschaum (im Bild eine Übung auf dem Flughafen München), so auch die mittlerweile abgezogene Fliegerhorstfeuerwehr. (Foto: Marco Einfeldt)

Noch freilich fehlt es an Untersuchungen. Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt hatten vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass es mangels Brunnen auf dem Gelände nicht möglich sei, das Grundwasser auf Schadstoffe zu untersuchen, vor drei Monaten hatte der Kreis dann zumindest eine historische Recherche in Aussicht gestellt. Die Zeit drängt, denn die Bundeswehr soll 2023 aus Fürstenfeldbruck abziehen, bis dahin würde die Kreisstadt gerne Flächen aufkaufen, um freie Hand zu haben bei der Bebauung mit Wohnungen, Gewerbe oder Bildungseinrichtungen. Martin Höckenreiner machte am Freitag klar, dass die Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts in solchen Fällen schon mal bis zu sieben Jahren dauern kann. Der Altlastenexperte machte vor allem auf einen höchst alarmierenden Umstand aufmerksam: Selbst wenn der Boden im Fliegerhorst für die aktuelle Nutzung als unbedenklich eingestuft werden sollte, könnte sich das ändern, wenn beispielsweise Altbauten durch Wohnungen ersetzt werden sollen. Dann muss möglicherweise doch noch kontaminiertes Material abgetragen und deponiert oder die Oberfläche abgedichtet werden. Kann der vormalige Eigentümer, in diesem Fall die bundeseigene Immobiliengesellschaft Bima, nicht mehr haftbar gemacht werden, müsste die Stadt als Grundeigentümer für die Kosten aufkommen. Grünen-Landtagsabgeordneter Martin Runge hatte bereits im vergangenen Jahr auf Aussagen der Obersten Baubehörde Bayerns hingewiesen, die Kommunen vor einem allzu sorglosen Ankauf militärischer Flächen warnt.

Altlastenexperte Martin Höckenreiner (links) und der frühere Offizier Georg Tscharke gehören dem Brucker Umweltbeirat an. (Foto: Stefan Salger)

Welche Altlasten genau im Untergrund schlummern und wo noch Bomben-Blindgänger liegen - keiner weiß das genau. Georg Tscharke, der Vorsitzende des Umweltbeirats, war selbst bis Mitte der Achtzigerjahre auf dem Fliegerhorst stationiert. Durch Befragungen konnte er einige Bereiche ausgemacht, die problematisch sein könnten. Dazu zählen eine möglicherweise undichte, quer übers Gelände verlaufende Pipeline sowie Werkstätten und Flugzeughallen, in denen Soldaten mit Treibstoffen hantierten oder Teile abgebeizt wurden. Im Winter wurde die 2,7 Kilometer lange Startbahn zudem mit Harnstoff eisfrei gehalten, der irgendwo versickerte. Umweltbelange hätten auch zuvor bei den Amerikanern "keinen hohen Stellenwert genossen", sagt Tscharke. So gibt es Berichte, dass dort, wo heute die Offizierschule steht, früher ein Tümpel war, der von den Amerikanern mit allem möglichen befüllt wurde. Ähnlich soll es mit einem zentral gelegenen Lagerplatz gelaufen sein, der einfach mit einem Betondeckel nach oben hin abgedichtet worden war. Bis in die Achtzigerjahre soll auch Löschschaum versickert sein, der bis zu einem 2011 erlassenen Verbot noch die als krebserregend geltenden und besonders stabilen per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) enthielt. "Wir müssen da genauer hinschauen", sagt Tscharke vor den Besuchern im Rathaussaal, darunter Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), mehrere Stadträte und Vertreter des Bundes Naturschutz. Tscharke empfiehlt der Stadt, sich zu wappnen gegen "manch unangenehme Wahrheit".

Was auf dem Fliegerhorst wächst, darf wegen möglicher Schadstoffbelastung nicht verfüttert werden. (Foto: Günther Reger)

Höckenreiner will Wasserwirtschaftsamt und Bund in die Pflicht nehmen - und vor allem das Landratsamt. Die Behörden seien für die Altlasten zuständig. Daran ändert auch nichts, dass Entsorgungsexperte Georg Stockinger (Freie Wähler) die Bima bei Rückbaumaßnahmen nördlich der Startbahn als sehr kooperativ erlebt hat und Bodenuntersuchungen dort keine Auffälligkeiten ergeben hätten.

Unabhängig vom Umweltbeirat fordert auch die CSU nachdrücklich, die Bevölkerung über eine "mögliche Kontamination des Fliegerhorsts" aufzuklären. Dass das Landesamt für Umwelt den Fliegerhorst mangels Messungen als "Verdachtsstandort" einstuft, reicht CSU-Chef Andreas Lohde nicht. Der Boden im und um den Fliegerhorst müsse "frei von jeglichen Kontaminationen sein, bevor die Bebauung mit neuen Wohneinheiten beginnen kann", schreibt Lohde in Abstimmung mit zwei Ortsverbandsmitgliedern, dem Ingenieur Alexander Weise und dem Biochemiker Marcel Boß. Die CSU fordert "eine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit".

Auf Anfrage der SZ signalisiert das Landratsamt am Montag Problembewusstsein. Für den nördlichen Teil des Geländes (Landebahn, Rollfeld sowie Flugzeugabstellflächen, Hangar und Flugfeldbetankung) sei bereits 2007 eine orientierende Untersuchung auf Altlasten durchgeführt worden. Im Mai habe die Bundeswehr mitgeteilt, dass "eine Erfassung und Erstbewertung kontaminationsverdächtigter Flächen" ebenfalls für den Südteil ausgeschrieben worden sei. Dabei geht es auch um PFC-Verdacht. Ergebnisse dieser "historischen Erkundung" werden für den Spätsommer erwartet. Das Landratsamt will zudem helfen, erstmals Grundwasser im nördlichen Teil auf PFC zu testen. Für den südlichen Teil gibt es noch keine konkreten Pläne.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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