Ausstellung im Haus 10:Klassische Straßenfotografie trifft experimentelle Technik

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Eine Ausstellung im Haus 10 zeigt aufregende schwarz-weiß Fotografien von zwei jungen Brucker Fotografen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Fotografien von Andreas Ritzinger leben vom Augenblick. Es sind spontane Schnappschüsse, keine durchkomponierten Werke. Und sie erzählen Geschichten von anderen Kulturen, der Sehnsucht nach Ferne. Und sie weiten den Blick des Betrachters, lehren ihn, sich auf dieses Fremde einzulassen. Simon Gehrig dagegen versteht es, seine weiblichen Modelle perfekt in Szene zu setzen und dabei Sehgewohnheiten aufzubrechen. Verbunden werden die Werke der beiden jungen Brucker Fotografen dadurch, dass sie durchweg schwarz-weiß sind - was sie wie unverrückbare Dokumente erscheinen lässt, die keinen Zweifel an ihrer Bedeutung zu lassen. Zu sehen sind sie in der Ausstellung "Fade to grey", die von diesem Freitag an auf Initiative der IG Kultur im Haus 10 auf dem Klostergelände zu sehen ist.

Ein Großteil der Bilder von Andreas Ritzinger ist auf mehreren Reisen durch Asien entstanden. Sie zeigen eine Welt, die oft ganz anders daherkommt, als man es hier gewohnt ist. Ritzinger selbst spricht davon, sich manchmal wie auf einem anderen Planeten gefühlt zu haben. Dazwischen sind aber immer wieder Werke zu sehen, die Gewohntes in dieser ungewohnten Umgebung zeigen, etwa einen Zebrastreifen oder ein Münztelefon. Für den 28-Jährigen ist eben jenes Telefon mitten in Tokio vor allem ein Anachronismus. "Dort nutzen die Menschen noch viel stärker als hier Smartphones. In der U-Bahn hat eigentlich jeder ständig so ein Gerät in der Hand, vom Vierjährigen bis zum Senioren. Die Telefonzelle hat auf mich deshalb wie ein Relikt aus einer anderen Zeit gewirkt." Die Nihombashi-Brücke verbindet wie vielleicht kein zweites Bauwerk in Japan für den Zusammenprall zwischen Moderne und Tradition. Die 1911 erbaute Steinbrücke - sie ist die zwanzigste Version, der erste Übergang an dieser Stelle wurde 1603 errichtet - muss bei ihrer Entstehung ein imposantes Bauwerk gewesen sein und ist bis heute der Referenzpunkt für Entfernungsangaben aus Tokio. Zu sehen bekommt man sie nur noch aus wenigen Perspektiven, denn direkt über der Brücke verläuft heute eine mehrspurige Autobahn.

Im Zentrum der Werke von Simon Gehrig stehen junge Frauen. Auch wenn ihre Schönheit auf allen Bildern stets zu sehen ist, rückt der Künstler die Weiblichkeit doch konsequent in den Hintergrund und nutzt die Körper als Projektionsfläche für seine eigentlichen Ideen. Mehrere Studien von Körperdetails - ein Schultergürtel, die Seitenansicht eines Oberkörpers, eine mit der Hand verdeckte Scham - verschwimmen durch den geringen zu fragilen grauen Flächen, die sich dagegen wehren, vom schwarzen Hintergrund verschlungen zu werden. Sprichwörtlich zur Leinwand macht der 29-Jährige vier Gesichter, auf denen Augen, Nase und Mund nur leicht durchschimmern, während ein Naturfoto den Vordergrund bildet. Entstanden sind die Bilder durch Doppelbelichtung. Gehrig hat zuerst die Frauen und dann auf das selbe Bild noch einmal die Landschaft fotografiert. Dabei die Motive perfekt übereinander zu bekommen, benötigt Geduld, Geschick und viele Versuche. Mühe, die sich lohnt, die entstandenen Kunstwerke sind etwas ganz neues, etwas, was alte Sehgewohnheiten völlig über den Haufen wirft. Dank der beeindruckenden Umsetzung dieser Idee verschwimmen Grenzen. Löwenzahnsamen werden zu Haaren, Blütenknospen zu Pupillen.

Die Kombination aus klassischer Straßenfotografie und experimenteller Technik wirkt auf den ersten Blick willkürlich. Auf den zweiten Blick jedoch entsteht so ein hochinteressantes und inspirierendes Spannungsfeld.

Ausstellung "Fade to grey", mit Fotografien von Simon Gehrig und Andreas Ritzinger, im Haus 10. Vernissage am Freitag, 7. August, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen vom 8. bis 23. August, jeweils Samstags und Sonntags von 12 bis 18 Uhr. Am Samstag, 8. August, findet außerdem von 20 Uhr an der "Brucker Openair Slam" statt, bei dem acht Poetryslammer gegeneinander antreten. Bei gutem Wetter findet die Veranstaltung hinter der alten Schmiede statt, bei schlechtem Wetter im Haus 10.

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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