Fürstenfeldbruck:Qualifiziert für die neue Heimat

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Detlef Köhler (links), Leiter der Praktikumsbörse der Bürgerstiftung, moderiert in den Räumen der Freien Evangelischen Kirche in Fürstenfeldbruck die Vorstellungsrunde mit den künftigen Auszubildenden und deren Ausbildern. (Foto: Günther Reger)

Bürgerstiftung, Berufsschule und Handwerk helfen jungen Flüchtlingen mit Deutschunterricht und Jobvorbereitung, damit sie einen Ausbildungsplatz bekommen. Dabei sind behördliche Hürden und mangelndes Interesse der Betriebe für sie ein Ärgernis

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Bis zur sechsten Klasse war Mohammad Schüler in Syrien. Als er 14 Jahre alt war, wurde er zum Arbeiten nach Libyen geschickt, um die Eltern und die neun Geschwister zu unterstützen. Im Herbst 2014 flüchtete er übers Mittelmeer nach Europa, kam in Deutschland an - und wurde wieder Schüler. Jetzt, nach zwei Jahren intensivem Deutschunterrichts an der Berufsschule Fürstenfeldbruck und einiger Praktika mit Betreuung durch die Bürgerstiftung für den Landkreis, steht der inzwischen 20-Jährige vor dem Beginn seiner Ausbildung zum Hotelfachmann. Im Puchheimer Hotel "Das Seidl" sei er seit seinem Praktikum "ein fester Bestandteil", sagt Hotel-Geschäftsführer Jürgen Frankholz.

Die Bürgerstiftung hat in dieser Woche sieben ehemals unbegleitete Flüchtlinge und ihre neuen Firmenchefs sowie Berufsschullehrerinnen an einem Tisch versammelt, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie erfolgreich Integration sein kann. In den Räumen der Freien Evangelischen Gemeinde in Fürstenfeldbruck sitzen eine Stunde lang Menschen zusammen, die gemeinsame Interessen haben. Das heißt, jetzt, in diesen Wochen sind die Interessen in etwa gleich. In den beiden zurückliegenden Schuljahren war das nicht immer so. Denn die sieben Absolventen der Berufsschule, die aus Afghanistan, Eritrea, Nigeria, Pakistan und Syrien stammen, haben etliche Praktika in Betrieben hinter sich gebracht, um herauszufinden, welcher Beruf ihnen Spaß machen könnte.

Die meisten von ihnen hatten, wie aus den Selbstbeschreibungen herauszuhören ist, wohl nicht die leiseste Ahnung, welche Berufe es gibt, welche Anforderungen sie dafür zu erfüllen haben und welche Hürden bis zu einer Ausbildung auf sie warten.

Um alles das zu erfahren, hatten die Schüler der Berufsintegrationsklasse ihre Deutschlehrerin Firengiz Degler und die Sozialpädagogin Helga Kispál. Zwei Frauen, die ausstrahlen, dass sie sowohl einfühlsam als auch resolut sein können. Beides brauchten die Burschen wohl auch, mal mehr Herzlichkeit, mal mehr Antrieb.

Begleitet wurden die jungen Männer auch von Detlef Köhler, der sich bei der Bürgerstiftung um die Praktika-Vermittlung kümmert, sowie Franz Höfelsauer, der als ehemaliger Kreishandwerksmeister die Kontakte zu den Betrieben herstellt.

Auch wenn sich in den vergangenen beiden Jahren viel eingespielt hat in dem Team aus Schule und Bürgerstiftung, hat sich doch nicht alles zur Zufriedenheit aller Beteiligten entwickelt. Beim Stichwort "Sprungbrett" wird Franz Höfelsauer richtig ärgerlich. Die bayernweite Plattform im Internet ist als Börse gedacht, in der die Betriebe ihre offenen Praktikumsstellen angeben. "Das Ganze ist kostenlos, die Betriebe würden gewinnen und es würde vieles Vereinfachen", sagt der Bäckermeister. Es seien aber noch zu wenige Angebote vorhanden, von vielen Praktika würde man erst auf Nachfrage bei den Betrieben direkt erfahren.

Das gelte nicht nur für die Hospitanzen für die jungen Asylbewerber, sondern für alle Schüler, die auf der Suche nach einem Beruf seien. Wie andere gleichaltrige Mitschüler auch, haben die jungen Flüchtlinge die für sie negativen Erfahrungen gemacht, dass sie so viele Bewerbungen wie möglich schreiben können, aber darauf keine Antworten bekommen. Kesete aus Eritrea ärgert sich darüber, weil er das Gefühl hat, nicht ernst genommen zu werden. "Die Chefs sollen uns ansehen und mit uns reden, sie sollen uns kennenlernen, dann wissen sie, wie wir sind", sagt er. Der 19-Jährige hatte, als er nach Deutschland kam, schon einen Berufswunsch. Er will Schreiner werden. Mit Unterstützung seiner Lehrer und der Bürgerstiftung fand er einen Betrieb in Mammendorf, der ihm die Möglichkeit gab, diesen Handwerksberuf kennenzulernen. Eine Ausbildung dort aber war nicht möglich, und umso erfreuter war er dann, als er in einer Schreinerei in Prittrichting (Kreis Landsberg) nach einem Praktikum auch einen Ausbildungsvertrag zum 1. September hatte abschließen können. Doch glücklich ist Kesete momentan nicht mehr, seit er erfahren hat, dass diese Schreinerei völlig überraschend schließen wird.

Solche Fälle sind etwas für den früheren Kreishandwerksmeiste Höfelsauer. "Da lässt sich was machen", verspricht er und macht eine Notiz. Auch der Bericht des 19 Jahre alten Abraham aus Nigeria lässt ihn nicht unbeeindruckt. Der junge, kräftige Mann erzählt von seinem Versuch, das Bäckerhandwerk kennenzulernen. Doch er verschläft zweimal - Chance vertan. Der 19-Jährige macht den Eindruck, als habe er die Schule genossen. In seiner Heimat Nigeria hatte er die Gelegenheit nicht, habe schon als Kind als Schweißer gearbeitet. In Deutschland dürfe er das als Schüler nicht machen. Er brauche einen Schweißer-Schein, wie Höfelsauer ergänzt. Doch auch für den Nigerianer gibt es schließlich etwas Passendes. Bei den Landschaftsgärtnern Willis und Zwölfer in Grafrath findet er seine Berufung - und Kollegen, die ihn in ihrer Mitte aufnehmen.

Doch ob er die Ausbildung dort machen kann, hängt davon ab, ob er bleiben darf. Anderen Nigerianern im Landkreis, die während ihres Asylverfahrens gearbeitet hatten, wurde eine weitere Genehmigung verweigert mit der Begründung, dass die Ablehnungsquote ohnehin sehr hoch sei.

Hinderlich war der ungeklärte Status der Praktikanten für die Betriebe offenbar nicht. Griseldis Seitz vom Autohaus Seitz in Eichenau kann nur positive Erfahrungen mitteilen: "Wir hatten von Anfang keine Zweifel, wir freuen uns und sind guter Dinge." Bei Seitz fängt der 18 Jahre alte Roben aus Eritrea seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker an. In Bergkirchen (Kreis Dachau) hat der 18-jährige Afghane Youssuf bei der Hans Seemüller GmbH nach einem Praktikum einen Ausbildungsvertrag als Elektroniker bekommen. Jesse Frohmader betreut ihn dort. Probleme? Keine, sagt Frohmader: "Wir bilden Menschen aus, keine Nationalitäten."

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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