Serie: Jugendzentren:Vereine werben um Nachwuchs

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Freiheit, nicht nur beim Bewegen: Im TuS Fürstenfeldbruck (hier eine ältere Aufnahme) kann kommen, wer will. Wer keine Lust hat, der bleibt zu Hause. (Foto: privat)

Der TuS Fürstenfeldbruck zeigt, wie man mit Trendsportarten a la Parcours attraktiv für Jugendliche sein kann.

Von Sebastian Mayr, Fürstenfeldbruck

Wände hochlaufen können. Wege durch die Stadt nehmen, die andere gar nicht als solche erkennen. Die Grenzen des eigenen Körpers finden. Und vor allem: die Freiheit haben, selber zu entscheiden, was man wann in seiner Freizeit macht. Das, glaubt Dominik Schmoll, ist ziemlich genau das, was viele Jugendliche suchen. Der 21-Jährige leitet die junge Abteilung Free Arts des TuS Fürstenfeldbruck, in der Jugendliche Trendsportarten wie Parkour oder Breakdance lernen können. Wer kommen will, kommt. Wer nicht kommen will, bleibt Zuhause. Die älteren Jugendlichen, die zwischen zwölf und 20 Jahre alt sind, trainieren eigenständig, der Verein stellt ihnen Halle und Trainingszeit zur Verfügung. Die Regeln, die gelten, dienen allein der Sicherheit.

Zwischen 800 und 900 eingetragene Vereine- gibt es im Landkreis, genauer kann die EDV des zuständigen Registergerichts die Zahl nicht ermitteln. Viele der Vereine haben die gleichen Probleme: junge Leute zu binden. Manche haben Ideen, wie man dem Nachwuchsmangel entgegenwirken kann. Anderen fehlen schlicht die Kapazitäten.

Die Zahl der Vereine in Deutschland hat sich seit 1970 verfünffacht, die Zahl der Mitglieder ist aber zurückgegangen. Waren 1990 noch 62 Prozent der Deutschen Mitglieder in mindestens einem Verein, sank dieser Wert bis 2014 auf 44 Prozent. Das zeigt eine Umfrage der gemeinnützigen Stiftung für Zukunftsfragen. Der Anteil der Landbewohner, die in Vereinen sind, blieb konstant, jener der Großstädter sank dagegen deutlich. In diese Einteilung lässt sich der Landkreis schwer einordnen. Genauso wenig, wie sich ein einheitliches Bild dazu zeichnen lässt, wie die Nachwuchslage der Vereine im Kreis aussieht.

Einer dieser Vereine ist der Brucker TuS, wo Free Arts seit einem Jahr die jüngste der 24 Abteilungen darstellt. Die Idee für Free Arts hatte Leichtathletik-Spartenchef Werner Ginzky, der eine Möglichkeit für Sport ohne Wettkampfcharakter einführen wollte. Ginzkys Hoffnung war auch, Jugendliche zu gewinnen, die kein Interesse an den herkömmliche Angeboten eines Sportvereins haben. Das gleiche hatte er mit einem Sportkurs für "sogenannte dicke Kinder" versucht. Dafür hatte sich nicht eine einzige Person angemeldet. Free Arts hingegen lief so gut, dass schon bald eine eigene Abteilung gegründet wurde, die inzwischen knapp 100 Mitglieder hat. Mitte April wurde das Angebot mit einer Slackline-Gruppe zusätzlich erweitert.

So gut wie bei der Abteilung Free Arts, die es innerhalb von vier Jahren im Wortsinn von Null auf Hundert geschafft hat, läuft es nicht überall. Dominik Schmoll weiß aus Gesprächen mit anderen Abteilungsleitern, welche Probleme manche Sparten haben. In anderen Vereinen sind die Mitgliedszahlen der Jugendlichen seit Jahren rückläufig.

Bei den Pfadfindern des Germeringer Parsbergstamms sind die Zahlen zumindest mehr oder weniger stabil, auch wenn Vorstandsmitglied Florian Will zugibt: "So langsam schrumpfen wir schon ein bisschen." Früher gab es beim Parsbergstamm eine Regel, die im Gegensatz zu dem steht, was bei Free Arts gilt: Wer dreimal bei der Gruppenstunde fehlte, flog raus. Gut 200 Mitglieder fasste der Parsbergstamm damals noch. Doch schon in den Neunzigerjahren brachen die Zahlen ein. Inzwischen hat der Pfadfinderstamm noch rund 70 Mitglieder. Die Rückkehr zu den alten Mitgliederzahlen hält Will für völlig utopisch. Zum einen, weil es eine viel größere Auswahl an Vereinen gebe und die Schule den Kindern und Jugendlichen deutlich weniger Zeit lasse als früher. Zum anderen, weil Pfadfinder zu sein für zahlreiche Jugendliche einfach nicht mehr cool genug sei.

Während der Brucker TuS mit neuen Angeboten attraktiv für neue Jugendliche werden will, wollen die Germeringer Pfadfinder vor allem auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder eingehen. Auch, wenn der Parsbergstamm in der Kirchengemeinde präsent ist, auch wenn er sich beim Stadtfest beteiligt hat und auch wenn die Schnitzeljagd der Pfadfinder beim Ferienprogramm jedes Jahr sehr gut ankommt: Die Neuen kommen dort erfahrungsgemäß vor allem über Freunde. Deswegen lassen Florian Will und die anderen Jugendleiter die Jugendlichen so viel wie möglich selbst entscheiden. Wie das Programm aussieht, wo das nächste Lager stattfinden soll, welches Essen dann gekocht wird.

Dem Parsbergstamm, sagt Will, 24 Jahre alt und Student an der Münchner Technischen Universität, fehle momentan ein wichtiger Magnet. In der wichtigen Gruppe der Jungpfadfinder, die zwischen zehn und zwölf Jahre alt sind, gibt es nur vier Jugendliche. Wenn dann in ein paar Jahren die Wölflinge, die noch jünger sind, in diese Gruppe aufrücken, hofft Will, könne es besser aussehen. Dann nämlich bleibe mehr Zeit für die Leiter, um mehr als nur das Alltagsgeschäft zu erledigen. Einen wirklichen Ausweg kennt Will nicht. Die Verpflichtungen seien jedenfalls nicht mehr so streng wie früher. Wer keine Zeit habe, komme eben nicht zu den wöchentlichen Treffen. Rausgeworfen wird beim Parsbergstamm keiner mehr.

Die Landjugend Althegnenberg-Hörbach ist gerade einmal etwas mehr als zwei Jahre alt schon genauso groß wie der Parsbergstamm, der 2018 seinen 50. Geburtstag feiern könnte. Die gleichen Probleme kennt Kathrin Pschierer aber schon jetzt. Die 20-jährige Studentin führt die Kasse der Landjugend. Dem Verein fällt es zwar nicht schwer, neue Mitglieder zu finden. Wie bei den Pfadfindern sind es oft Freunde von Mitgliedern, die ihren Weg zu dem Verein finden. Auch das Internet zieht: Viele Interessenten melden sich über die Facebookseite der Landjugend. Deren Ziel ist es vor allem, die Jugendlichen in den beiden Ortsteilen Althegnenberg und Hörbach zusammenzubringen, Feste zu organisieren und sich bei Feiern der Gemeinde einzubringen. Genau da fangen die Schwierigkeiten an: Für viele sind Sport oder ein Nachmittag am Computer wichtiger, als bei der Organisation mitanzupacken. "Es ist schwierig, die Leute zusammenzubringen", sagt Pschierer. Sorgen macht sie sich deswegen aber nicht. Die Landjugend sei schließlich noch jung, viele ähnliche Vereine in der Umgebung sind bereits um die 100 Jahre alt. Fürs Erste wollen die Studentin und ihre Mitstreiter dafür sorgen, dass der Zusammenhalt in der noch jungen Landjugend weiter wächst.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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