Fürstenfeldbruck:Pädophile Übergriffe

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Ein 28-Jähriger muss sich vor dem Münchner Landgericht verantworten, weil er ein Mädchen sexuell missbraucht haben soll. In einem zweiten Fall unternahm er den Versuch

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Mit 15 habe er zum ersten Mal einen dieser "furchtbaren Träume gehabt", erklärt der Angeklagte. Was genau er damit meint? Träume, in denen nackte Mädchen auf ihn zukommen, mit ihm schlafen wollen. Wie weit diese Träume gingen? Manchmal bis zum Geschlechtsverkehr. Mit brüchiger Stimme erzählt der 28-jährige Angeklagte von den pädophilen Neigungen, die ihn schon fast sein halbes Leben verfolgen. Doch er muss sich vor dem Landgericht nicht wegen seiner Träume verantworten, sondern weil er im Jahr 2015 ganz real versucht hat, ein Mädchen sexuell zu missbrauchen und ein weiteres sexuell missbraucht hat. Im Juli 2015 wurde er festgenommen, seit 13. August desselben Jahres ist er in einer geschlossenen Abteilung untergebracht.

Denn der gebürtige Fürstenfeldbrucker ist stark lernbehindert, kann nur schwer lesen und schreiben. Im Gerichtssaal ist er kaum in der Lage, von den Vorfällen, die er im Kern nicht bestreitet, zu erzählen. Er redet mit leiser Stimme, fängt immer wieder an, kurz zu schluchzen. Verhört wird er nicht von der Richterin, sondern von seinem Verteidiger, der so versucht, dem Angeklagten nach und nach seine Lebensgeschichte und den Tathergang zu entlocken.

Im ersten Fall, im Mai 2015, hat der Angeklagte nach einer angeblich unruhigen Nacht bereits gegen fünf Uhr das Haus verlassen, um mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren. Das habe er öfter so gemacht, wenn er nicht schlafen konnte, erklärte der 28-Jährige vor Gericht. An diesem Tag traf er während der Fahrt gegen halb acht auf dem Volksfestplatz auf sein damals sechs Jahre altes erstes Opfer.

Zuerst sei er an ihr vorbeigefahren, dann aber stehen geblieben und umgedreht. Er habe das Mädchen angesprochen und gefragt, ob er ihre "Bisi" sehen darf. Allerdings habe das Mädchen nicht reagiert und dann sei ein Junge auf die beiden zugekommen. Es war der Bruder des Mädchens, der gemeinsam mit ihr auf dem Weg zur Schule war. Daraufhin ist der Angeklagte davongeradelt. Er gestand auch, dass er sein Handy in der Hand gehabt hat, bestritt aber, dass er, wie das Mädchen in ihrer Videoaussage erklärte, damit ein Foto machen wollte. Vielmehr habe er lediglich auf die Uhr schauen wollen.

Keine zwei Monate später hat der Angeklagte auf dem Weg zu seiner Freundin das zweite Opfer, ein siebenjähriges Mädchen, getroffen. Auch sie habe er gefragt, ob er ihre "Bisi" anfassen darf. Als das Mädchen nicht geantwortet habe, habe er sich zu ihr gelehnt und ihr unter das Kleid gefasst, in die Unterhose. Dort habe er sie dann "vorsichtig" berührt. Er habe entgegen der Anklage nicht versucht, in das Mädchen einzudringen. Das Kind hatte in ihrer Videoaussage erklärt, dass er mit dem Finger Druck ausgeübt habe, es aber nicht geschafft habe, einzudringen. Der Angeklagte widersprach auch der Aussage des Mädchen, dass er sie bereits am Vortag mit dem Fahrrad verfolgt habe.

Warum er die Mädchen angehalten habe, wollten Verteidiger und Richterin wissen. "Aus Neugier", antwortete der 28-Jährige. "Warum haben Sie die Mädchen angehalten", hakte der Verteidiger noch einmal nach. "Ich habe gehofft, dass dann die Träume vielleicht besser werden", sagte der Angeklagte. Auf die Frage, wie die Träume durch so eine Aktion besser werden sollten, antwortete der 28-Jährige nur mehrmals: "Ich wollte, dass das besser wird."

Die Träume seien immer dann schlimmer geworden, wenn es in seinem Leben stressig geworden sei. Vor allem die Arbeit habe ihn immer wieder überfordert, der Chef habe keine Rücksicht auf seine Einschränkungen genommen. Nach dem Tod seiner Mutter habe er versucht, seine Probleme mit Alkohol zu verdrängen. Acht bis zehn Bier habe er jeden Tag getrunken. Auch von seinen Freunden, die irgendwann angefangen hätten Drogen zu nehmen, habe er sich distanziert. Der einzige Halt in seinem Leben, das wird im Prozess deutlich, war seine Freundin, die allerdings selbst geistig eingeschränkt ist. Sie war es auch, die bei der polizeilichen Vernehmung erklärte, dass sie einmal drei kinderpornografische Bilder auf seinem Handy entdeckt hatte. Erst erzählte der Angeklagte, dass er zufällig auf der betreffenden Seite gelandet sei und die Bilder ausversehen gespeichert habe. Auf Nachfrage erklärte er dann aber doch, dass er sie zumindest bewusst gespeichert habe.

Nach der Vernehmung des Angeklagten, der Verlesung von Gutachten und dem Abspielen der Videoaussagen der beiden Opfer endete der erste Prozesstag.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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