Der gemeine Feldhase ist auf den Feldern in Landkreis selten geworden:Kurzohr vertritt Langohr

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Der Feldhase macht sich rar im Landkreis. (Foto: Patrick Pleul)

Der Osterhase hat nicht nur die Eier versteckt. Er schlägt ein paar Haken und macht sich selbst aus dem Staub. Nach einer vergeblichen Pirsch im Landkreis keimt die Hoffnung auf: das Kaninchen könnte in die Bresche springen. Ein Besuch im Tierheim zeigt, wie die hoppelnde Verwandtschaft von Meister Lampe tickt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Dem Osterhasen sind wir auf der Spur, wollen sein Wesen ergründen aus verschiedenen Perspektiven. Hinter uns liegt eine vergebliche Pirsch durch die Hasenheide: keine Spur vom braunen Hoppler in dem so verheißungsvoll klingenden Brucker Gewerbegebiet. Vor uns liegt das Maschendrahttor des Brucker Tierheims. Hatte Inge Maier, die gute Seele dieses Refugiums, doch auf die leicht verzweifelte Frage nach Hasen am Telefon geantwortet: "Ja, haben wir."

Und dann stehen wir also zwischen den sorgsam mit Stroh ausgelegten Ställen. Und um unsere Füße herum hoppeln possierliche Tierchen in schwarz, braun, weiß. Keine Hasen. Kaninchen! Spätestens da wird klar, dass die beiden Gattungen immer wieder durcheinandergeraten. Und spätestens da entscheiden wir uns, dem Osterhasen das gleichwertige Osterkaninchen zur Seite zu stellen. Diesen Schluss legen auch die Worte von Gerhard von Hößlin nahe. Der Kreisvorsitzende des Landesjagdverbandes macht einem keine großen Hoffnungen auf ein Date mit dem langbeinigen, langohrigen und Haken schlagenden Meister Lampe. Der habe "ganz schön zu knabbern". Er macht sich rar. Seine Hauptfeinde sind der Fuchs und der - automobile - Mensch.

Inge Maier kümmert sich seit 35 Jahren um die vielen abgegebenen oder ausgesetzten Haustiere im Landkreis. (Foto: Johannes Simon)

Vor allem aber ist es eine zunehmend ausgeräumte Agrarlandschaft, die ihm auch mangels Hecken und Böschungen kaum mehr Lebensraum bietet. Dazu kommen die zunehmend feuchten Frühjahre. Der Hase sei ein Steppenbewohner, sagt Hößlin, der es "warm und trocken mag". Er wurde deshalb zum Osterhasen befördert, weil er als sehr fruchtbar gilt - drei bis vier Würfe pro Jahr, und wiederum drei bis vier Junge pro Wurf. Der Nachwuchs kommt in Mulden auf dem Feld zur Welt, da wird ihm die Landwirtschaft mit Mähdrescher und Traktor zum Verhängnis. Viele überstehen nicht einmal die drei ersten Lebenswochen. 2004 wurden im Landkreis 565 Hasen erlegt. 2009 waren es 404, 2014 noch ganze 198. Da wird klar, warum die 300 im Jagdverband organisierten und die etwa 300 unabhängigen Grünröcke Hasenjagden kaum mehr kennen, zumal es nur noch vereinzelt Treibjagden gibt. "Als ich jung war, gab es fast jedes Wochenende eine Hasenjagd", erinnert sich Hößlin. Vorbei: Heute kommt das sehr schmackhafte, dunkle, trockene Fleisch kaum mehr auf den Teller. Und die Jäger haben mit den Wildschweinen alle Hände voll zu tun.

Einmal landete auch im Tierheim ein richtiger Feldhase. Vor drei Jahren wurde ein Jungtier abgegeben. Das hatten Spaziergänger auf einem Feld aufgelesen. Sie hätten es lieber gar nicht erst anfassen sollen, sagt Inge Maier. Denn das Muttertier wäre sicherlich wieder zurückgekommen. So aber kam das Tierheim also zu seinem ersten richtigen Feldhasen. Der wurde fünf Wochen mit dem Milchfläschchen aufgepäppelt, von einer Kaninchen-Dame "adoptiert" und vertrug sich blendend mit den Stallhasen und den Kaninchen-Kollegen. Er wuchs heran und überragte seine Stallgenossen bald um einen Kopf, blieb dennoch scheu und eher schüchtern. Eines Tages lag er dann tot im Stall. Woran er erkrankt war, weiß Inge Maier nicht. Geblieben sind die Kaninchen, zurzeit 13 an der Zahl, vom Löwenköpfchen bis zum Widder.

Der Gernlindener Züchter Klaus Gruninger hält sogar 50 Kaninchen. (Foto: Günther Reger)

Meist sind es Findlinge, die von Passanten oder durchaus auch mal von der Polizei in dem Tierheim direkt hinterm Brucker Klostergelände abgegeben werden. Manchmal hängen sie aber auch in einer Plastiktüte am Zaun oder stehen im Karton vor der Tür. Vor gut fünf Jahren stand einmal am Ostermontag ein nagelneuer Käfig mit einem kleinen Kaninchen vor der Tür. Die 70-Jährige schüttelt den Kopf. Kaninchen als Ostergeschenk für kleine Kinder? Lieber nicht. Denn die Tiere, die bis zu zehn Jahre alt werden, müssen gepflegt und gefüttert werden. Außerdem sind sie sehr gesellig. Deshalb gibt das Tierheim sie - gegen eine kleine Spende - nur paarweise ab. "Sie dürfen aber auch bis zum Lebensende bei uns bleiben", sagt Inge Maier und reicht den beiden Schlappies und Schneeweißchen Salat, gelbe Rüben, frisches Wasser und als Leckerbissen ein Stückchen Brot.

Für Klaus Gruninger sind Kaninchen viel mehr als Haus- oder Pflegetiere. Der 49 Jahre alte Vorsitzende von "B 18 Olching", des letzten Kaninchenzüchtervereins im Landkreis, hält selbst um die 50, vom "Farbenzwerg" bis zum schwarzen "Alaska". Alles reinrassige Tiere. Stallhasen sucht man bei den 24 Vereinsmitgliedern vergebens, denn der ist "ein Mischmasch". Gruninger, der mit einem "Schwarz-Grauen" einmal sogar Bezirksmeister geworden ist, will Hasen und Kaninchen nicht in einen Topf werfen, obwohl der Feldhase mitnichten zwangsläufig größer sei als ein Kaninchen - der Deutsche Riese bringt schließlich schon mal zehn Kilo auf die Waage. Im Gegensatz zum Feldflüchter Hase, der bereits mit einem ordentlichen Fell geboren wird, kommt der Nesthocker Kaninchen aber blind zur Welt, und das auch noch in einer Höhle. Unter bestimmten Umständen sei das Kaninchen durchaus als Haustier geeignet. Wer sich gut um die Tiere kümmert, wird mit Stubenreinheit belohnt. Mit Hund oder Katze sind die "Fluchttiere" zwar nicht zu vergleichen, sie haben aber durchaus eine verschmuste Seite.

Unterm Strich, meinen wir, können Kaninchen dennoch den erstmals 1682 in der Abhandlung "De ovis paschalibus - von Oster-Eyern" aufgetauchten Osterhasen ersetzen. Eine Einschätzung, die freilich ins Wanken gerät, als Inge Maier im Kaninchengehege ihre wild durcheinanderhoppelnden Schützlinge in einer Weise zur Ordnung ruft, die alle novellierten österlichen Gattungsgewissheiten sprengt: "Ihr werdet mir schon so verrückte Hühner sein." Nein, dass die ihre Eier künftig selbst ausliefern, das geht nun wirklich zu weit.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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