Fürstenfeldbruck:Kontakt mit dem Unbekannten

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Schon die Kombination der Instrumente, Klarinette (Oliver Klenk) und Akkordeon (Kai Wangler) steht für ein besonderes Klangerlebnis. (Foto: Günther Reger)

Spannendes Konzert mit Neuer Musik im Haus 10

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

In diesen Tagen wird das 25-jährige Gründungsjubiläum der Kulturwerkstatt Haus 10 gefeiert. Natürlich steht dort die bildende Kunst im Vordergrund, doch hat sich seit ein paar Jahren auch die Musik als zartes Pflänzchen "eingeschlichen". Nikolaus Brass, renommierter Komponist aus Schöngeising und der Kulturwerkstatt Haus 10 von Anfang an verbunden, war der Initiator dieses musikalischen Pendants. In seinen Begrüßungsworten beim 12. Werkstattkonzert fand er treffende Worte, was die Situation der zeitgenössischen Musik anbelangt: Von "Neuer Musik" spricht man seit etwa einhundert Jahren, und die Musik von damals gilt heute noch immer als neu, weil sie unvertraut ist. Wie in einer Liebesbeziehung muss das Unvertraute allmählich vertraut werden, indem man sich ihm annähert, was dadurch geschehen kann, dass man eine Komposition mehrmals hört und sie so kennenlernt. Das Publikum bei diesem Werkstattkonzert war zum größten Teil den Freunden von Haus 10 zuzuordnen, bestand also aus Menschen, deren Neugier sich nicht nur auf neue Kunst, sondern auch auf neue Musik bezog. Die gespielten Werke entstanden kurz vor und nach der Jahrtausendwende.

Als Interpreten waren der Klarinettist Oliver Klenk und der Akkordeonist Kai Wangler zu Gast. Diese ungewöhnliche Instrumentenkombination zog quasi automatisch bislang unbekannte Klangkombinationen und Farbschattierungen nach sich, insbesondere auch deshalb, weil beide Musiker ihre Instrumente bis in ihre Randbereiche zum Erklingen brachten. Das erste Stück, "Figura III" von Matthias Pintscher, war nur für das Akkordeon geschrieben. Der Titel bezieht sich auf die Kunst des Schweizer Bildhauers und Malers Alberto Ciacometti und dehnt das Klangspektrum bis an die Grenzen des Hörbaren aus. Wie fast alle Werke in diesem Konzert zeichnete auch dieses eine große Sparsamkeit in der Verwendung des musikalischen Materials aus. So stand ein Einzelton in ganz unterschiedlichen Qualitäten am Anfang, fast so, wie wenn er von allen Seiten beleuchtet würde. Bei zwei Tönen entwickelte sich dann ein dynamischer Bogen, der durch die Vibration im Klang eine besondere Vitalität erhielt. Erst allmählich formte sich aus den Tönen ein Motiv, sozusagen eine Figur, die verschiedenen Wandlungen unterzogen wurde. Gegen Ende weitete sich der Klangraum durch profunde Töne in der Tiefe und eine sehr schrille Tonqualität in der Höhe, die nach und nach eingekreist wurde.

Das nächste Stück, "Music for numbers" von Nikolaus Brass, war in einer Uraufführung der Fassung für Klarinette und Akkordeon zu hören. Vom Klangeindruck her untermauerte Brass hier, was er zu Anfang mit Worten formuliert hatte: Sein Stück lebt von Wiederholungen und Wiederaufnahmen kleinster Partikel, so dass sich beim Hörer bereits mit dem letzten Ton eine Art Vertrautheit einstellen konnte. Dabei war der Verlauf dennoch nie berechenbar, weil klangliche Eruptionen oder als Impulse wahrgenommene Töne das Geschehen nachhaltig bereicherten. Eine besondere Bedeutung kam dem Gegensatzpaar Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit zu, weil damit das Miteinander der beiden Instrumente vielleicht am genauesten beschrieben werden kann.

Die sieben Bagatellen mit Apotheose der Glasharmonika für Bassklarinette von Matthias Pintscher wurden gleichsam zu einer Lehrstunde für dieses selten solistisch zu hörende Instrument. Manchmal schien es, als ob der Ton quasi ein Zufallsprodukt des hörbaren Luftstroms sei. Eine Vermischung von Tönen der Stimme und solchen des Instruments Klarinette begegnete der Zuhörer schließlich in dem Stück "Vox" von Uros Rojka.

Es war höchst beeindruckend, mit welcher Konzentration sich die Zuhörer von den Musikern auf die spannende Reise in unbekannte musikalische Gefilde mitnehmen ließen. Der Beifall am Ende verriet, dass sie es als große Bereicherung wahrgenommen hatten.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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