Fürstenfeldbruck:Nerviger Aufwand

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Kontrolle am Eingang: Ein Mitarbeiter des Fürstenfeldbrucker Restaurants "Vierwasser" lässt sich den digitalen Corona-Impfpass zeigen. (Foto: Johanna Haas)

Die verschärfte Corona-Testpflicht bekommen die betroffenen Fürstenfeldbrucker Betriebe empfindlich zu spüren. Es müssen immer wieder Kunden weggeschickt werden. Das schadet dem Umsatz

Von Johanna Haas, Fürstenfeldbruck

"Im November werdet Ihr alle sterben!" Mit diesen Worten steht die wütende Besucherin am Abend vor den Kinosälen des "Scala" in der Buchenau, wie der Betreiber es anderntags erzählt. Demnach stapft sie vorbei an der Kontrolle und positioniert sich neben den Sälen, vor denen Besucher der 20-Uhr-Vorstellung auf den Einlass warten. Wutentbrannt holt sie einen Judenstern aus ihrer Tasche, klebt ihn sich auf ihre Brust und warnt die geschockten Gästen lautstark vor dem Ende der Menschheit. Was die Frau so sauer macht? Die Kontrolle der 3G-Regelung. Denn seit Montag muss man geimpft, genesen oder getestet sein, um ins Kino zu gehen. Aber nicht nur dort - die Maßnahme gilt zudem für Innengastronomie, Beherbergungen, Veranstaltungen und Sport in Innenräumen.

Auch die "Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen" wie der Friseurbesuch unterliegt dieser Regelung. Die Auswirkungen der neuen Corona-Schutzmaßnahmen trifft die betroffenen Geschäftszweige im Landkreis jedoch empfindlich. Denn nach einer Umfrage der SZ vergessen einige Kunden ihren Nachweis, wollen keinen vorzeigen - und werden dann weggeschickt. Einige reagieren aufgebracht, andere gehen nach Hause und kommen nicht wieder - so oder so: den Besitzern fehlen diese Kunden und somit auch der Umsatz. Das erhöht die wirtschaftlichen Probleme etwa von Restaurants und Fitnessstudios, haben sie doch in neue Hygienemaßnahmen investiert: Luftfilter und Plexiglasscheiben sind gekauft, neues Personal ist eingestellt und sogar eigene kleine Teststationen sind errichtet worden - alles um wieder so viele Kunden wie möglich empfangen zu können. Diese Maßnahmen haben viel gekostet. Das Restaurant "Vierwasser" in der Fürstenfeldbrucker Innenstadt habe allein Fixkosten von mehr als 20 000 Euro, erzählt Mitinhaber Peter Hollweck. "Essen zum Mitnehmen war da ein Tropfen auf dem heißen Stein. Jetzt muss es endlich wieder richtig losgehen", sagt der Koch. Aber das geht nicht, wenn Kunden ihren Nachweis vergessen oder sauer werden. Allein am Mittwoch habe man bis zwölf Uhr schon 15 Gäste wegschicken müssen. "Ich weiß nicht, wie da die Abendschicht werden soll", so Hollweck.

Auch dem Inhaber des "A2-Haarstudio" in Bruck bereiten die Kontrollen Schwierigkeiten. Auch er musste schon mehrere vergessliche Kunden abweisen. Für ihn als Unternehmer sind die neuen Regelungen erst einmal negativ: "Die Kunden müssen, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind, zum Testen gehen. Das ist zeitintensiv und schreckt viele ab", sagt der Friseur, der nur seinen Vornamen Ramazan in der Zeitung lesen will. Hinzu komme sein eigenes unangenehmes Gefühl. Denn für ihn sei es schwierig, seine Kunden wie die Polizei zu kontrollieren. "Das, was früher die Polizei gemacht hat, machen jetzt wir Unternehmer. Ich muss meinen Kunden da in die Taschen schauen, und das ist eine Überwindung", so Ramazan.

Eine Mitarbeiterin von "Clever-Fit" in Fürstenfeldbruck erzählt, dass sie in den zurückliegenden Tagen "von Ausrastern bis hin zu einer sofortigen Kündigung" alles mitbekommen habe. "Wie wird es dann wohl in den nächsten Wochen sein?" Auf solche Szenarien bereitet sich auch Monika Lidmila vor. Sie arbeitet bei den Stadtwerken Fürstenfeldbruck und ist unter anderem für die Amperoase zuständig. "Der ein oder andere dumme Kommentar kommt bestimmt", meint sie. Für Lidmila ist die neue Regelung zudem mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden. Für sinnvoll hält sie die Maßnahme aufgrund der steigenden Inzidenz trotzdem. Dieser Meinung ist auch Passantin Michelle Rigohrt: "Ich finde die 3G-Regelung gut. Ich bin noch nicht geimpft, lasse mich jetzt aber so schnell wie möglich impfen. Ich habe keine Lust, jedes Mal einen PCR-Test machen zu lassen, wenn ich ins Kino oder zum Essen gehen will. Und wenn das jetzt was kostet, dann sowieso." Auch eine Haarstudio-Kundin kann sich eine wachsende Impfbereitschaft vorstellen: "Ich als Geimpfte genieße diese Freiheit. Bestimmt folgen bald viele andere Menschen."

Einige Unternehmen reagieren flexibel auf die neue Maßnahme: Um den Gang zum Testzentrum zu vermeiden, bietet "Hardys Fitnessstudio" eine eigene kleine Station an. Hier können sich die Mitglieder vor ihrem Training problemlos testen lassen - das kostet zwar was, ist bei den Kunden dennoch beliebt.

Und es gibt noch ein neues Angebot des Studios: Zeigen Geimpfte, Genesene oder Getestete ihren Nachweis vor, werden sie für eine bestimmte Zeit freigeschaltet. Sie können also trainieren, ohne jedes Mal ihren Nachweis vorlegen zu müssen. Die Daten der Geimpften sind ein Jahr gültig, die der Genesenen sechs Monate und die der Getesteten 26 bis 48 Stunden. Auch das Restaurant "Vierwasser" kam auf eine Idee: Luftfilter. In den Räumlichkeiten des Lokals befinden sich mehrere Geräte, die die Luft im Raum mehrmals die Stunde reinigen. So will man die Kunden neben dem Tragen einer Maske vor einer Infektion zusätzlich schützen.

Das Nagelstudio "Stay Beautiful" in der Schöngeisinger Straße setzt auf Terminvergabe über das Handy und die Arbeit mit Stammkunden. Sie würden die Besucher schon kennen und wüssten, dass sich diese an die Vorgaben hielten, heißt es dort. Dass die Besuche beim Friseur oder beim Lokal von Nebenan für die Nicht-Geimpften oder -genesenen trotzdem mit Aufwand verbunden sind, ist Hardy-Betreiber Florian Möger klar: "Das wird für viele Leute ein Hindernis sein. Gerade der Sport ist für viele sowieso schon eine Überwindung. Dass sie jetzt auch noch zum Testen gehen müssen, macht die Lust auf den Sport noch geringer." Denn wenn es nicht ganz so "arg zwickt", würde man sich jetzt zweimal überlegen, ob man den Aufwand auf sich nehmen wolle

© SZ vom 27.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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