Fürstenfeldbruck:Lotse durch den fremden Alltag

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Wie können sich Migranten im Landkreis besser zurechtfinden? Im Landratsamt wird es vom neuen Jahr an eine Koordinierungsstelle geben

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Wie geht eigentlich Integration? Wo liegen die Schwierigkeiten? "Wir müssen gemeinsam schauen, dass die Gesellschaft funktioniert - durch ein Miteinander, nicht durch Ausgrenzung", betont Petra Weber, SPD-Kreisrätin und Referentin für Gleichstellung, Integration und Migration im Kreistag. Ein Fachtag Migration mit 50 Teilnehmern aus Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Behörden, Schulen und Ehrenamtlichen diskutierte kürzlich das Thema, ein hauptamtlicher Integrationslotse im Landratsamt soll vom neuen Jahr an entsprechende Vernetzungsarbeit leisten.

Der Fachtag sollte einen Überblick verschaffen über die Situation aller Migranten im Landkreis Fürstenfeldbruck. In diesem leben Weber zufolge etwa 30 000 Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen. "Fakt ist: Es ist bunt hier im Landkreis", fasst Weber in der Sitzung des Kreisausschusses die Ergebnisse zusammen. Dies sei nicht erst seit 2015 so, als viele Asylbewerber kamen, denn Migration "ist kein neues Phänomen", sagt sie. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit "leben, arbeiten, wohnen hier, sind Nachbarn, Arbeitskollegen oder auch Kunden", heißt es in der schriftlichen Zusammenfassung des Fachtags. Eigentlich sei dies kein Unterschied zu den Deutschen, "wenn es nicht unterschiedliche Aufenthaltsformen, verbunden mit rechtlichen Folgen und Pflichten, vielleicht auch sprachliche Fähigkeiten oder verschiedene kulturelle und religiöse Ansichten gäbe". Wie also könnten Menschen mit Migrationshintergrund "Zugang zu unserem System und Kontakt zur einheimischen Bevölkerung" bekommen?, formuliert Weber die zentrale Frage. Dies gelte auch andersherum, denn "augenblicklich sind nicht so viele Migranten etwa beim Maibaumaufstellen oder bei Veranstaltungen wie der langen Nacht der Demokratie in Puchheim".

Im Landratsamt soll nun die hauptamtliche Stelle eines sogenannten Integrationslotsen geschaffen werden, der alle Angebote rund um Integrations- und Migrationsfragen koordinieren, die Beteiligten vernetzen und zudem ehrenamtlich Engagierte zu Integrationsbegleitern weiterbilden soll. Der Kreisausschuss sprach sich einstimmig dafür aus, das abschließende Votum des gesamten Kreistags am kommenden Montag gilt als sicher. In 74 von 96 bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten gibt es solche Lotsen bereits. Die bayerische Staatsregierung möchte, dass sie flächendeckend eingerichtet werden. Profitieren davon sollen nicht nur Asylbewerber, sondern auch "Einwanderer ohne Fluchthintergrund", die man nicht aus dem Blick verlieren dürfe, heißt es im Brucker Landratsamt.

Um die Integration von Zugewanderten zu fördern, arbeitet der Landkreis bereits mit verschiedenen Wohlfahrtsverbänden zusammen. Die Kooperationsvereinbarungen mit Caritas und Diakonie für Flüchtlings- und Integrationsberatung werden deshalb um weitere zwei Jahre verlängert. Darin enthalten sind die finanzielle Unterstützung der Personalkosten für Fachdienstleitung und Ehrenamtskoordination. Auch die katholische Erwachsenenbildungseinrichtung Brucker Forum ist im Auftrag des Landkreises tätig und organisiert seit zwei Jahren ehrenamtlich tätige Sprachpaten sowie hauptamtlich geleitete Deutschkurse. Die Arbeit der Sprachpaten ist wichtig, vor allem weil sie als Sonderform auch Kindern in Form von Hausaufgabenbetreuung zugute kommt. Wo die Sprachpaten erhöhten Bedarf feststellen, bietet das Brucker Forum hauptamtlich geleitete Deutschkurse direkt in insgesamt sieben Gemeinschaftsunterkünften an. Der von Honorarkräften gestaltete Deutschunterricht des Brucker Forums soll den Asylbewerbern Grundkenntnisse vermitteln, damit eine Orientierung im Alltag möglich ist, und als Vorbereitung für spätere Integrationskurse dienen, die unter anderem die Volkshochschulen anbieten. 2016 hatte das Brucker Forum den Deutschunterricht an insgesamt 444 Kurstagen angeboten, die von durchschnittlich 13 Personen besucht wurden. Im Vorjahr stieg die Zahl der Kurstage auf fast 500 mit durchschnittlich neun Teilnehmern.

Besonders gut besucht waren vor allem Kurse mit gleichzeitiger Kinderbetreuung. Dies komme Frauen und Müttern kleiner Kinder zugute und damit einer Gruppe, "die ansonsten oft schwer für diese Integrationsmaßnahmen erreichbar" ist, heißt es in einer Informationsunterlage an die Kreisräte.

Neben der Sprachvermittlung sieht das Brucker Forum noch eine weitere Qualität seines Sprachangebots: Da die Asylbewerber in der Regel nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügten und "sich der Alltag ohne eine Erwerbstätigkeit oft trist gestaltet", seien diese Kurse "ein sinnvoller Zeitvertreib", steht dazu im Konzept des Brucker Forums.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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