Kunst:Momentaufnahmen

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Viele der Ölgemälde des Künstlers Carl Friedrich Steinheil zeigen Motive von Orten, in deren Nähe er gelebt hat, hier die Amperbrücke in Emmering. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine Sonderausstellung zeigt die Gemälde des Künstlers Carl Friedrich Steinheil. Mit fotografischem Blick bannt er flüchtige Augenblicke auf Leinwand - und ist seinen Kollegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts damit weit voraus.

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Eine alte Holztüre gibt den Blick frei auf eine düstere Werkstatt, die die besten Jahre bereits hinter sich hat, auf einen Schmied, der völlig in seine Tätigkeit vertieft, sein Werkzeug am drehenden Schleifstein schärft. Es ist eine Momentaufnahme, ein Gemälde, das einem verstohlenen Schnappschuss gleicht, das einen flüchtigen Alltagsmoment als bildwürdig einfängt. Das Ölgemälde stammt aus dem Nachlass des Künstlers Carl Friedrich Steinheil, der von 1899 bis 1908 in Emmering gelebt und gearbeitet hat. Die Arbeiten des Künstlers sind von Donnerstag an im Stadtmuseum in Fürstenfeldbruck in der Sonderausstellung "Carl F. Steinheil - Der fotografische Blick" zu sehen.

Ein Erbe des Nachlasses ist vor Kurzem an das Museum herangetreten. Die Leiterin Eva von Seckendorff war sofort von der Idee einer Ausstellung begeistert. "Unter den Stücken gibt es sehr viele originelle Bilder", sagt sie. Das gelte sowohl für die Motive als auch für den Duktus und Stil des Künstlers. Denn für die damalige Zeit unüblich, war Steinheil, der aus einer wohlhabenden Familie stammt, als Maler nicht darauf angewiesen, Auftragsarbeiten anzufertigen. Die Notwendigkeit, sich am Gusto eines reichen Gönners zu orientieren, blieb Steinheil erspart. Diese Freiheit und die damit einhergehende Experimentierfreude des Künstlers schlägt sich in seinem Werk nieder, im Sprung zwischen verschiedenen Stilrichtungen, der Pinselführung, dem Farbauftrag.

Steinheils Arbeiten sind zum großen Teil nur schwer datierbar, allerdings lassen die Motive auf ihre Entstehungszeit schließen, da er mit Vorliebe Landschaften malte, in denen er lebte. So geben einige Arbeiten den ausschnitthaften Blick auf die Amperbrücke frei, spätere Arbeiten zeigen den Chiemsee oder Motive aus Gollenshausen, wo der Künstler von 1908 an mit seiner Familie lebte.

Das Besondere an Steinheils Gemälden, ob es sich um Landschaften, Alltagszenerien oder bäuerliche Motive handelt, ist eben jener fotografische Blick, der für die Namensgebung der Ausstellung ausschlaggebend war. Die Motive zeigen keine durchkomponierten Szenerien, sie erzählen keine Geschichten und idealisieren nicht, wie es der Betrachter aus der Genremalerei kennt. Ganz im Gegenteil ragt in das Idyll der Amperbrücke die Ecke einer Hütte hinein. Steinheil spielt mit dem verstellten Blick, wenn er das Auge des Betrachters zwingt, sein Bauernhaus durch die Stämme und Äste alter Bäume zu betrachten. Hier wird der Einfluss des Realismus und der damals steigenden Bedeutung der Fotografie deutlich. Persönlich prägend war für die Arbeiten des Künstlers mit Sicherheit auch seine Familie, insbesondere sein Großvater Carl August von Steinheil, der 1839 die erste Kleinbildkamera konstruierte. Steinheil malt, was er sieht, genau wie er es sieht: als Ausschnitt, als Momentaufnahme. Und dabei spielt er in überragender Weise mit Licht und Schatten mit Hell und Dunkel, mit Stimmungen, die den Betrachter das Bild nicht nur sehen sondern auch spüren lassen.

Fotografische Vorlagen für seine Gemälde finden sich in dem gut gepflegten und umfassenden Nachlass des Künstlers nicht. Überhaupt wurde in der Familie nicht viel fotografiert. Seine Werke sind nie Kopie eines Abzugs. Sie sind Zeugen eines außergewöhnlichen Gedächtnisses und eines wachsamen Blickes.

Die Ausstellung wird am Donnerstag, 19. November, um 19.30 Uhr im Museum Fürstenfeld eröffnet. Zu sehen ist sie bis 3. April.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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