Fürstenfeldbruck:Künstlerische Spielwiese

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In ihren Fotos stellt Linhan Yu die schwächlich wirkenden Raumpflanzen im Pflegeheim den Wäldern in der Umgebung gegenüber (hinten). So wie sie, thematisieren die meisten Künstler in der Ausstellung das, was sie vor Ort erlebt und gefunden haben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Neun Kreative dürfen für jeweils neun Tage in einem Atelier in Marthashofen arbeiten. Die Ergebnisse sind nun in einer spannenden Ausstellung im Haus 10 zu sehen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Welch wunderbar gestalterische Kraft freigesetzt wird, wenn man jungen Künstlerinnen und Künstlern einfach nur einen Raum und Zeit gibt, und das auch noch in einer interessanten Umgebung, zeigt das Projekt "9 Tage. Schöpfung." des Kunsthauses Bella Martha in Marthashofen. Neun Kunstschaffende haben die Organisatorinnen jeweils für neun Tage in eines der Ateliers eingeladen, um dort zu arbeiten. Die Abschlussausstellung des Projekts, das von April 2019 bis März 2020 dauerte, musste coronabedingt verschoben werden. An diesem Freitag eröffnet sie in der Kulturwerkstatt Haus 10.

Das Spannungsfeld, in dem sich die Künstler in Marthashofen wiederfinden, fasst die Fotografin Tabita Hub zusammen, die im Juni 2019 das Stipendium bekommen hatte: "Zunächst widmete ich mich der Beobachtung des großflächigen Geländes. Vielleicht auch aus Unsicherheit vor der Begegnung mit den an Demenz erkrankten Menschen im Altenpflegeheim. Schließlich überwand ich meine Beklemmung, und in der Begegnung sah ich mich konfrontiert mit einer möglichen Zukunft, ein ähnliches Schicksal zu erleiden". Auf dem Gelände kommen die Künstler neben alten Menschen auch mit Menschen mit Behinderung und Kindern zusammen. Das Atelier, in dem sie arbeiten, ist zentral gelegen und durch zwei große Glasfronten gut einsehbar.

Hub hat die Kontraste, mit denen sie konfrontiert war, auf Abzügen aus einer Polaroid-Kamera festgehalten. Entstanden sind eindrucksvolle Aufnahmen, zwischen Erblühen und Altern, Vergehen und Vergessen. Eine der Arbeiten von Severin Geißler können die Besucherinnen und Besucher schon auf dem Weg zum Haus 10 entdecken. Überall auf dem Klostergelände stehen bemalte Holzpfosten, Wegweiser entlang eines unklaren Weges. "Inspiriert hat mich der Demenzgarten. Dort gibt es viele Blumen, und eine Mitarbeiterin hat mir erzählt, dass die Menschen dort auf die starken Farben reagieren." Diese Erfahrung wolle er auf das Klostergelände übertragen und den Besucher erfahren lassen, was die Farben, der Weg, das Gesamte in ihm auslösen.

In der Natur von Marthashofen hat Simon Mehling das Material für seine Installationen gefunden. Er beschäftigt sich in den Arbeiten mit der Frage, wie Architektur in Zukunft aussehen kann, umwelt- und umfeldverträglich. Seine Installationen aus Lehm, Beton, Ziegelsteinpulver, Metall und Holz dienen als Anregung, Ideengeber, Impulsgeber. "In meiner Familie arbeiten alle auf dem Bau", erzählt Mehling, daher sein im Kunststudium immer weiter wachsendes Interesse an Architektur. Ergänzt werden seine Installationen durch zugehörige Skizzen und Zeichnungen.

Mit dem Kontrast zwischen den eher schwächlichen Raumpflanzen im Pflegeheim und den üppigen Wäldern in der Umgebung beschäftigt sich Linhan Yu in ihren Fotografien, Clara Bellebaum bestellt in ihren Kunstwerken, Leben und Tod, jung und alt gegenüber, Shirley Cho arbeitet mit natürlichen Materialien, die sie bei täglichen Spaziergängen gefunden hat. Ebenfalls mit Naturmaterialien arbeitet Kathrin Lambert, die eine Klanginstallation unter anderem aus vertrockneten Gräsern, Laub und Tonziegeln geschaffen hat. In einer Performance hat sie unterschiedliche Klangstrukturen eingespielt, die sie später zu einem repetitiven Hörstück zusammengefügt hat. Mit unterschiedlichen Videoinstallationen arbeiten Annalena Maria Bichler, die Amper- und Ammerseereflexionen auf Reispapier projiziert und Tamara Malcher, die sich der Farbe Grün gewidmet hat.

Durch diese ganz unterschiedlichen Herangehensweisen, die Vielfalt in Technik und Themen entsteht so im Haus 10 eine künstlerische Spielwiese, die wohl einen guten Eindruck von der Atmosphäre schafft, unter der die Künstler in Marthashofen arbeiten. Da ist es eine gute Nachricht, dass das Projekt bald wiederholt werden soll.

Ausstellung "9 Tage. Schöpfung.", Kulturwerkstatt Haus 10, Vernissage an diesem Freitag, 19.30 Uhr, danach zu sehen Samstag und Sonntag, 24. und 25. Juli, jeweils von 10 bis 18 Uhr

© SZ vom 23.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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