Fürstenfeldbruck:Mehr Vielfalt am Feldrand

Lesezeit: 3 min

Landwirte, die Subventionen beantragen, müssen eine Gegenleistung für die Allgemeinheit erbringen. Nun entstehen auf fünf Prozent der Ackerflächen und an Bächen Grün- und Blühstreifen, aber auch Hecken

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Über Jahrzehnte ging der Trend in der Landwirtschaft zur Intensivierung. Das war mit einem Kahlschlag von Hecken und Bäumen verbunden, bei Flurbereinigungsmaßnahmen wurde kleine Äcker zusammengelegt, Weg und Bäche begradigt. Seit diesem Frühjahr sind die Landwirte gezwungen, den umgekehrten Weg der Extensivierung zu gehen. Mit einigen Ausnahmen ist jeder Bauer dazu gezwungen, soweit er weiterhin Fördermittel bekommen will, fünf Prozent seiner Anbauflächen als ökologische Vorrangflächen auszuweisen. Wer aufmerksam durch den Landkreis fährt, kann feststellen, dass sich dadurch die Landschaft verändert.

An Bächen entstehen Uferstreifen mit Grün- und Blühpflanzen, die Felder enden schon einige Meter vor dem Ufer. An Waldrändern gibt es plötzlich neue Äsungsflächen für Wild und auch Hecken werden wieder gepflanzt. Manche Betriebe lassen einen Teil ihrer Anbauflächen als Brache sogar ganz ungenutzt liegen. Das schafft Rückzugsmöglichkeiten für Tiere und bereichert die Landschaft. Sie ist abwechslungsreicher geworden, wie Johann Drexl, der Kreisobmann des Bauerverbands erfreut feststellt.

Die Kreisvorsitzende vom Bund Naturschutz, Eugenie Scherb, weist auf die Grundidee der Vorrangflächen hin. Diese seien kein Muss, sondern Landwirte bekämen nur noch dann Mittel der öffentlichen Hand, wenn im Gegenzug dabei eine Leistung für die Allgemeinheit herausspringt. Herausgekommen sei letztlich nur eine "schwache Forderung". Der Bund Naturschutz hatte anstelle von fünf Prozent Vorrangflächen neun Prozent gefordert. Zudem kritisiert Scherb, dass der Bauernverband die Agrarreform zu negativ darstelle. Schließlich dienten die Blüh- und Randstreifen an den Feldern dem ökologischen Gleichgewicht und zögen sogar noch bessere Erträge nach sich. "Je mehr Insekten auf den Flächen leben, umso besser ist das für die Äcker", sagt Scherb. Noch einen Einwand bringt die Naturschützerin vor: "Blühstreifen können nur gedeihen, wenn auf den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat verzichtet wird."

BBV-Kreisobmann Drexl, der laut Scherb übrigens Mitglied beim Bund Naturschutz ist, kam in diesem Jahr der Verpflichtung nach, mit ökologischen Flächen den Lebensraum für Flora und Fauna zu verbessern, indem er auf zehn Prozent seiner Felder Körnerleguminosen ansäte. Der Kreisobmann hält das für sinnvoll, weil seine Leguminosen letztlich der heimischen Eiweißerzeugung dienen und somit unabhängig von Sojaimporten machen, für die anderswo wertvolle Regenwälder gerodet werden. Insgesamt 210 Landwirte bestellten im Herbst im Landkreis Flächen von mehr als 1800 Hektar mit einer Zwischenfrucht. Um auch hier die biologische Vielfalt zu fördern, kamen Mischungen zum Einsatz, die auch Blühpflanzen enthalten. Der Anbau von solchen Zwischenfrucht-Blühmischungen zieht laut den Beratern des Brucker Amtes für Landwirtschaft und Forsten eine Abdeckung des Bodens in den Wintermonaten nach sich, schützt den Boden vor Erosion, das Grundwasser vor Stickstoffauswaschung und dient zudem noch Bienen und Regenwürmern als Nahrung.

Wie Drexl einräumt, hätten die Bauern im Landkreis wegen der finanziellen Nachteile nicht gerade "Hurra!" gerufen, als die Europäische Union eine neue Agrarreform auflegte. "Wir waren froh, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist, es hätte Schlimmeres gedroht", stellt der Sprecher der Landkreislandwirte fest. Das Schlimmere wäre für Drexl gewesen, wenn, wie ursprünglich geplant, der ökologische Vorrang für 15 Prozent der Flächen gegolten hätte. Die Reform hat viele positive Seiten, auch für Landwirte. Die beste ist für Drexl die Vielfalt der Möglichkeiten, der Verpflichtung nachzukommen. Jeder Landwirt kann für seinen Betrieb aus einer Vielzahl von Maßnahmen diejenigen auswählen, die für ihn die günstigsten sind. So haben sich für Grünstreifen an Bächen und Wäldern oder an nicht besonders schön anzusehenden Maisfeldern 38 der insgesamt noch 621 landwirtschaftlichen Betriebe entscheiden. Solche Grünstreifen mit Blühpflanzen, die besonders bei Imkern gut ankommen, können drei bis fünfzehn Meter breit sein. Auf diese Weise entstanden 150 Hektar zusätzliches Grünland. 76 Landwirte produzierten wie Drexl heimische Eiweißfuttermittel. Sie bauten auf insgesamt 300 Hektar Einweißpflanzen wie Sojabohnen oder Erbsen an. 90 Bauern entscheiden sich für Brachflächen, 210 für eine Zwischenfrucht, die im Herbst nicht umgepflügt werden darf.

Biobauern sind von der Verpflichtung ausgenommen, durch sogenannte Greening-Maßnahmen ökologische Vorrangflächen zu schaffen und damit den Anbau zu extensivieren. Das gilt auch für Wiesen und Grünland. Auch wer Feldhecken anpflanzt und pflegt, muss weniger Vorrangflächen schaffen. Drexl schätzt, dass für rund 18 000 Hektar Ackerflächen im Landkreis Greening-Maßnahmen erforderlich sind. Ein Hektar hat eine Fläche von 10 000 Quadratmetern. Außerdem nehmen in diesem Jahr laut dem Amt für Landwirtschaft mehr als 260 landwirtschaftliche Betriebe freiwillig am bayerischen Kulturlandschaftsprogramm mit unterschiedlichen Extensivierungsmaßnahmen auf Grünland und Ackerflächen teil.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: