Fürstenfeldbruck:Liebe auf den ersten Blick

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Handarbeit ist es, wenn der Fürstenfeldbrucker Walter Münster sein Ford-T-Modell startet. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wie Walter und Gerda Münster zu ihrer "Blechlieserl" kamen

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Beim ersten Mal bleibt es noch stumm. Nochmals dreht Walter Münster die Handkurbel am Motor mit Schwung nach links - und ein Ruck und leichtes Rumpeln geht durch das messingglänzende Schmuckstück, dessen vier großen Räder mit ihren pechschwarzen Holzspeichen zu zittern beginnen. Dazu ertönt ein Motorengeräusch, das dem eines Traktors ähnelt, nur irgendwie milder, wohliger für das Ohr. Das durchaus noch einer Kutsche ähnelnde motorisierte Gefährt ist bereit, sich in Bewegung zu setzen. Und nicht allein durch dessen lautstarke Gemächlichkeit mag man vom ersten Anblick an die Liebe teilen können, die sein Besitzer zu diesem einstigen Massenprodukt hegt. In der schnelllebigen Konsumneuzeit, in der ein industrielles Objekt allein im Aussehen wieder veraltet, kaum ist es auf den Markt gekommen, nötigt einem bereits das Alter Bewunderung ab: 104 Jahre alt ist dieses Auto - und fährt noch immer und sieht zudem aus wie am ersten Tag, als es im April 1914 die Fabrikhalle verließ.

Der Fürstenfeldbrucker besitzt nicht irgendeinen, sondern vielleicht den Oldtimer schlechthin. Das Modell T von Ford war der erste Wagen, der vom Fließband kam und in der Folge der meistverkaufte auf der Welt - zumindest bis 1972, als er vom VW Käfer abgelöst wurde. Von der sogenannten Tin Lizzie oder auch "Blechliesel" wurden 15 Millionen Stück gebaut, etwa ein Prozent sollen noch heute existieren - einer davon steht in der Garage des ehemaligen Bankers. Ein "reines Hobby" sei das für ihn, aber eines, das den Rentner - und auch das seiner Ehefrau Gerda - im Grunde das ganze Leben begleitet.

Los ging es in einem Alter, in dem andere stolz wären, das neueste Modell einer schicken Automarke zu fahren. 30 war er, als er in einem Hühnerstall einen anderen berühmten Oldtimer entdeckte: einen Buckel-Taunus von 1950. Aber dieses Ford-Modell, dessen Vorgänger bereits das Straßenbild im Dritten Reich mit prägte, war nicht leicht in Gang zu halten: "Es gab praktisch keine Ersatzteile", sagt der 70-Jährige. Bei der "Lieserl", wie seine Frau den Ford T liebevoll nennt, ist das anders: "In Amerika gibt es Händler, da können wir jedes Teil bestellen. Die haben alles."

Auf die Tin Lizzie sind die beiden erstmals in den frühen 80er Jahren gestoßen. Das Paar besuchte ein Oldtimertreffen in der Kleinstadt Hershey in Pennsylvania und fand dort gewissermaßen ihre Liebe für das T-Modell: "Das war unser Wunschtraum, den der Geldbeutel damals aber noch nicht erfüllen konnte", blickt Gerda Münster zurück. Erst Jahrzehnte später war es aber so weit. Bei einem Oldtimer-Verkäufer in Dingolfing wurden die Fürstenfeldbrucker fündig: "Unsere Lieserl hat uns gefunden. Sie hat uns gemocht und wir sie", interpretiert die Frau den Moment des Erwerbs und ergänzt wie zum Verständnis: Alte Autos seien ganz schön heikel.

Und nicht zuletzt deshalb und auch aus vielerlei anderen Gründen nutzen die Münsters ihren Oldtimer natürlich nicht im Alltag. Die Öffentlichkeit sieht ihn eigentlich nur bei sogenannten Gruppenausfahrten. Diese finden in ganz Deutschland und im Alpenraum statt. Vor kurzem etwa am Gardasee. Von dort ging es nach Triest und zurück. Das Museumsstück musste dafür aber nicht selbst die Alpen überqueren. Da hätten nämlich nicht alle Verkehrsteilnehmer ihre Freude: "Die entgegenkommenden sind freundlich, die hinter uns hingegen weniger", schildert Münster das Erlebnis auf der Straße, wenn sich bei einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Stundenkilometern in seinem Rücken eine Schlange bildet und die Autofahrer natürlich ungeduldig werden. So wird ihr Ford T in einem geschlossenen Anhänger transportiert, gezogen wird dieser vom Wohnmobil: "Wir brauchen kein Hotel und haben stets die Garage dabei", schildert Frau Münster den Vorteil . Die Ausfahrten selbst bringen im Jahr rund 3000 Kilometer auf den Tacho des Oldtimers.

113 waren es nun am vergangenen Samstag durch die Landkreise Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg. Denn erstmals hatte Walter Münster eine solche Gruppenausfahrt in Fürstenfeldbruck organisiert - und gut 40 Mitglieder der Gemeinschaft "Model-T-Alpenchapter Bavaria & Austria" waren seiner Einladung gefolgt. Es sei sicherlich "eine einmalige Gelegenheit" gewesen, so viele 100-jährige Autos im Original und in Fahrt zu sehen", sagt der Veranstalter zufrieden. Darunter war eben auch seine Blechliesel, die nun wieder in der Garage steht und auf die nächste Ausfahrt wartet.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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