Fürstenfeldbruck:Rabatz am Fliegerhorst

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Amtsrichter verurteilt 43-Jährigen wegen Beleidigung und Hausfriedensbruch zu Bewährungsstrafe

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ein Fremder spaziert sturzbetrunken und unbefugt in den Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck. Als ihn die Wachen wieder vor die Tür setzen, fällt er durch Beleidigungen und einen Gruß auf, der vor 75 Jahren an der Tagesordnung war und heute verboten ist. Wegen dieses Verhaltens vor fünf Monaten sitzt ein 43-Jähriger aus Türkenfeld nun auf der Anklagebank des Amtsgerichts in Fürstenfeldbruck. Er muss sich wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung und Hausfriedensbruch verantworten. Am Ende verurteilt ihn der Richter zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Eine Frage jedoch kann der Prozess nicht beantworten: Wann ist der Konsum von Alkohol nicht mehr Genuss, sondern Krankheit?

Der Anklage zufolge war der gelernte Fliesenleger, der zurzeit von Hartz IV lebt, in der Nacht des 31. Mai gegen 23 Uhr an der Hauptwache des Fliegerhorst vorbei gegangen. Er hatte das "Halt, Stehenbleiben!" der Wache ignoriert und war unter der Schranke durchgeschlüpft. Den Diensthabenden gelang es mit Unterstützung der Security sowie eines Diensthundes rasch, den Eindringling wieder vor die Tür zu setzen. Dabei beschimpfte der 43-Jährige die Männer und schrie ihnen aus sicherer Entfernung "Sieg Heil" entgegen.

"Ich kann mich kaum mehr erinnern. Es war wieder einmal eine saublöde Alkoholaktion von mir", beginnt der Angeklagte, der mit hochrotem Kopf im Gerichtssaal sitzt. Er gibt sich reumütig und räumt die Anklagevorwürfe ein. Nur den verfassungsfeindlichen Ruf kann er sich nicht vorstellen. "Ich habe mein ganzes Leben lang Scheiße gebaut, aber ich bin kein Rechtsradikaler", seine Partnerin, die Mutter seines Kindes, stamme aus Indien, betont er. Offen gibt der 43-Jährige zu, alkoholabhängig zu sein. Er schaffe es zwar immer wieder, teils sogar über Monate, nichts zu trinken. Doch bisher sei er immer wieder rückfällig geworden. Wie sich herausstellt, war sein Vater offenbar ebenfalls alkoholabhängig; der Angeklagte selbst hat in der Vergangenheit auch illegale Drogen konsumiert, vor allem Kokain, wie er erklärt und wie es sich auch in seinem Strafregister niedergeschlagen hat.

Fünf Zeugen haben den Angeklagten an jenem Abend erlebt. Keinem erschien dieser noch nüchtern. Allerdings liegen die Einschätzungen zum Zustand des Türkenfelders weit auseinander. "Er hat sich schon noch artikulieren können. Wir haben ihm zugetraut, dass er noch nach Hause kommt", schildert beispielsweise ein Polizeibeamter, der den 43-Jährigen damals erlebt hatte. "Er war nicht mehr berechenbar. Keine Ahnung, was der alles intus hatte", befindet indes ein Mann vom Sicherheitsdienst. Der Angeklagte sei vor allem daran interessiert gewesen, nach Hause zu kommen. Und er habe sehr eindrucksvoll auf den von ihm georderten Diensthund reagiert: "Der war sofort am Boden gelegen, als er den Hund gesehen hat." Am Rande erfährt man noch, dass der Angeklagte offenbar früher einmal selbst bei der Bundeswehr war; vielleicht schlug in seinem Zustand in jener Nacht seine Stimmung in Frust um, es kam zu den Beleidigungen.

Kein Zeuge hatte sich jedoch von den zusammenhangslosen Schmähungen beleidigt gefühlt, niemand hatte Strafantrag gestellt. Deshalb stellte der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer diesen Teil der Anklage mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft ein. Unterschiedlich beantworteten Staatsanwalt und Richter indes die Frage, ob man gegen den Türkenfelder erneut eine Bewährungsstrafe verhängen kann. Der Ankläger meint nein, da es bereits die dritte Bewährung ist. Er beantragt, den 43-Jährigen für sieben Monate ins Gefängnis zu schicken. Das hält Steinmayer für absolut nicht notwendig. Er erkennt an, dass die massive Alkoholisierung des Türkenfelders dessen Steuerungsfähigkeit eingeschränkt hat. Andererseits betont er aber auch, auf seine Alkoholikerkarriere anspielend: "Eine verminderte Schuldfähigkeit gilt nur bei Personen, die keine Alkoholerfahrung haben."

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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