Fürstenfeldbruck:Netzwerk gegen Salafismus

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Christiane Nischler-Leibl und Thomas Keller vom Netzwerk sprechen mit Franziska Hohenadl und Carmen Harrieder vom Landratsamt (von links). (Foto: Günther Reger)

Experten empfehlen Vorbeugung und Wachsamkeit. Während bundesweit die Probleme mit radikalen Islamisten zunehmen, bleibt der Landkreis bislang aber offenbar weitgehend verschont

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Dass Islamismus ein Thema ist, dass auch im Landkreis heiß diskutiert wird, zeigt sich beim Fachtag "Prävention gegen Salafismus" am Mittwoch im Landratsamt. Dort nutzen viele Besucher die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine der Besucherinnen etwa will von einem Vertreter des Verfassungsschutzes wissen, ob ihm salafistische Aktivitäten im Landkreis bekannt seien. Das verneint der Redner. Die "Hochburg" in Oberbayern sei eindeutig München. Wer aber Radikalisierungstendenzen wahrnehme, könne und solle sich jederzeit an den Verfassungsschutz wenden.

Bestätigen kann der Redner, dessen Name aus Sicherheitsgründen in der Zeitung nicht genannt werden darf, aber, dass die Zahl der vom Verfassungsschutz beobachteten Salafisten bayernweit angestiegen ist: von etwa 400 auf um die 670 Personen innerhalb der vergangenen sieben Jahre. Mit dieser Entwicklung konfrontiert, ist bereits 2015 das bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung mit dem Namen "Antworten auf Salafismus" entstanden, das während des Fachtags auch vorgestellt wurde. Im Zentrum des Netzwerks steht eine interministerielle Arbeitsgruppe von Mitgliedern aus Innen-, Justiz-, Kultus- und Sozialministerium. Sie arbeitet mit dem Landeskriminalamt sowie staatlichen und privaten Fachstellen für Prävention und Deradikalisierung zusammen.

Der große Sitzungssaal im Landratsamt ist am Mittwoch voll besetzt mit Vertretern der Landkreis-Kommunen, Behörden, Verbände, Vereine, Schulen und der Polizei. Ihnen gibt der Vertreter des Verfassungsschutzes zunächst eine Einführung ins Thema Salafismus. "Es ist eine extremistische Ideologie, die die Sprache der Religion nutzt, um politische Ziele zu erreichen", erklärt er und konkretisiert: "Entstehen soll, geht es nach ihnen, ein totalitärer islamistischer Staat auf Grundlage der Scharia." Die Demokratie und das deutsche Rechtssystem lehnen die Angehörigen der radikalen Gruppierung als menschengemachtes System ab. Die Salafisten orientieren sich an den ersten drei Generationen der Muslime, den sogenannten "frommen Altvorderen". Sie passen ihre Lebensweise an eine strengen Auslegung des Korans und der Scharia an.

Insgesamt halten sich rund 43 000 Islamisten in Deutschland auf, erklärt der Referent. Beim Salafismus handelt es sich wiederum um eine sich in Europa besonders rasant entwickelnde Unterkategorie des Islamismus. Dabei warnt der Verfassungsschutz-Mitarbeiter davor, diese radikale Gruppierung mit den derzeit fünf Millionen Muslimen in Deutschland gleichzusetzen. Dem stimmt später auch Christine Nischler-Leibl vom Bayerischen Sozialministerium zu. "Der Salafismus tut etwas ganz Perfides", sagt sie. Denn eine kleine Gruppe spricht hier im Namen einer großen", erklärt sie. Und das sorge bei Außenstehenden für Missverständnisse und Vorurteile.

Dass die salafistische Szene derzeit stark wächst, hat laut Referent mehrere Gründe. Zum einen verbreiteten bekannte radikale Prediger ihre Propaganda online über soziale Netzwerke und erreichen damit ein sehr großes Publikum. Und mit Botschaften auf Deutsch sprächen sie ganz gezielt junge Muslime an, die etwa in der dritten Generation in Deutschland leben und die Muttersprache ihrer Vorfahren nicht mehr sprechen. Mittlerweile beobachtet der Verfassungsschutz außerdem einen Rückgang an Ausreisen von Salafisten nach Syrien. Vielmehr werde von den Predigern gefordert, ihre Anhänger sollten in Europa bleiben und dort "aktiv werden". Mit ihren Botschaften und dem Versprechen, in eine solidarischen und starken Gemeinschaft aufgenommen zu werden, erreichen die Prediger zudem verstärkt jene Muslime, die sich aus kulturellen oder religiösen Gründen in Deutschland fremd fühlten.

Besonders anfällig für Radikalisierung seien deshalb auch Flüchtlinge, unter ihnen besonders die jungen Unbegleiteten. Sie würden häufig gezielt von Salafisten angeworben. Hier sei Prävention etwa auch von Asylhelfern nötig. Eine Möglichkeit sei etwa, die Liste vom Verfassungsschutz beobachteter Moscheen anzufordern. Auf deren Grundlage könne man etwa verhindern, dass Asylsuchende in die Arme radikaler Prediger fielen. Auf der anderen Seite erfolge auch die Einschleusung radikaler Attentäter vermutlich gezielt, um Flüchtlinge zu diskreditieren. "Sie werden als fahnenflüchtig gesehen", sagt der Referent. Als Verräter, die sich entscheiden, unter "Ungläubigen" zu leben.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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