Fürstenfeldbruck:Warum schon wieder eine Metzgerei zumacht

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An diesem Wochenende schließt Georg Eser seinen Betrieb in Bruck für immer. In den kommenden Jahren könnten viele weitere Fleischer im Landkreis folgen, warnt die Innung. Woran das liegt? An der Arbeitsbelastung.

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Es gab Zeiten, in denen allein Fürstenfeldbruck 15 Metzgereien zählte und Schweine aus dem Landkreis Dachau zugekauft werden mussten, weil die heimischen Bauern nicht mit dem Züchten nachgekommen sind. Das war vor 40 Jahren. Heute ist die Entwicklung besorgniserregend. An diesem Samstag wird Georg Eser als ein weiterer Metzger in der Kreisstadt sein Geschäft schließen. In wenigen Monaten wird ihm Günther Nagl aus Emmering folgen. Zu den Gründen wollten sie sich nicht äußern. "Dass die beiden aufhören, ist erst der Anfang", sagt Bernhard Huber, der stellvertretende Obermeister der Metzger-Innung. Denn rund ein Drittel der 25 Innungsmetzger sind um die 60 Jahre alt, die Nachfolge ist bei vielen ungeklärt. Dies beunruhigt auch Huber: "Es hat bereits jetzt ein regelrechtes Metzgersterben eingesetzt." Auch Betriebe in ländlichen Gemeinden sind betroffen.

Als einen der Gründe für die Nachfolgeprobleme nennt Huber die Arbeitsbelastung. Der 47-Jährige führt in dritter Generation eine Metzgerei. Für ihn und seine zwei Angestellten beginnt der Tag um 3.30 Uhr. Während seine Mitarbeiter gegen Mittag Feierabend haben, steht Huber häufig noch bis zum frühen Abend im Laden. Er schlachtet und zerlegt die Tiere, macht Wurst, hilft im Verkauf mit und fährt das Catering aus. "Bis zu 100 Stunden pro Woche bei sieben Arbeitstagen sind keine Seltenheit", sagt er. Bei seinen Kollegen sehe es nicht anders aus. Zu den klassischen Aufgaben kommt dann noch der "Dokumentationswahn" der EU. Denn seit 2006 gilt das sogenannte Hygiene-Paket.

Die EU-Verordnung 853/2004 regelt mit spezifischen Hygienevorschriften, wie mit tierischen Lebensmitteln umgegangen werden muss. Davon betroffen sind unter anderem Betriebe wie der von Huber, die noch selbst schlachten. In Tabellen müssen die Metzger beispielsweise neben Kühltemperaturen und Personalunterweisungen auch festhalten, wer wann wie welchen Raum mit welchem Mittel gereinigt und desinfiziert hat. Geschlachtete Tiere müssen gleich doppelt erfasst werden - im Internet und im Schlachtbuch. "Früher war man zu 100 Prozent Metzger. Heute ist man zur Hälfte Bürokraft", klagt Huber. Allein für die Dokumentation bräuchten manche eigentlich einen zusätzlichen Angestellten. Das System benachteilige die mittelständischen Betriebe enorm.

Doch nur an der hohen Arbeitsbelastung könne das Verschwinden der Metzger nicht liegen, sagt Alexander Hill, Betriebsleiter des Brucker Schlachthofes. Denn diese Belastung beträfe ja so gut wie jeden Unternehmer oder Angestellten in verantwortungsvoller Position. Vielmehr sieht der 28-Jährige das Problem darin, dass die heutige Generation andere Lebensentwürfe habe als Eltern und Großeltern. "Ich kenne keinen Metzger , der um jeden Preis ein eigenes Geschäft übernehmen oder neu eröffnen würde." Das sei in der heutigen Zeit einfach nicht mehr erstrebenswert, so Hill, der sich regelmäßig mit Metzgern nicht nur aus dem Landkreis austauscht. Wichtiger seien denen geregelte Arbeitszeiten mit einem Acht-Stunden-Tag und einer Fünf-Tage-Woche, um genügend Zeit für Familie und Hobbys zu haben.

Wer darüber nachdenkt, eine Metzgerei zu übernehmen, müsse nicht nur lange Arbeitszeiten in Kauf nehmen, sondern auch eine große finanzielle Belastung, betont Hill. In einigen Betrieben seien seit Jahrzehnten weder Maschinen noch Räume modernisiert worden. Wer heute eine Metzgerei auf den neuesten Stand bringen will, müsse mit Kosten im hohen sechsstelligen Bereich rechnen. Als ein Beispiel nennt Hill den Kutter, in dem das Brät für Wurst hergestellt wird. Vor 30 Jahren seien diese noch aus Gusseisen hergestellt worden. Nach heutigen Hygienestandards braucht es aber eine Maschine aus Edelstahl. Die Kosten allein dafür betragen rund 50 000 Euro. Braucht es gar ein neues Schlachthaus, muss der Metzger 500 000 Euro investieren. Ohne Kredit kann sich das kaum jemand leisten. Aber selbst wenn der Wille zur Übernahme und Investition in einen Betrieb da ist, müssten junge Unternehmen erst einmal eine Bank finden, die ihnen das Geld gebe, erzählt Hill. "Und die große Frage ist doch: Wird sich das alles jemals rechnen? Man muss gewillt sein, sein ganzes Leben dem Betrieb zu widmen, Schulden abzuzahlen, für die Angestellten zu sorgen und dann sollte ja auch noch etwas zum Leben übrig bleiben", so Alexander Hill.

Der Schlachthofsleiter nimmt auch die Verbraucher mit in die Verantwortung. Seiner Meinung nach tragen sie eine Mitschuld am Verschwinden der Metzgereien - weil sie den bequemen Weg in den Supermarkt wählen statt jeweils ins Fachgeschäft zu gehen. Natürlich auch, weil Fleisch und Wurst dort einfach billiger sind. Umso wichtiger seien Einrichtungen wie der Brucker Bauernmarkt und die Vermarktungsgesellschaft "Brucker Land". Ausreichend sei dies allerdings nicht, wenn das Handwerk mittelfristig überleben solle. Sollte sich, so Hill, nicht grundsätzlich etwas im Bewusstsein der Menschen ändern, werde bald auch der letzte Metzger verschwinden.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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