Fürstenfeldbruck:Mutter Erde

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Die Jahresausstellung der Brucker Künstlervereinigung zeigt zwei Perspektiven eines Themas

Von Florian J. Haamann

MAMA. In großen, grünen Buchstaben hat die Künstlerin Alicia Henry das Wort mitten auf dem Boden im Haus 10 ausgelegt. Ein großes Mama aus Gras mit Erde, das sie aus der Klosterwiese gestochen hat. Mutter Erde. Ursprung, Schutz, Geborgenheit, Lebensgrundlage. Bedroht, ausgebeutet. Es sind viele Assoziationen, die Henry mit diesem Werk weckt. Und es ist ein guter Einstieg in die Jahresausstellung der Brucker Künstlervereinigung, die sich in diesem Jahr mit dem Thema "Erde" beschäftigt.

Ein interessanter Ansatz, eröffnet er den Künstlern doch zwei große Gedankenräume, mit denen sie arbeiten können. Zum einen ist da die Erde als Boden, als Material, aus dem man Kunst schaffen kann. Zum anderen kann es aber auch gleich ums große Ganze gehen. Die Erde als unser Planet, unser Lebensraum, als alles, was uns umgibt. Und die 23 teilnehmenden Künstler nutzen in der Ausstellung beide Perspektiven ausgiebig. Meist nicht so kombiniert wie bei Henry, dafür aber ergänzen sich die Werke zu einer interessanten Mischung.

"Mama Erde" von Alicia Henry. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ulrike Spangenberg etwa beschäftigt sich mit dem Thema "seltene Erden". Als Symbol dafür präsentiert sie ein aus Ton gebranntes Smartphone. Und stellt in einem Begleittext erst einmal klar, dass der Begriff "seltene Erden" irreführend ist. Vielmehr müssten sie "Metalle der seltenen Erden" heißen. Gerade wegen ihrer geringen Vorkommen sind sie begeht, nahezu alle modernen elektrischen Geräte benötigen sie. Und so ist das tönerne Smartphone vor allem eine Mahnung, sorgsam damit umzugehen, Ressourcen zu sparen, wieder zu verwenden. Sich bewusst zu machen, wie abhängig die Menschen von der Erde sind - weniger von der seltenen, als von der, die sie täglich umgibt.

Dass Erde als Stoff nicht immer in Brauntönen daher kommt, zeigt Hans Fuchs mit seiner dreiteiligen Installation "Die Erde neu denken". An die Wand hängt er zwei Bilder, eines aus grüner und eines aus roter Erde. Es sind bröcklige Flächen, als ob jemand mit einem Hammer oder einer Hacke hineingehauen hat. Auf dem Boden liegt ein dritter Rahmen, in ihm sind rote und grüne Erde gemeinsam gesammelt. Die Lebensgrundlage Erde, sie wird vom Menschen zerstört, ja pulverisiert. Erde, die der Erde entzogen wird.

Der blaue Planet in einem Bildkasten von Friedo Niepmann. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Apokalyptisch wird es in der Installation von Ingrid Redlich-Pfund. Von der Decke hänge eine transparente Plastikkugel, fragil, gefährdet. Darunter liegt ein Gemälde in dunklen Farben, im Zentrum ein dunkler Kreis, umgeben vom tiefem Rot. Es erinnert an ein schwarzes Loch, das den über ihm schwebenden Planten anzuziehen scheint. Oder handelt es sich um eine Art Spiegel, der die Zukunft zeigt? Eine verbrannte Erde, von Hitze umgeben, ungeeignet, auch nur noch irgendeine Lebensform zu beherbergen?

Ebenfalls mit einer plastischen Kugel arbeitet Friedo Niepmann. In einem der für ihn typischen Bildkasten verbirgt sich hinter den Holztüren eine blaue Kugel. Daneben steht ein Transportgestell, mit dem er zur Ausstellungseröffnung eine Performance plant. Dabei will er auch ein Lied präsentieren, dessen Text für alle Besucher, die nicht bei der Vernissage dabei sein können, neben dem Kasten zu lesen ist. "Wir haben die kleine blaue Erde heiß gemacht / so heiß, dass heute niemand mehr darüber lacht. / Die Erde ist nun sehr, sehr krank, sie muss sehr bald schon in den Heilungsschrank", lauten eini- ge der Zeilen, die zugleich erklären, was der Besucher da sieht: eine blaue Kugel ohne Kontinente. Kein Platz mehr für die Menschheit, zerstört von ihr selbst.

Eine Plastikkugel am Abgrund von Ingrid Redlich-Pfund. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Trotz der Warnungen vor dem Ende der Welt, der Kritik an Konsum und Umweltzerstörung, ist die Ausstellung aber kein kunstgewordenes Manifest der Klimabewegung. Es finden sich auch Landschaftsmalereien wie die Serie "Erdlandschaften 2020" von Christiane Neuberger, Abstraktes wie das von grünen Flächen dominierte Gemälde "I got a feeling like Panama" von Claudia Hassel oder Hilde Seyboths "Himmel auf Erden", eine Installation aus bunten Holzsternen auf einem Erdboden. Sie erinnert an das große Versprechen frisch verliebter Paare, dem anderen "die Sterne vom Himmel zu holen".

"Erde", Jahresausstellung der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck, Eröffnung am Freitag, 16. Oktober, um 19.30 Uhr. Danach zu sehen bis zum 1. November, freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Am 25. Oktober gibt es jeweils um 14 und 16 Uhr eine Führung.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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