Umwelt und Natur:Weide, Blumenwiese, grünes Dach

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Die Fahrradtour des Fürstenfeldbrucker Umweltbeirats führt zu markanten Stationen. Dort wird klar, was Bürger, Unternehmer und Kommunen für Klima- und Artenschutz tun können - und was gründlich schief gehen kann

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es gibt Vorbilder und es gibt abschreckende Beispiele, so ist das auch in einer Kreisstadt wie Fürstenfeldbruck, wenn es um den Bereich Umweltschutz, Klimaschutz und Artenschutz geht. Und es gibt Zukunftsprojekte, bei deren Gestaltung man noch rechtzeitig seine Lehren daraus ziehen kann. Der Brucker Umweltbeirat schwingt sich jüngst gemeinsam mit Politikern, darunter Zweiter Bürgermeister Christian Götz, und Bürgern in den Fahrradsattel und besucht jenseits grauer Theorie Orte, die im besten Sinne erklärungsbedürftig sind. Das Spektrum reicht vom ziemlich vorbildlichen Gewerbebau über "Naturflächen", die diesen Namen nur bedingt verdienen, bis hin zur Vision für die Gestaltung der Lände.

Der Wertstoffhof

Umweltbeirat Felix von Nolting vor dem Wertstoffhof. (Foto: Stefan Salger)

Startpunkt für die thematische Radtour mit etwa 30 Teilnehmern ist der Große Recyclinghof des Landkreises. Flankiert von Georg Tscharke, dem Vorsitzenden des ehrenamtlichen und mit sieben Fachleuten besetzten Gremiums, skizziert der auf Altlasten spezialisierte Bodenexperte Martin Hickenreiner die Eckdaten des landkreisweiten Müllkonzepts. 1200 Anlieferungen an einem durchschnittlichen Samstag belegen, dass dieser Ort im Gewerbegebiet Hasenheide sehr vielen Bruckern bestens bekannt ist, die dort Sperrmüll, aber auch Verpackungen oder Altglas loswerden wollen. Ziel bei der Entsorgung ist eine Art Hierarchie: Am besten Müll vermeiden, ansonsten wiederverwenden, recyceln, thermisch verwerten. Nur als Notlösung bleibt sodann die Deponierung beispielsweise von Straßenbelägen oder asbesthaltigem Bauschutt. Zum Recyceln abgegeben werden Höckenreiner zufolge im Landkreis etwa 66 Prozent, wirklich wiederverwendet werden aber wohl eher um die 50 Prozent. Im Landkreis gebe es wegen des Bring-Systems relativ niedrige Müllgebühren. Wie teuer es wird, Folgekosten zu unterschätzen, das sehe man, wenn die "Sünden der Siebzigerjahre" zum Vorschein kommen. Immerhin spielt die Recyclingfähigkeit bei der Produktion heute eine größere Rolle. So weist die Brucker Umweltreferentin Alexa Zierl darauf hin, dass moderne Solarzellen heute kaum noch Schadstoffe und Seltene Erden enthalten und die Kosten der Entsorgung bereits im Kaufpreis enthalten sind.

Der Öko-Unternehmer

Das begrünte Dach der Firma Sykam bei einer Feier 2015.

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(Foto: privat)

In den Sträuchern des Unternehmers Karl-Heinz Jansen finden sich die seltenen Roten Mauerbienen.

Stellvertretender Vorsitzender des Umweltbeirats ist Karl-Heinz Jansen. Der Unternehmer versucht, mit gutem Vorbild voranzugehen. Beim Besuch seiner Firma Sykam, die Messtechnik für Wasser- oder Luftanalysen herstellt und vertreibt, wird dies deutlich. Vor fünf Jahren hat der Fürstenfeldbrucker den Bereich für Forschung und Entwicklung vom Hauptsitz in Eresing in seine Heimatstadt verlegt. Das Niedrigenergiehaus mit seinen 900 Quadratmetern Nutzfläche im Gewerbegebiet Hasenheide wird mit Grundwasser gekühlt und mit Wärmepumpen beheizt. Teile des Dachs sind begrünt. Das Beste: Dies alles rechnet sich, die umweltfreundliche Technik habe sich nach drei Jahren amortisiert - und auf dem Dach wird schon mal gefeiert. Auch die Nachbarbetriebe haben längst erkannt, dass sich Klimaschutz rechnet: auf den meisten Flachdächern finden sich Solarzellen. Jansen hat noch ein großes "Steckenpferd": In den Johannisbeersträuchern und speziellen Nisthilfe-Kästen leben vom Aussterben bedrohte, wild lebende Rote Mauerbienen. In einem Beet hat Jansen eine kleine Blühwiese angesät. Langfristig soll auch der von einer Teilnehmerin der Radtour angesprochene kurz geschnittene Rasen rund um das Firmengebäude einer naturnäheren Bepflanzung weichen. Insgesamt freilich ändert dies nach Auffassung von Thomas Brückner, BN-Mitglied und Sprecher des Verkehrsforums, nichts daran, dass es die Stadt versäumt habe, im Gewerbegebiet für mehr Grünstreifen zu sorgen.

Der Biobauer

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(Foto: Stefan Salger)

In dem mobilen Hühnerstall des Biolandhofs in Puch wohnen 220 frei laufende Hennen und mehrere Hähne.

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(Foto: Stefan Salger)

Die Biobauern Markus und Ingrid Britzelmair mit ihrer Tochter Anna beim Entnehmen von Eiern.

Der Weg zum Biobauernhof Britzelmair im Ortsteil Puch führt am malerischen Lindach entlang durch eine schöne, wenn auch durch die Gebietsreform ausgeräumte und flächenoptimierte Landschaft. Zu überwinden gilt es auf Höhe der Kaisersäule zunächst die Bundesstraße 2. Nicht nur hier zeigt sich, dass die Radfahrer noch zu oft im Schatten der Autofahrer stehen. Umweltbeiratsmitglied Felix von Nolting bedauert denn auch, dass die Stadt bei der Radwegplanung eigene Wege geht, was einem landkreisweiten Fahrradkonzept aus einem Guss nicht dienlich sei.

Ein paar Meter weiter kräht der Hahn quasi als Wiedergutmachung. Auf der Wiese steht der mobile Hühnerstall, davor blicken dem Fahrradkonvoi 220 Tiere neugierig entgegen. Nur den fünf misstrauischen Hähnen, die es bei Bedarf schon mal aufnehmen mit Fuchs oder Habicht, schwillt ob der möglichen Nebenbuhler der Kamm. Markus Britzelmair steigt vom Fahrrad, zu ihm gesellen sich zwei Fußgänger: seine Frau Ingrid und die fünf Jahre alte Tochter Anna. 2016 haben die Britzelmairs den Hof auf Bio umgestellt. Die Rinderhaltung lässt sich nur schwer mit den Bioland-Auflagen vereinbaren. Deshalb gibt es bislang auf den 80 Hektar vor allem Ackerbau und eben die Hühnerhaltung auf wechselnden Weideflächen. Mit 16 Wochen kommt das Federvieh der Rasse Lohmann-Brown und führt gut ein Jahr lang ein augenscheinlich glückliches Leben. Suppenhühner dürfen länger legen und leben. Verkauft wird vor allem ab Hof, aber auch über den Regionalvermarkter Brucker Land. In den nachfrageschwachen Sommerferien lassen sich nicht genügend Eier an den Kunden bringen, dann werden Nudeln hergestellt. Chemische Mittel sind tabu, der Boden wird, auch mit Hilfe von Annas Großeltern, mit Maschinen oder auch per Hand bearbeitet. 200 bis 300 Arbeitsstunden kommen da auf einem Hektar mit Zuckerrüben schnell zusammen. Angebaut werden zudem Weizen, Dinkel sowie Roggen, nächstes Jahr soll Bio-Soja hinzukommen. Zu kämpfen hat die Familie vor allem mit den Krähen, die sich über den Mais hermachen. Für ihn habe sich die Umstellung bewährt, sagt Markus Britzelmair. Für eine flächendeckende Bio-Erzeugung in ganz Bayern sei der Markt aber noch nicht groß genug. Der Verbraucher habe es in der Hand, das zu ändern. Etwa, indem er erkennt, dass man für die 40 Cent pro Bio-Ei auch ein deutliches Plus an Qualität und Geschmack bekommt. Auch Staat und Kommunen sieht Markus Britzelmair in der Pflicht. Sie sollten sicherstellen, dass ihre eigenen Flächen biologisch bewirtschaftet werden.

Die Pseudo-Ausgleichsfläche

Die Wiese im Schatten der Pfarrkirche Sankt Sebastian zeigt, wie eine Ausgleichsfläche gewiss nicht aussehen sollte. (Foto: Stefan Salger)

Etwas weiter im Süden findet sich eine Fläche, die eigentlich gar nicht bewirtschaftet und nur zweimal im Jahr gemäht werden dürfte - erst nach dem Samenflug. Der parallel zur Straße Zur Kaisersäule verlaufende Streifen ist explizit als Ausgleichsfläche ausgewiesen - für eine andernorts erfolgte Bebauung. Der Pächter des Areals düngt und mäht aber offenbar regelmäßig und vertragswidrig, von einer naturbelassenen Fläche kann also nicht die Rede sein. Sanktionen habe er kaum zu befürchten, obwohl sie den Fall der Stadt bereits gemeldet hat, bedauert Holde Tietz-Härtl, stellvertretende Vorsitzende der Brucker Bund-Naturschutz-Ortsgruppe. Streng genommen müsste man den Boden dort sogar austauschen, pflichtet Zweiter Bürgermeister Götz bei. Tietz-Härtl sieht freilich auch die Stadt in der Pflicht, der Natur mehr Raum zu geben. So werde auf städtischen Flächen am Hagebaumarkt offenbar bis zu zehn Mal pro Jahr gemäht - und statt der dort vorgeschriebenen Pflanzung von Hecken gebe es dort nur ein paar "Bonsaibäumchen". Gleichermaßen "traurig" findet die Umweltpädagogin den Zustand der verbliebenen Wiese neben dem Neubau der Stadtwerke, die Bestandteil eines in west-östlicher Richtung verlaufenden Grünzugs ist. Ein kleiner Bereich wurde durch das Befahren von Baufahrzeugen wohl unwiderruflich geschädigt. Und der auf Infotafeln gepriesene "Lebensraum Blumenwiese" mit 37 seltenen Pflanzen, darunter Wilde Möhre oder Thymian, ist wegen der vielen Hundehaufen in Gefahr. Die Stadt behandle und pflege diese Ausgleichsfläche falsch, findet Tietz-Härtl. Und das in einem Landkreis, der in puncto Versiegelung bayernweit hinter Neuulm und München auf dem dritten Platz liege. Felix von Nolting bietet der Politik an, bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das gilt auch für das neben der zivilen Umplanung des Fliegerhorsts größte Projekt der Stadt: die Bebauung der Lände.

Das Filetgrundstück

Die Hundewiese neben den Stadtwerken als Lebensraum für Blumen. (Foto: Stefan Salger)

Das Areal in der Innenstadt gilt als Filetgrundstück. Bei den Planungen für die Neubebauung nach dem Abzug der Stadtwerke plädiert von Nolting dafür "die Bürger unbedingt mit ins Boot" zu holen. Die Politiker Andreas Lohde (CSU), Klaus Wollenberg (FDP) und Alexa Zierl (Die Partei und Frei) sichern zu, sich ebenfalls dafür einzusetzen. Weil die Stadt bis 2050 CO₂-neutral sein soll, will die überzeugte Fahrradfahrerin Zierl Autos und Lastwagen so weit wie möglich aus dem Gebiet heraushalten. Hier ist ein möglicher Standort für eine Mobilitätsstation, mit der das Teilen von Fahrzeugen aller Art gefördert werden kann. Und die historischen Gebäude solle man statt Styropor lieber mit Naturprodukten wie Stroh dämmen. Kulturreferent Klaus Wollenberg wünscht sich hier ein für junge Menschen attraktives "Kreativquartier" mit innovativen Betrieben - gerne aus den Bereichen Software/Computerspiele oder Design/Werbung. Eine solche Nutzung bringe Gewerbesteuer und lasse sich mit dem Wohnen gut vereinbaren.

CSU-Fraktionschef Andreas Lohde könnte sich dies ebenfalls gut vorstellen. Den Verein Subkultur will er im Alten Schlachthof halten, das Gebiet durch Brücken und Uferzugänge erlebbarer machen. Er hofft, dass in zehn Jahren alles fertig ist. Mit Blick auf die Kosten der Bauhofauslagerung an die Landsberger Straße macht Lohde klar, dass das Projekt aber mit Hilfe der Erlöse zu finanzieren ist. Und wenn beispielsweise der Streusalzsilo des Bauhofs zu marode ist, dann solle dieser gleich am neuen Standort errichtet werden.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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