Fürstenfeldbruck:Nachfrage nach Boosterimpfungen steigt

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Während die Inzidenz steil nach oben geht, lassen immer mehr Menschen ihren Schutz gegen Corona auffrischen. Damit im Impfzentrum keine Warteschlangen entstehen, müssen dort künftig wieder Termine vereinbart werden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Corona ist mit Wucht zurück, die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auch im Landkreis Fürstenfeldbruck. Am Freitag lag sie laut Berechnungen des Gesundheitsamtes bei 221,36 und damit höher als am 5. November des Vorjahres (204,54). Der Wert des Robert-Koch-Instituts (RKI), der das Geschehen mit Verzögerung abbildet, aber für mögliche Maßnahmen relevant ist, stieg auf 152,2. Die Betten auf der Intensivstation der Kreisklinik sind seit Tagen vollständig ausgelastet. Gleichzeitig holen sich bereits viele Menschen eine Auffrischungsimpfung - im Impfzentrum oder bei den Hausärzten. Um Wartezeiten zu vermeiden, ist es im Impfzentrum von kommender Woche an wieder notwendig, Termine zu vereinbaren. Das teilte jetzt das Brucker Landratsamt mit, das das Bayerische Rote Kreuz (BRK) kürzlich als Betreiber abgelöst hat.

Um die Schwellen für eine Corona-Impfung zu senken und den Menschen die Entscheidung dafür zu erleichtern, hatte man zuletzt von Terminvereinbarungen für das Impfzentrum abgesehen. Nun müssen Impfwillige genau das wieder tun und sich vorab im Internet unter www.impfzentren.bayern.de registrieren (oder sich während der Öffnungszeiten an die Hotline 08141/519 71 99 wenden). Wer das Terminbuchen in der zu Ende gehenden Woche schon versucht hat, dem spuckte das Portal bereits einen Termin aus. Beim Impfzentrum aber hieß es dann: Es gibt noch gar keine Termine. Macht auch nichts, bleiben durfte man trotzdem. Es herrschte ganz guter Andrang, auch noch am Donnerstagnachmittag, an dem die Einrichtung eigentlich um 15 Uhr schließt.

Im karg möblierten ehemaligen Aldi-Gebäude im Brucker Westen sieht es noch immer so aus wie im Verlauf der vergangenen zehn Monate, als das BRK das Impfzentrum betrieb. Nur die beiden mannshohen Playmobilmännchen im BRK-Outfit sind aus dem Eingangsbereich verschwunden. Man ist bemüht, die Impfungen zügig in mehreren Impfkabinen durchzuführen. Manche Impfwilligen meckern trotzdem über die Abläufe, etwa wenn sie gebeten werden, in der Stuhlreihe der Wartenden jedes Mal nachzurücken, wenn ein Impfwilliger aufgerufen wird.

Die Impfquote im Landkreis liegt derzeit bei knapp 60 Prozent und damit unter dem bayernweiten (knapp 66 Prozent) und auch nationalen Durchschnitt (67 Prozent). Als Grundlage für die Quote gilt die Einwohnerzahl von knapp 220 000 im Landkreis. Darunter befinden sich freilich auch Kinder, für die noch kein Impfstoff zugelassen ist und die deshalb auch nicht zur Quote beitragen können. In seinem aktuellen Lagebericht warnt das RKI davor, dass bei den gegenwärtigen Inzidenzen "eine zunehmende Wahrscheinlichkeit infektiöser Kontakte" bestehe. "Impfen ist der einzige Ausweg aus der Krise", sagt deshalb Philip Kampmann, der zusammen mit zwei Kollegen Hausarztpraxen in Olching, Esting und Maisach führt und darüberhinaus noch Leiter des Münchner Impfzentrums ist. Die Lage sieht er aktuell "positiver als vor einem Jahr", denn dank der Impfungen würden die Leute nicht mehr so schwer erkranken.

265 000 Corona-Impfungen wurden im Landkreis bisher durchgeführt, davon 57 Prozent im Impfzentrum, 43 Prozent bei den niedergelassenen Ärzten. Dazu zählen auch mehr als 6200 Drittimpfungen. Im Impfzentrum machen die Auffrischungsspritzen derzeit etwa die Hälfte der Impfungen aus. Auch beim Germeringer Allgemeinmediziner Wolf-Gunther Geßler waren unter den 14 Impfwilligen vom Freitag nur zwei, die zum ersten Mal geimpft wurden. Die beiden jungen Leute, um die zwanzig, sind derzeit eher die Ausnahme, die meisten Impfungen sind auch in den Praxen Auffrischungsimpfungen. Viele Patienten hätten diese bereits erhalten, erzählt Geßler, vor allem jene Senioren in den Alten- und Pflegeheimen, die die ersten waren, die seit Jahresanfang die Corona- Spritzen bekommen hatten. Auffrischungs- oder Boosterimpfungen werden sechs Monate nach dem vollständigen Impfschutz empfohlen.

Auch Philip Kampmann hat Heimbewohner und Hausbesuchspatienten bereits ein drittes Mal geimpft. Nun würden ihn zunehmend auch jüngere Menschen fragen, ob sie sich boostern lassen sollen. Gegebenenfalls könne es ratsam sein, die dritte Impfung früher als nach sechs Monaten zu geben, sagt Kampmann: "Das ist eine individuelle Entscheidung".

Die Impfquote freilich ist nicht nur im Landkreis, sondern deutschlandweit zu niedrig, um das Corona-Virus zu verdrängen. Von Mittwoch bis Freitag wurden im Landkreis jeweils 102, 142 und 119 Neuinfektionen gezählt - Spitzenwerte im gesamten Pandemieverlauf. Die Inzidenz hat damit den Wert von vor einem Jahr überschritten und beinahe den bisherigen Spitzenwert von 240 vom 6. November 2020 erreicht. Damals gab es noch keine Impfung. Impfdurchbrüche, also Corona-Infektionen trotz vollständiger Impfung, meldet das Landratsamt in den vergangenen Tagen in 16,17 und acht Fällen.

Die Kreisklinik ist bereits an der Kapazitätsgrenze ihrer Intensivstation angekommen. Am Dienstag konnte sie neun Betten betreiben, am Donnerstag und Freitag zehn. Bis auf eines waren am Freitag alle belegt, zwei Patienten lagen dort wegen Covid 19. Die Zahl der Intensivbetten hängt davon ab, wie viel Pflegepersonal zur Verfügung steht. Und das wiederum hängt bisweilen auch von der Lage an den Schulen ab. Wenn dort Kontaktpersonen oder ganze Klassen wegen eines positiven Falls in Quarantäne geschickt werden, bleiben zumeist auch die Mütter - die vielleicht als Pflegekraft in der Klinik arbeiten - bei ihren Kindern zu Hause. So berichtete es kürzlich Klinikleiter Alfons Groitl.

Für Ärger unter den Ärzten sorgte zuletzt die neue Regelung, wonach Menschen mit Symptomen, die auf eine Corona-Infektion hindeuten könnten, nicht mehr in einer der beiden Teststationen des Landkreises in Fürstenfeldbruck und Germering vorstellig werden konnten, sondern eine Arztpraxis aufsuchen mussten. Diese Patienten müsse er jetzt für einen PCR-Test in den Innenhof setzen, berichtete Geßler, und bis das Ergebnis feststehe - in der Regel nach einem Tag - müsse er den Patienten eigentlich unbehandelt lassen. "Das ist vom Ablauf her Blödsinn." Und wohin am Wochenende, wenn die Arztpraxen geschlossen sind? Philip Kampmann ist dazu übergegangen, Schnelltests - die inzwischen nicht mehr umsonst sind - selbst zu übernehmen, um die Patienten behandeln zu können und gleichzeitig auf Nummer sicher zu gehen. Am Freitagnachmittag teilte das Landratsamt dann mit, dass laut einer Klarstellung des Gesundheitsministeriums Menschen mit Symptomen, die zu Hause einen Schnelltest machen, mit diesem Nachweis nun doch die beiden Testzentren aufsuchen dürfen und nicht zum Arzt müssen.

Öffnungszeiten Impfzentrum: Dienstag 7 bis 14 Uhr, Mittwoch 13 bis 20 Uhr, Donnerstag 8 bis 15 Uhr, Freitag 13 bis 20 Uhr, Samstag 9 bis 16 Uhr. Sonntag und Montag geschlossen. Von Montag, 8. November, an nur mit Anmeldung. Am Samstag, 13. November, von 9.30 bis 15 Uhr mobile Impfaktion des Impfzentrums in Gröbenzell, Edeka-Café, Olchinger Straße 78. Für Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen, ohne Terminvereinbarung

© SZ vom 06.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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