Theater 5 spielt "Diebe":Mehr als die Summe der Teile

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Die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen werden erst nach und nach klar. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Theater 5 inszeniert das Stück "Diebe" von Dea Loher. In kurzen 37 Szenen werden die Geschichten von einer Reihe von Menschen erzählt. Und am Ende hängt alles doch irgendwie zusammen

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Das Theaterstück "Diebe" könnte laut Matthias Weber auch einfach "Liebe" heißen. Schließlich sei es das, worum es in dem Werk von Dea Loher, das das Theater 5 unter Webers Regie ab diesem Wochenende in den Räumen der Neuen Bühne Bruck zeigt, im Grunde geht. Dea Loher, die in Traunstein geboren ist, mittlerweile jedoch bereits seit Jahren in Berlin lebt, hat ihre Ausbildung bei keinem Geringeren als der Dramatiker-Legende Heiner Müller absolviert. Dessen Vorliebe für die Fragmentierung von Texten scheint sich auch auf Lohers Stil ausgewirkt zu haben. Umso aufregender wird es manchmal, den roten Faden zwischen den einzelnen Szenen ihrer Stücke auszumachen.

Mehrere ganz unterschiedliche Lebensgeschichten sind es, die Dea Loher in "Diebe" erzählt. Diese setzen sich aus 37 einzelnen Szenen zusammen, die mal den einen, dann wieder einen anderen Handlungsstrang fortsetzen. Da wären zunächst die beiden Tomasons. Linda Tomason hat kürzlich einen Wolf gesehen, doch nicht einmal ihr Fantasie-Ehemann und -Sohn glauben ihr. Immer Sonntags sinniert sie im Altenheim mit ihrem Vater Erwin über dessen Grauen Star, obwohl der doch viel lieber über das Wetter und am allerliebsten über seinen verschollenen Sohn, Lindas Bruder Finn, reden würde. Den anderen Tomasons, Thomas und Monika, begegnet man dagegen meist gemeinsam im Bett, wo sie entweder leidenschaftslosen Sex praktizieren oder über Monikas Zukunft als Supermarktleiterin in Holland diskutieren.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Finn Tomason vegetiert melancholisch vor sich hin.

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Die minderjährige Mira ist vom Bestatter Josef schwanger.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Mit ihrer Freundin Gabi bespricht sie das Problem.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Rainer und Linda kennen sich anfangs nicht, doch dann kreuzen sich ihre Lebenswege.

Gerhard und Ida Schmitt trinken beide gern. Ansonsten haben sie noch die Faszination für ein unbekanntes Tier gemeinsam, das seit einiger Zeit sein Unwesen in ihrem Garten zu treiben scheint. Gabi und Rainer besichtigen Wohnungen, ohne wirklich einziehen zu wollen. Denn erst einmal muss Rainer seinen Frust über das Leben überwinden. Noch größere Probleme hat dagegen Gabis Freundin Mira: Diese ist minderjährig, schwanger von ihrem viel älteren Lover, dem Bestatter Josef und selbst das Ergebnis einer anonymen Samenspende. Als Josef sich Mira zuliebe aufmacht, um nach ihrem Vater zu suchen, landet er bei den Tierbeobachtern Schmitt. Irgendwie hängt dann alles nämlich doch zusammen.

Die Komplexität und sprachliche Raffinesse von Lohers Texten reizen Matthias Weber schon lange. "Diebe" hat er erstmals 2010 bei der Uraufführung in Berlin gesehen. Ob auch er das Stück mit seinem Theater realisieren könne, da war er sich nicht sicher. Damit es doch klappen konnte, hat er vier weitere Schauspieler zum Stammensemble hinzugeholt. Mit elf besetzten Rollen kommt das Stück der Aufführung von Shakespeares "Sommernachtstraum" mit dem das Theater 5 in der vergangenen Saison an der Neuen Bühne gastierte, größentechnisch recht nahe.

Neben den Darstellern nehmen Licht und Musik zentrale Rollen ein. Vor allem dann, wenn es um das rätselhaften Dasein des verlorenen Sohnes Finn geht. Dieser legt sein gescheitertes Leben besonders gern in melancholischen Dritte-Person-Monologen im hellen Spotlight dar. Hat er selbst jedoch den Mund voll, weil er am Tiefpunkt gerade dabei ist, sein noch übrig gebliebenes Münzgeld zu verschlucken, kommentiert eine Stimme aus dem Off seine Gedanken. Obwohl es gerade in diesen Einsiedlermomenten nicht unbedingt so aussieht, liegt der Kern seiner Inszenierung für Matthias Weber in den Beziehungsgeflechten der Figuren untereinander.

Über die beste Umsetzung der vielen und schnellen Szenenwechsel hat Weber intensiv nachgedacht. In Berlin habe es ein bühnengroßes Mühlrad gegeben, das die Personen je nachdem weggeschaufelt oder auf die Bühne katapultiert hat. "Ich dachte mir, wenn die ein Mühlrad haben, machen wir alles auf Rollen", sagt Weber. Weil sich das kaum realisieren ließ, stellen die Schauspieler die Requisiten nun Szene für Szene selbst um. Ein bisschen ist von Webers ursprünglicher Idee allerdings doch übrig geblieben: Die Teenager Gabi und Mira besprechen Miras Schwangerschaft zu Discomusik tanzend auf Rollschuhen.

Rainer und Linda kennen sich anfangs nicht, doch dann kreuzen sich ihre Lebenswege. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Diebe" ist an diesem Samstag und Sonntag um 20 Uhr an der Neuen Bühne Bruck zu sehen; weitere Aufführungen im Juli. Karten unter: 08141/66 65 444.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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