Fürstenfeldbruck:Neues Zuhause in ehemaligem Hotel

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Tommy Beer, Sozialpädagoge und Stadtrat, leitet das Alveni-Haus. (Foto: Simon)

Nach dem Umbau leben in dem Gebäude mitten in Bruck 30 junge Asylbewerber. Die Caritas betreut sie rund um die Uhr

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

"Welcome" steht in großen Lettern auf dem Fußabstreifer an der Eingangstür des ehemaligen Hotels Drexler an der Kreuzung Haupt- und Kirchenstraße. Seit März ist es das von der Caritas betriebene Alveni-Jugendhaus, seither leben dort 30 männliche Flüchtlinge, alle zwischen 16 und 18 Jahre alt. Mit dem neuen Namen werden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, so die offizielle Bezeichnung, ein zweites Mal willkommen geheißen: Alveni ist Esperanto und bedeutet willkommen. In München betreibt die Caritas schon länger ein gleichnamiges Haus für junge Asylbewerber.

Im Inneren verbreitet die Einrichtung den Charme vergangener Zeiten: Blümchentapete aus den Siebzigern, schmiedeeisernes Treppengeländer und Möbel zwischen neu gekauft und womöglich wertvoll antik. Man habe den Jugendlichen angeboten, alles aufzupeppen, vielleicht die Wände bunt zu bemalen, erklärt Tommy Beer. Doch die hätten abgelehnt, weil es ihnen so gefalle, sagt der Sozialpädagoge, BBV-Stadtrat und Einrichtungsleiter, während er durchs Haus führt. Auf ein Gespräch zwischen Presse und Bewohnern, die zum ganz überwiegenden Teil aus Afrika stammen und in ihrer Heimat und auf der Flucht Schreckliches erlebt hat, wurde aus Rücksicht auf ihren Situation verzichtet. Manche sind traumatisiert und in psychotherapeutischer Behandlung.

Je 15 Jugendliche, möglichst aufgeteilt nach Herkunft, leben im ersten und zweiten Stock. Auf beiden Etagen gibt es eine Küche, pro Zimmer (bis auf zwei alles Doppelzimmer) teilen sich die Bewohner einen Kühlschrank. Im dritten Stock ist ein Computerraum, dort lernen die Jugendlichen über das Internet Deutsch und halten Kontakt zu ihrer Heimat. Außerdem sind dort Büros für die Mitarbeiter; da jede Nacht jemand Dienst hat, gibt es auch eine Schlafmöglichkeit. Von Montag bis Donnerstag kommt mittags eine Hauswirtschafterin und kocht, sonst müssen sich die jungen Männer selbst um ihre Ernährung kümmern. Im Treppenhaus im ersten Stock hängt auf einem großen Zettel der Tagesablauf: 7 Uhr aufstehen, dann Frühstück, 8 Uhr Schule. Bis Mittag besuchen alle die speziell eingerichteten Flüchtlingsklassen der Berufsschule. Nach dem Mittagessen, das gemeinsam in dem Saal im ersten Stock eingenommen werden kann, stehen Hausaufgaben auf dem Plan.

Fast täglich kommen zur Unterstützung Ehrenamtliche, die etwa beim Deutsch lernen helfen. Darüber hinaus sind tagsüber zur Betreuung mindestens zwei Mitarbeiter, darunter eine Fachkraft, anwesend. Nur solange die Bewohner in der Schule sind oder nach 22 Uhr die Bettruhe einhalten sollen, genügt es auch, wenn ein Erwachsener vor Ort ist. "Am Abend ist relativ viel Sport", sagt Beer, dank der Angebote von TuS und TSV West, sowie der Vereine in Emmering und Maisach, die Jugendlichen kostenlos aufzunehmen, seien fast alle irgendwo aktiv. Doch auch wenn die Wasserratten seinen Schützlingen das Schwimmen beibringen, ist der Sozialpädagoge in ständiger Sorge, einer von ihnen könnte ertrinken. "Ich gebe ihnen lieber das Geld für das Freibad", die Seen mit ihrem tiefen Wasser und ohne Wasserwacht seien ihm da zu gefährlich, erklärt Beer.

"Was mir schon auffällt, wir kriegen sehr viel Zuspruch aus der Bevölkerung", resümiert er. Die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen sei viel offener als in den Neunzigern. Zum Beispiel würden "wahnsinnig viele Betriebe in Bruck" die Jugendlichen ein Praktikum machen lassen. Einige würden zwar auch darauf drängen, sie möglichst schnell als Hilfskräfte auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Doch dagegen wehrt man sich hier, nach dem Alveni-Konzept sollen die jungen Flüchtlinge einen vernünftigen Schulabschluss machen und eine richtige Ausbildung haben. Und noch etwas fällt dem Einrichtungsleiter auf, nämlich die hohe Motivation seiner Schützlinge: "Alles was mit Lernen zu tun hat, das flutscht einfach."

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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