Fürstenfeldbruck:Parallelwelten

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Ergebnisse des Sommerprojektes "LiteraTour" werden präsentiert

Von Zoe Englmaier, Fürstenfeldbruck

Die Fotografie zeigt den alten Nordfriedhof in München. Mitten im Bild befindet sich ein Sockel mit einem großen Kreuz, das in die Luft ragt. Durch das dunkelgrüne Blätterdach der vereinzelt stehenden Bäume ist grauer Himmel zu sehen. Er scheint die Stimmung des abgebildeten Geschehens widerzuspiegeln. Sechs Personen stehen in einer Reihe vor einem Grab. Einer von ihnen beugt sich gerade darüber und legt etwas ab - sie alle trauern.

Es ist eine nachgestellte Szene aus der US-amerikanischen Serie "Vampire Diaries". In der linken Ecke der Collage hat die Künstlerin Emma Güther ein Zitat hinzugefügt: "Und das Leben geht weiter" von Elena Gilbert, der Protagonistin.

Dieses Werk ist eine von vielen bearbeiteten Fotografien, die in den Räumen des Mehrgenerationenhauses "Leben ist Bewegung" ausgestellt sind. "Wir sind sehr dankbar, dass wir diesen Ort für unsere Vernissage nutzen dürfen", sagt Christine Dietzinger, Koordinatorin und Vorsitzende des Vereins "Turmgeflüster". Vorgestellt wird das Sommerprojekt "LiteraTour". An vier Tagen konnten die Teilnehmer an verschiedenen Orten zu bestimmten Mottos fotografieren, zum Beispiel Fantasy und Märchen an der Amper oder Gruselgeschichten am Nordfriedhof in München. An den Standorten wurden, passend zur jeweiligen Stimmung, Zitate vorgelesen, etwa von Shakespeare. "Wir haben die reale Welt fotografiert und suchten nach Übergängen in die magische Welt. Wir haben fiktive Schauplätze aus Büchern und Filmen in der unmittelbaren Umgebung entdeckt. Und das ist unser Ergebnis."

Was verbindet ihr mit Büchern?

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Freiheit mit Katniss Everdeen: Wenn ich lese, bin ich wirklich in der Geschichte. Ich werde in das Buch reingezogen, fühle mit den Charakteren mit und kann alles um mich herum vergessen", sagt die 16-jährige Franziska Schmid aus Grafrath. Ihre Leidenschaft habe mit der "Selection"-Reihe von Kiera Cass begonnen. Seit mehr als drei Jahren ist sie Mitglied im "Turmgeflüster". Zum Projekts sagt sie: "Ich habe mich sehr frei gefühlt, weil ich mir alles selbst aussuchen durfte." Sie hat sich für dieTrilogie "Die Tribute von Panem" entschieden. Ihre Lieblingscharaktere sind die Schwestern Katniss und Primrose Everdeen. Für sie sei klar gewesen, dass der Wald an der Amper der aus Distrikt 12 sei. Texte: enzo

Was verbindet ihr mit Büchern?

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Emotionen mit Katherine Price: Vor vier Jahren hat ihr eine Bekannte der Familie den Roman "Ein ganzes halbes Jahr" von Jojo Moyes empfohlen. Seitdem ist Emma Güther, 16, aus Grafrath eine begeisterte Leserin. "Das Lesen lässt mir viel Freiheit zum Interpretieren und ich kann in eine andere Welt abtauchen." Beim Sommerprojekts, für sie "eine sehr schöne Idee", hat sie sich für die Serie "Vampire Diaries" entschieden. Ihr Lieblingscharakter ist Katherine Pierce. Der Münchner Friedhof erinnerte sie sofort an eine emotionale Szene aus der Serie. "Das Leben geht weiter, obwohl gerade jemand gestorben ist" - das hielt sie für passend. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied des Vereins. Damals las sie Harry Potter.

Was verbindet ihr mit Büchern?

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Süßigkeiten für die Weasleys: "Mein Lieblingsbuch ist "Harry Potter und der Feuerkelch", sagt Zoé Braun, 11, aus Fürstenfeldbruck. Seit dem Kindergarten wurde ihr vorgelesen. Mittlerweile liest sie selbst und das mit Leidenschaft. "Für mich ist es eine Zeit zum Ausruhen." Zu ihren Lieblingscharakteren gehören die Weasley-Brüder Fred und George. Deshalb gestaltete sie eine Fotografie der U-Bahn-Station Karlsplatz so um, dass ihre Vorstellung des Süßigkeitenladens in der Winkelgasse darauf zu sehen ist. Das Sommerprojekt hat ihr sehr gut gefallen. "Denn es ist mal was Neues. Nicht nur ein gemaltes Bild mit Farben, sondern Fotos, die man mit Büchern verbindet."

Was verbindet ihr mit Büchern?

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Spannung mit Severus Snape: Mit vier Jahren war die elfjährige Grace MacWilliams aus Fürstenfeldbruck schon Mitglied der Gruppe "Bücherwurm", mittlerweile ist sie im Verein Turmgeflüster. Das Sommerprojekt hat ihr viel Spaß gemacht. "Damals hat sich bei mir alles um Harry Potter gedreht" - die Romanreihe gefällt ihr immer noch am besten. Damit war klar, dass das Foto einer Backsteinmauer natürlich den Eingang zur Winkelgasse darstellt. Ihr Lieblingscharakter ist allerdings Severus Snape. "Ich mag seine Art und wie er spricht." Schon seit dem Kindergarten liest sie mit Begeisterung. "Ich bin dann richtig im Buch und kann mit den Charakteren mitfühlen."

Die Fotografien wurden von den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen im Alter von elf bis 23 Jahren an Kreativnachmittagen in der Bibliothek oder zu Hause bearbeitet. So fällt es dem Betrachter leicht, die Kunstwerke den fiktiven Orten aus Literatur, Film und Serien zuzuordnen. "Die Stimmung mit den Kindern war super. Wir haben uns da alle total reinversetzt und die Realität ausgeschaltet. Irgendwann kamen die Ideen wie in einem Fluss", schwärmt Dietzinger.

Grace MacWilliams sah in einer fotografierten Backsteinmauer ebenfalls mehr. Die ziegelsteinfarbene Wand dominiert das gesamte Bild. Nur ein Saum aus grünen Blättern und blauem Himmel ist noch im oberen Bereich der Fotografie zu sehen. Auf der linken Seite der Mauer hängte die Künstlerin ein Schild mit der Aufschrift: "Zum tropfenden Kessel". Rechts steht ein großer, bärtiger Mann mit brauner Kleidung. Sein struppiges Haar stellte die Künstlerin mit Kunstfell dar, seine Garderobe hat sie gemalt. Er zeigt mit seinem Schirm auf eine bestimmte Stelle an der Wand. Vier Ziegel sind dort schwarz umrandet und treten hervor. Wer bis jetzt noch "auf dem Schlauch steht", wird spätestens mit der Bildunterschrift aufgeklärt. Die Stichworte "Hagrid" und "Harry" zeigen: Die junge Künstlerin ist ein Harry-Potter-Fan.

Neugierig betrachten die Besucher die Bilder, die in die Fantasiewelten der jungen Künstler führen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Man braucht nur die Fantasie, um in eine Parallelwelt zu kommen", sagt Dietzinger. Diese Aussage steht wie ein Motto über allen Kunstwerken der Ausstellung, denn dem Betrachter wird klar, dass die magischen und fantastischen Orte aus Buch, Film und Serie ganz eindeutig auch in der realen Welt existieren. Das Thema der ausgestellten Werke ist teil das selbe, wie bei Harry Potter, jedoch ist die Handschrift der jeweiligen Künstlerin immer einzigartig.

Die Bilder entführen den Betrachter in eine Welt, in der alles möglich ist - ein Treffen mit Schneewittchen, ein Schießturnier mit Katniss Everdeen oder das Erlernen von Zaubersprüchen mit Hermine, Ron und Harry. "Diese Welt ist bereits hier", sagt Dietzinger.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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