Fürstenfeldbruck:Mord im Kloster

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Allerlei Ungemach braute sich über dem Kloster Fürstenfeld zusammen: Mit einem Kriminalfall aus der Reformationszeit beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Amperland. (Foto: Johannes Simon)

Ein ungelöster Kriminalfall aus der Reformationszeit

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Aus dem Stoff werden Regionalkrimis gestrickt: Der Fürstenfelder Abt Casper Harder wird am 26. März 1522 ermordet, "von seinem aignen Kämerling", wie es in der Chronik heißt, was aber zweifelhaft ist. Am gleichen Tag scheidet obendrein ein Mönch namens Konrad aus dem Leben, über den es keine weiteren Informationen gibt. Ein merkwürdiger Zufall. Dieser Kriminalfall aus der Reformationszeit beschäftigt den Fürstenfeldbrucker Wirtschaftshistoriker und Stadtrat Klaus Wollenberg, der darüber in aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Amperland berichtet.

Lösen konnte Wollenberg den barocken Mordfall nicht. Bei seinen Recherchen stellte er fest, dass die Angelegenheit in alten Akten fast gar nicht auftaucht. Es gibt keine Hinweise auf Ermittlungen oder gar auf eine Bestrafung des Täters. Offensichtlich wurde der Fall vertuscht. Ein Schriftsteller könnte die Lücken mit seiner Fantasie ausfüllen, politische und geistige Wirren im Zeitalter der Reformation, Sex and Crime unter dem Krummstab, Veruntreuung von Ablassgeldern für Orgien auf, vor und hinter dem Altar. Wollenberg ist der Versuchung nicht erlegen, sondern versucht, wenigstens den historischen Kontext zu rekonstruieren.

Auffällig ist, dass Kontrolleure aus dem Mutterkloster Aldersbach nach einer Visitation in Fürstenfeld Anno 1517, dem Jahr in dem Luther zu Wittenberg seine Thesen anschlug, dem Abt Harder ein so positives Zeugnis ausstellen, das dieser vom Generalkapitel der Zisterzienser selber mit der Visitation und Reform anderer bayerischer Zisterzienserklöster beauftragt wird. Harder zeigt Interesse an solider Ausbildung und schickt Klosterangehörige auf die Universität in Heidelberg.

Allerdings muss sich in Fürstenfeld schon enormer Zündstoff angehäuft haben. Bereits im April 1517 hatte sich ein Mönch beim Abt von Aldersbach über mangelnde Disziplin, Fehlverhalten und Ungerechtigkeiten Harders beschwert. Am 22. Februar 1518 kontrolliert der Aldersbacher Abt Fürstenfeld erneut und dieses Mal fällt sein Urteil anders aus. Er notiert Spannungen im Konvent. Schuld sei die "übertriebene Härte und Willkür des Abts Harder".

Knapp drei Wochen, nachdem die bayerische Regierung die lutherische Lehre unter Strafe verboten hatte, kommt Harder ums Leben. Für Wollenberg ist klar, dass der Mord mit den Verwerfungen durch die Reformation zu tun hat. Obwohl Fürstenfeld als Stiftung der Wittelsbacher unter besonderer Kontrolle stand, breiteten sich in und um das Kloster herum protestantische Strömungen aus, bis hin zu den radikalen Wiedertäufern. Wollenberg geht davon aus, dass Luther unter den Fürstenfelder Mönchen etliche Sympathisanten hatte. Das wiederum dürfte damit zusammenhängen, dass der Konvent bereits "disziplinär und geistig zerrüttet" war, wie Nico Pietschmann in einem weiteren Beitrag im Amperland-Heft über den reformatorisch gesinnten Pfarrer Zacharias Weichsner von Pfaffing-Bruck schreibt.

Außerdem hatten Fürstenfelder Mönche Kontakte zu reformierten Augustinerkonventen in Esslingen und München und lernten reformatorische Ideen in der Ausbildung an den Universitäten kennen.

Die Verhältnisse in Fürstenfeld bleiben nach dem Mord an Harder verworren. Zunächst wurde ein neuer Abt eingesetzt, Georg Menhart, der aber 1531 wieder abgesetzt wird, nachdem eine Visitation Mängel ergeben hatte. Der Vaterabt aus Aldersbach appelliert bei der Gelegenheit an die Mönche, sie sollten "keine Conspiration machen", was als Hinweis auf "Parteylichkeiten" zu werten ist, von denen später auch der Klosterchronist Gerhard Führer berichtete: "Der gute gottselige Abt Georg war vorzüglich die Zielscheibe, gegen welchen die Pfeile der Verleumdung, der falschen Bezichtigung losgedruckt wurden."

Der bayerische Herzog bestimmt Johannes Pistorius zum Administrator, ausgerechnet einen Mann mit viel Sympathie für humanistisch-reformatorische Ideen. Pistorius pflegt gute Kontakte zu Pfarrer Weichsner, vermutlich schützt er ihn vor Nachstellungen, so dass dieser sich so lange in Bruck halten kann. 1539 wählt der Konvent Pistorius zum Abt, acht Jahre später wird er auf Weisung von Herzog Wilhelm IV seines Amtes enthoben.

In der Überlieferung ist davon die Rede, Pistorius habe Geld verschleudert und die Klosterwirtschaft schlecht geführt. Wollenberg hält das für falsch, weil durch die Quellen nicht zu belegen. Er vermutet, dass seine Gesinnung Pistorius zum Verhängnis wurde. Wollenberg belegt außerdem, dass der bayersche Herzog ständig vom Kloster Geld verlangte, etwa für die Kriegführung. Zwischen 1550 und 1552 gab es weder Abt noch Administrator in Fürstenfeld, praktisch für Herzog Albrecht V., der sich nun direkt aus der Klosterkasse bediente.

Amperland. Heimatkundliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck, Heft 3, 2017, fünf Euro. Die Hefte können im Buchhandel bestellt werden.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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