Fürstenfeldbruck:Pflegestützpunkt verzögert sich

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Noch hat sich der Landkreis nicht für eine Anlaufstelle entschieden, in der Betroffene Antworten finden sollen auf sämtliche Fragen rund um das Thema Pflege. Erst müssen dazu Daten gesammelt werden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

In einer alternden Gesellschaft wird das Thema Pflege immer wichtiger. Wo sollen alte Menschen leben? Ist das noch in ihrer angestammten Umgebung möglich? Reicht ambulante Unterstützung aus? Oder müssen sie einen Platz im Pflegeheim suchen? Und woher bekommen sie all die Informationen, was zu tun ist? Ein sogenannter Pflegestützpunkt könnte als wohnortnahe Auskunfts- und Beratungsstelle rund um das Thema nützlich sein. Manche Kreise, zum Beispiel Ebersberg, Erding oder Landsberg, haben solche Stellen eingerichtet, in Dachau ist eine solche geplant. In Fürstenfeldbruck wird es einen Pflegestützpunkt vorerst nicht geben. Nicht, weil man ihn generell ablehnt. Erst aber sollen neue Daten beschafft und das seniorenpolitische Gesamtkonzept dafür aktualisiert werden. Diese Vorgehensweise bekräftigten mehrheitlich Kreisausschuss und auch Kreistag.

"Wir kennen die Bedarfe gar nicht genau", sagt Seniorenreferentin Sonja Thiele (CSU) in der Sitzung des Kreisausschusses. Deshalb müsse das seniorenpolitische Gesamtkonzept dringend überarbeitet werden. Was auf den umständlichen Namen hört, fasst sämtliche Angebote für Seniorinnen und Senioren im ganzen Landkreis Fürstenfeldbruck zusammen, spricht Handlungsempfehlungen aus und verfolgt dabei das Ziel, die Lebensbedingungen so zu gestalten, dass die Älteren möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können. Allerdings ist es mittlerweile ein Jahrzehnt alt. Die Daten funktionieren nicht mehr.

Damals sei Demenz noch kein so großes Thema gewesen und auf gerade mal zwei Seiten in dem Konzept zusammengefasst worden, erläutert Thiele auf Nachfrage der SZ. Doch die Menschen werden immer älter und das Auftreten von Demenz wird mit steigendem Lebensalter wahrscheinlicher. Die Krankheit beeinträchtigt die geistige Leistungsfähigkeit, schränkt Gedächtnis, Sprache, Orientierung, Urteilsvermögen ein. Zwischenzeitlich gab es Fachtagungen dazu, einen runden Tisch. Corona freilich hat die Fortschritte mindestens verlangsamt. Etliche Hilfestrukturen verschwanden, weil aus Angst vor Ansteckung die Helfer nicht zu den Betroffenen kommen oder die alten Menschen zeitweise niemanden ins Haus lassen wollten. Die Demenz aber würde fortschreiten, "wenn Anregungen und soziale Angebote wegfallen", weiß Thiele, die jahrelang Geschäftsführerin des Germeringer Sozialdienstes war. Soziale Isolation und mangelnde Bewegung seien Aspekte, die die Krankheit vorantreiben würden.

In der künftigen Version des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts dürfte das Thema Demenz deshalb mehr Aufmerksamkeit erfahren. Schon 2019 sollte es fortgeschrieben werden, doch das Vorhaben kam nicht richtig in Gang: Erst ging der bis dato zuständige Mitarbeiter im Landratsamt in Ruhestand, dann verzögerte sich die Sache durch die Kommunalwahlen, danach durch den coronabedingten Stillstand. Und scheiterte dann vorerst an der Finanzierung und an fehlenden Umsetzungskapazitäten in der Kreisverwaltung. "Beides geht nicht ohne Personalerhöhung", betonte im Kreisausschuss Kreissozialamtsleiter Johannes Loibl und meinte damit sowohl das Seniorenkonzept als auch den Pflegestützpunkt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) befürchtete zudem, dass mögliche Personalstellen bei den Haushaltsberatungen wieder gestrichen würden, "weil's Geld nicht da ist". Im vergangenen Jahr hatten die Kreisräte den seit Jahren steigenden Personalhaushalt deckelt.

Doch Sonja Thiele drängt. Erst müsse das seniorenpolitische Gesamtkonzept ertüchtigt werden, danach gehe es um die Frage, ob man einen Pflegestützpunkt anlegen wolle oder nicht. Ein Pflegestützpunkt könnte alle vorhandenen Beratungsangebote und -strukturen verbinden, die Nachbarschaftshilfen und Sozialdienste einbeziehen und auch die Belange der Langzeitpflege in den Kommunen koordinieren. Die Strukturen in den einzelnen Kommunen sind unterschiedlich. So gibt es etwa in der Stadt Germering mit der "Germeringer Insel" längst ein Beratungszentrum, das über Informationen verfügt, wie sie ein Pflegestützpunkt vorrätig haben sollte. Schlechter ist der Organisationsgrad hingegen in den kleineren Gemeinden im westlichen Landkreis.

Bis Ende 2023 kann der Landkreis noch initiativ werden und dann finanzielle Förderung durch die Krankenkassen und den Bezirk erhalten. Für den mit 220 000 Einwohnern großen Kreis Fürstenfeldbruck müssten dafür 3,7 Vollzeitstellen im Landratsamt eingestellt werden. Durch den geringen Eigenanteil von 65 000 Euro, den der Kreis für diese Stellen pro Jahr tragen müsste, sieht SPD-Kreisrätin Petra Weber das Projekt "gut refinanziert. Damit kann man was Vernünftiges anfangen". Weber gibt zu bedenken, dass "wir ein Landkreis sind, der stark altert". Bei einem Pflegestützpunkt gehe es zudem auch um Unterstützung für die Angehörigen sowie um Menschen mit Behinderungen - beide würden über das seniorenpolitische Gesamtkonzept nicht erfasst.

Im Kreis Ebersberg ging der neue Pflegestützpunkt im vorigen Dezember in Betrieb. Drei Beraterinnen helfen seither dabei, Fragen zu beantworten wie: Wie beantragt man einen Pflegegrad? Welche Hilfen für Menschen mit Demenz gibt es? Bezuschusst der Staat einen barrierefreien Umbau im eigenen Haus? Wie findet man eine Schul- oder Alltagsbegleitung für Kinder mit einer Beeinträchtigung? Welche Möglichkeiten gibt es zur Entlastung von pflegenden Angehörigen? Die Beraterinnen dort gestehen ein, dass die Materie durchaus kompliziert sei. Der Pflegestützpunkt soll durch diesen Dschungel führen helfen.

© SZ vom 29.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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