Fürstenfeldbruck:"Kultureller Wildwuchs"

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Stefan Hunstein liest in Haus 10 aus Bernhard-Roman

Interview von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Texte von Thomas Bernhard begleiten den Münchner Schauspieler und Fotografen Stefan Hun-stein schon lange. Aber auch zum Haus 10, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, hat der 58-Jährige eine lange Beziehung. 1999 ist er erstmals dort aufgetreten. Nach längerer Abstinenz liest er nun als Teil des Jubiläumsprogramms Auszüge aus Thomas Bernhards Roman "Alte Meister" - eben jenem Text, mit dem er sein Debüt im Haus 10 gegeben hat.

SZ: Herr Hunstein, Sie kennen das Haus 10 jetzt seit 17 Jahren. Was für eine Atmosphäre war das damals, als Sie zum ersten Mal hier waren?

Stefan Hunstein: Als ich damals dorthin gekommen bin, war das ja nicht nur eine Art botanischer, sondern auch - im positiven Sinn - kultureller Wildwuchs. Es gab keine richtigen Parkplätze, der Bach war noch nicht begradigt. Das ganze Areal hatte etwas poetisches. Bis es dann, sagen wir mal nach den Maßstäben von 'Unser Dorf soll schöner werden', hergerichtet wurde. Ich habe das als einen großen atmosphärischen Verlust empfunden. Ich hatte tolle Begegnungen dort, die ich nachhaltig in Erinnerung behalten habe und es sind Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen.

Die Atmosphäre damals war also poetisch. Und die kulturellen Angebote?

Auch das war etwas besonderes. Im Haus 10 wurden Ausstellungen gemacht, bei denen man sagen konnte, komm, die schauen wir uns heute Abend mal an. Immerhin liegt es ja für Leute wie mich, die nicht aus Bruck kommen, nicht gerade auf der Strecke. Aber die Veranstaltungen waren so interessant, dass man dafür eben mal raus gefahren ist.

Sie sind selbst bei einigen Veranstaltungen hier aufgetreten. Wie haben Sie sich als Künstler nach Bruck locken lassen?

Ich hatte beispielsweise eine Foto-Ausstellung im Lenbachhaus. Und dort hat mich Bruno Bader gefragt, ob ich meine nächsten Arbeiten nicht im Haus 10 zeigen möchte. Und weil in der Kultur ja vieles auch über das Persönliche läuft, habe ich gesagt, klar, warum nicht. Heute hat sich das etwas gewandelt, weil jeder nur noch ans Verkaufen denkt und alles danach ausrichtet. Das kam damals gar nicht in Betracht. Vielmehr hat man sich einfach mit den Dingen auseinander gesetzt. Mit Fragen wie 'Was kann Fotografie eigentlich' oder 'Wie ist der Blick auf die deutsche Geschichte' und so weiter.

Eine ganz andere Debattenkultur also.

Als ich 1979 zum Theater gekommen bin, ist man noch mit Lesungen nach Brockdorf gefahren, in der Hoffnung, dass mit Hilfe einer solchen Lesung die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Man hat wirklich geglaubt, man macht jetzt noch die Lesung und danach fängt die Revolution an. Dementsprechend war auch die Gesprächskultur eine ganz andere. Weil man immer mit Blick auf die Veränderbarkeit von Gesellschaft argumentiert hat. Heute glaubt ja - denke ich - keiner mehr an so etwas. Deshalb drehen sich die Gespräche heute mehr darum, ob einem der Auftritt oder Text gefallen hat und was interessant daran war.

Glauben Sie, dass wenigstens bei ihrer Lesung im Haus 10 wieder über die Gesellschaft diskutiert wird?

Ich hoffe doch. Ich bin ja auch älter geworden und kann mit dem Text vielleicht noch mehr anfangen als früher. Und ich denke, dass der Text mit seinem Witz, der Komik und Dramatik nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Stefan Hunstein liest aus "Alte Meister", Freitag, 24. Juni, von 20 Uhr an im Haus 10, Klostergelände Fürstenfeldbruck

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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