Fürstenfeldbruck:Nur Betäubung, keine Rettung

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An der Neuen Bühne Bruck inszeniert Regisseur Ralph Hüttig Theodor Fontanes Klassiker "Effi Briest". Für den 58-Jährigen ist der Roman noch immer aktuell. Seine Protagonistin lässt er sich in Kaufräusche flüchten

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Finden auf der Bühne nicht zueinander: Effi Briest (Kathrin Bielski) und Baron von Innstetten (Hagen Ullman) führen eine patriarchale Beziehung wie aus dem Lehrbuch. (Foto: Klaus Schräder/oh)

Effi hat Langeweile. Furchtbare Langeweile. Und so macht sie, was Anfang des 20. Jahrhunderts noch unmöglich war, heute aber selbst als eingesperrte Hausfrau möglich wäre: im Internet shoppen. Und so verteilen sich Dutzende aufgerissene Pakete in ihrem zum Gefängnis gewordenen Zimmer. "Weltliteratur ist immer aktuell. Aber wir haben das Stück ein wenig aufgehübscht und ins Heute geholt", erzählt Regisseur Ralph Hüttig, der an der Neuen Bühne Bruck Fontanes Klassiker inszeniert - als erstes Stück in der Nach-Molocher-Ära unter Alexander Schmiedel. Umso mutiger ist es da, sich ein Werk auszuwählen, das eigentlich jeder aus der Schule kennt - nicht unbedingt mit den besten Erinnerungen.

"Fontane ist für mich ein sehr bodenständiger Autor, der aber für die Aufklärung wichtig war. Und der Umgang zwischen Mann und Frau ist in manchen Gesellschaftsschichten nicht viel anders als damals beschrieben", sagt Hüttig, der 2015 mit "Der rosa Winkel", einem Stück über einen jungen Homosexuellen während der Zeit des NS-Regimes, sein Debüt an der Neuen Bühne gegeben hat.

Nun also Effi Briest. Jene Geschichte des 17-jährigen Mädchens, das von seiner Mutter mit dem doppelt so alten Baron von Innstetten verheiratet wird und der sie - und das gemeinsame Kind - zugunsten seiner Karriere vernachlässigt. Erst als Effi sich in eine Affäre flüchtet, entdeckt er seine Gefühle - freilich nicht die der Liebe für seine Frau, sondern die des Besitzes und der vermeintlich verletzten Ehre. Es ist also ein weites Feld, auf dem sich Stück und Inszenierung bewegen. Um die Handlung auf das Schicksal Effis zu konzentrieren, hat Hüttig die Zahl der Personen drastisch reduziert. Auf Effi (Kathrin Bielski), Baron von Innstetten und den Major von Crampas (beide gespielt von Hagen Ullman), der allerdings nur einen kurzen Auftritt hat. Die Rahmenhandlung wird von zwei Erzählern (Walter Cordier und Ellen Kießling-Kretz) vorangetrieben. Nicht als Frontalunterricht, sondern in Dialogform zwischen den Beiden.

"Die größte Schwierigkeit war es, den verstaubten Text flott zu gestalten. Ich hoffe, das ist uns gelungen, und zwar für jede Altersklasse", sagt Hüttig. Dafür lässt es seinen beiden Darstellern wenig Pausen zwischen den Dialogen, immer wieder fallen sie sich ins Wort. Auch Videoeinspielungen sollen Tempo auf die Bühne bringen. "Ich will den Text nicht verballhornen, sondern ihm mit Respekt begegnen. Aber ich will auch, dass schnell begreifbar ist, worum es geht".

Ralph Hüttig, 58, Ausbildung an der Schauspielschule "Der Keller" Köln, lebte und arbeitete zuletzt in Berlin. In Fürstenfeldbruck inszenierte er 2015 "Der rosa Winkel". (Foto: Klaus Schräder/oh)

Anfangs ist Effis Welt dabei noch bunt: ein blauer Tisch, eine gelbe Bank, eine rosa Türe, farbige Outfits. Doch je trister ihr Alltag wird, desto eintöniger sieht es auch auf der Bühne aus. Betäubung findet sie neben Crampas in einem Kaufrausch. Das wird dem Besucher schon beim Betreten des Theaters verdeutlicht. Schon zum Einlass laufen auf einer Leinwand Ausschnitte aus Verkaufssendungen in Endlosschleife. Wie weit die beiden Ehepartner voneinander entfernt sind, zeigt sich auch daran, dass Innstetten sich lediglich auf einem roten Teppich bewegt. Ein Bereich den Effi niemals betritt - weil sie nicht kann, oder will? Schwer zu sagen. Die vielen Kartons auf der Bühne nutzt Hüttig geschickt als "Verstecke" für die Requisiten. Alles, was Effi hat und zu brauchen glaubt, findet sie dort.

Das Crampas auch nur eine Art Requisite in ihrem Leben ist, die sie nicht wirklich erfüllen kann, lässt schon sein kurzer Auftritt erkennen. In weißer Uniform und mit Kreuzfahrtschiffkapitäns-Charme kommt er nicht darüber hinaus, nur eine gute Figur abgeben. Ein weites Feld also, so weit, das nirgends Hoffnung in Sicht ist.

"Effi Briest" an der Neuen Bühne Bruck. Premiere am Samstag, 14. Dezember, von 20 Uhr an. Die Premiere ist bereits ausverkauft, Karten gibt es noch für den nächsten Termine, Sonntag, 15. Dezember, Samstag und Sonntag, 21. und 22. Dezember, jeweils von 19 Uhr an.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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