Fürstenfeldbruck:Mehr als hundert Menschen unter Verdacht

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Zum zweiten Mal tauchen in Fürstenfeldbruck Flugblätter auf, die Reichsbürgern zugeordnet werden. (Foto: Margot Simoneit/oh)

Polizei und Staatsschutz tragen zurzeit Informationen über alle Sympathisanten der Reichsbürger im Landkreis zusammen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Polizeiinspektionen, Staatsschutz und andere Behörden sammeln zurzeit alle Informationen von Menschen im Landkreis, die im Verdacht stehen, Reichsbürger zu sein oder deren Gedankengut zu vertreten. Alle Angaben und Erkenntnisse laufen beim Polizeipräsidium Ingolstadt zusammen, das für insgesamt zehn Landkreise im nördlichen Oberbayern zuständig ist. Dort werden die Informationen zentral ausgewertet und bewertet. Ein Schwerpunkt, in dem sich das Auftreten von Reichsbürgern häuft, ist der Landkreis Fürstenfeldbruck nicht, erklärt ein Präsidiumssprecher auf SZ-Anfrage. Mehr als acht Personen, die hier wohnen, werden zurzeit einer genaueren Überprüfung unterzogen. Die genaue, etwas höhere Zahl zu nennen, wäre im jetzigen Stadium der Ermittlungen "nicht seriös", lautet die Begründung für die vage Auskunft.

In Bayern hat jeder dritte der etwa tausend Menschen, die im Verdacht stehen Reichsbürger zu sein, eine Erlaubnis Waffen zu tragen. Allerdings sind da auch die kleinen Waffenscheine berücksichtigt, die zum Führen von Schreckschusswaffen ermächtigen. Im Bereich des Polizeipräsidiums Ingolstadt sind zurzeit etwa 80 Reichsbürger "dokumentiert", wie Pressesprecher Hans-Peter Kammerer sagt. Es sei zu erwarten, dass sich deren Zahl in den nächsten Wochen erhöht, da nicht jeder Fall gleich zu erkennen und richtig einzuordnen ist. Da sich aus etwa zehn bis zwanzig Überprüfungen ein Verdachtsfall eines Reichsbürgers ergibt, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass im Landkreis weit mehr als hundert Menschen in den Fokus der Ermittler geraten sind. Schließlich sind auch die Städte und Gemeinde angehalten, der Polizei sogenannte Reichsbürger zu melden. Reichsbürger akzeptieren keine hoheitlichen Tätigkeiten und weigern sich, Gebühren oder Steuern zu bezahlen.

Das Steueramt der Stadt Fürstenfeldbruck schätzte im November die Zahl derjenigen, die Hoheitsakte der Kreisstadt nicht anerkennen auf fünf oder sechs. In Zahlungsverzug sind schon einige geraten. Mit einem Flugblatt hatte sich Ende November in der Kreisstadt ein Sympathisant der Reichsbürger an einem Laternenpfahl in der Nähe des Einkaufszentrums "City-Point" zu Wort gemeldet. Auf diesem war zu lesen, dass das Land "spätestens seit dem Ende des Ersten Weltkriegs unter absoluter Fremdherrschaft" stehe. Laut Margot Simoneit vom Bündnis "FFB ist bunt - nicht braun" wiederholte sich das Ende Dezember nun wieder. Simoneit kündigte an, dass die neuesten Vorfälle angezeigt werden sollen.

Die Fachstelle, die im Präsidium Ingolstadt Anlaufstelle für alle Informationen ist, ist beim Sachgebiet Verbrechensbekämpfung/Staatsschutz angesiedelt. Das hat mit den Delikten zu tun, die typisch für sogenannten Reichsbürger sind. Dabei handelt es sich um Amtsanmaßung, Volksverhetzung, Beleidigung, Körperverletzung oder kriminelle Straftaten wie Diebstähle oder Insolvenzen, weil die Betroffenen sich weigern, Steuern zu bezahlen oder den Zahlungsaufforderungen von Behörden nachzukommen. Die Recherchen der Polizei gestalten sich oft schwierig. Deshalb, aber auch wegen der hohen Zahl an Überprüfungen, wird es laut Kammerer noch Wochen dauern, bis das Präsidium mit genauen Zahlen für den Landkreis aufwarten kann. Die SZ-Information von bisher etwa 1700 Verdachtsfällen im Bereich des Präsidiums Ingolstadt wollte der Sprecher nicht bestätigen. Allerdings belegt schon die Tatsache, dass die Aufgabe, sich ein Lagebild zu verschaffen, bei den Polizeipräsidien angesiedelt ist, die Brisanz, die die Staatsregierung diesem Thema beimisst. Mit den tödlichen Schüssen eines Reichbürgers auf einen Polizisten in Franken rückte dieser Personenkreis in den Fokus der Ermittler. Kammerer spricht deshalb auch von einem "Präsidialprojekt".

Beim Präsidium gilt das spezielle Interesse zurzeit vorrangig dem Kreis der zum Tragen von Waffen Berechtigten. Hier steht eine polizeiliche Neubewertung der Frage an, ob diese Personen noch als zuverlässig genug gelten, um über Waffen und einen Waffenschein zu verfügen. In diesem Zusammenhang soll auch geklärt werden, über welche Waffen die den Reichsbürgern nahestehende Personen im Landkreis verfügen.

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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