Fürstenfeldbruck:Prädikat "Ziemlich cooler Typ"

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Sind Einschreibungszahlen ein Gradmesser für die Qualität einer Einrichtung? Nicht unbedingt. Dass der Ansturm an die Schule von Direktor Walter Zellmeier anhält, könnte aber auch mit dessen Stil zu tun haben

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Großer Leistungsdruck, schlechte Lehrer, bevormundete Schüler - was gibt es vor allem in den sozialen Medien nicht alles für Erklärungsversuche für die rückläufigen Anmeldezahlen am Graf-Rasso-Gymnasium. Mögen sich in solchen Foren traditionell auch vor allem die Kritiker und die Unzufriedenen zu Wort melden, so ist die Schulleitung in den zurückliegenden Wochen doch zunehmend in Erklärungsnot geraten. Denn das andere Brucker Gymnasium, das Viscardi, erfreute sich offenbar ungebrochener Beliebtheit bei den Viertklässlern, die von der Grundschule wechseln. Wer sich gründlicher mit dem Thema beschäftigt und mit den richtigen Leuten spricht, der erkennt schnell: Das Graf-Rasso-Gymnasium, das einen Einbruch der Ersteinschreibung von 151 zu Beginn dieses Schuljahres auf 83 im September hinnehmen muss, ist mitnichten eine schlechte Schule und teilt das Schicksal vieler anderer Gymnasien in Bayern. Es erscheint vielmehr so, dass das eigentliche Problem der Vergleich mit dem Viscardi ist. Dieses gilt unter nicht wenigen Pädagogen und Eltern "als Sonderfall". Dort "menschle" es halt, so erklärt es eine Mutter. Eine nicht zu unterschätzende Rolle scheint dabei auch Schulleiter Walter Zellmeier zu spielen, der als außergewöhnlich zugänglich beschrieben wird.

In einem eilig angesetzten Pressegespräch hatten Lehrer-, Eltern- und Schülervertreter des Graf-Rasso-Gymnasiums sowie der zuständige Experte des Landkreises vor einer Woche noch nach Erklärungen gesucht für den deutlich rückläufigen Trend und sich dabei auch bemüht, negative Gerüchte zu entkräften. So gebe es einen besonders starken Rückgang der Schülerzahlen in eben jenen Grundschulen, von denen traditionell die Schüler ans Rasso wechseln. Gleichwohl will die Schule eine Informationsoffensive starten und sich sowie ihre vielen Angebote besser in den Blickpunkt rücken. Vernetzung, Kommunikation, Mitbestimmung der Schüler - so soll die Trendwende geschafft werden. Die Stimmung unter Schülern und Lehrern sei gut, beteuert Schulleiterin Doris Hübler. Hört man sich um unter Schülern und Eltern, dann wird diese Sichtweise bestätigt. Notendruck und den einen oder anderen weniger geeigneten Lehrer gibt es hier wie dort. Die meisten Rasso-Schüler sind durchaus zufrieden.

Warum also kann das Viscardi-Gymnasium im kommenden Schuljahr sieben und damit vier Eingangsklassen mehr bilden als das Graf-Rasso-Gymnasium, obwohl beide Schulen 2011 noch auf exakt gleichem Niveau gelegen hatten? Die Entscheidung fällt in der vierten Klasse. Sie wird maßgeblich von den Eltern getroffen. Diese sind auf Erfahrungen aus dem Familien- oder Freundeskreis angewiesen und machen sich in der Regel ein Bild bei den Informationsabenden. Hinsichtlich der Zweige und Fächer unterscheiden sich die beiden Brucker Gymnasien kaum. Zwar bietet das Viscardi Italienisch als dritte Fremdsprache an und hat ein Zirkusprojekt, entscheidend für die Schulwahl dürfte dies aber kaum sein. Der Informationsabend am Viscardi könnte eine wichtigere Rolle spielen. So jedenfalls war es beim Elternbeiratsvorsitzenden Martin Runkel, dessen Kinder heute die achte und die zehnte Klasse besuchen. Die Familie wohnt in Türkenfeld, da kamen durchaus mehrere Gymnasien in Betracht. Wegen der neuen Gebäude hatte er zunächst Präferenzen für das Graf-Rasso-Gymnasiums, erinnert er sich. Die Art, wie sich Schule, Lehrer und Direktor dann aber am Viscardi präsentierten, habe ihn und seinen Sohn überzeugt: "Ich habe bemerkt, dass ihm der Gebäudezustand total egal war." Eine Mutter, die namentlich nicht genannt werden will, lobt die "Nest-Atmosphäre" und den "ganzheitlichen Ansatz" am Viscardi, bei dem "der Mensch im Mittelpunkt" stehe. "Das ist nicht super-hochleistungsorientiert und kognitiv gesteuert, sondern eher eine Schulfamilie im Wortsinn". Schulleitung, Eltern und Lehrer würden sehr gut zusammenarbeiten, es gebe "eine kommunikative Offenheit". "Meine Tochter wollte nach dem Schnuppernachmittag damals unbedingt aufs Viscardi". Als Beleg erzählt sie vom Direktor, der die Angewohnheit habe, morgens eine halbe Stunde vor Schulbeginn am Stehcafé in der Aula einen Kaffee zu trinken und der ganz demonstrativ ansprechbar sein wolle für alle Anliegen. Dort trifft er sich auch montags mit den Vertretern von Förderverein und Elternbeirat, wie Martin Runkel bestätigt. Da werde dann nicht nur über harte Fakten, sondern schon mal "über Gott und die Welt" geredet. Durch den informellen Charakter würden manche Probleme gar nicht erst entstehen. Das deckt sich recht gut mit Äußerungen von Schülern. So verliehen einige recht erfolgreiche Absolventen ihrem Trainingspartner aus dem schulischen Kraftraum das Prädikat: "Ziemlich cooler Typ". Wer so etwas schafft, der muss wohl vieles richtig gemacht haben. Zumal offenbar auch mancher Lehrer versucht, Zellmeiers Linie fortzuführen. Das hat sich offenbar unter Eltern herumgesprochen. Auch zu Manuela Mezger, der stellvertretenden Elternbeiratsvorsitzenden der Schule an der Philipp-Weiß-Straße in Fürstenfeldbruck. Eine interessante Schule auch deshalb, weil für deren Schüler das Graf-Rasso-Gymnasium buchstäblich näher läge, angeblich aber mehr Viertklässler aktuell ans Viscardi wechseln. Ob an diesem Gerücht etwas dran ist, lässt sich nicht klären. Rektorin Isabel Martins scheint genervt von der ganzen Debatte und sieht sich außerstande, Zahlen zu liefern oder Kontakte zu Vertretern des Elternbeirats herzustellen. Manuela Mezger ist aufgeschlossener, und ihr ist die teils unsachlich geführte Debatte bekannt. Auch sie hat auf Informationsabenden Zellmeier kennen gelernt und ist der Überzeugung, "dass der das lebt". Gleichwohl schickt sie nun auch ihre zweite Tochter ans Graf-Rasso-Gymnasium. Zum einen liegt das schlicht näher, zum anderen kommt die ältere Tochter sehr gut zurecht mit den Strukturen dort und eben auch mit ihren Lehrern. Dass das Rasso hart und streng sei, dieses Gerücht stamme noch aus der Zeit, in der die Schule am Theresianumweg beheimatet war. Und solche Gerüchte hielten sich eben manchmal hartnäckig, so Manuela Mezger.

Seine Schüler können es offenbar verschmerzen, dass ihre Schule eine ewige Baustelle ist. (Foto: Günther Reger)

Nur wenige Personen können Rasso und Viscardi halbwegs fundiert vergleichen. Peter Köhler (Name geändert) gehört dazu. Er wechselte in der Mittelstufe vom Viscardi ans Rasso. Das Viscardi beschreibt er als "schmutzig, aber menschlich und mit netten Lehrern", das Rasso als "sauber, aber auch mit strikten Regeln, mit strengen Lehrern und eher etwas für Einzelkämpfer". Unterm Strich sei das Rasso für ihn die erste Wahl, "weil meine Freunde dort sind".

So einfach ist das manchmal mit der Wahl der Schule.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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