Fürstenfeldbruck:Kinderpornos im Zwischenspeicher

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Amtsgericht setzt Verfahren aus und gibt Gutachten in Auftrag

Können kinderpornografische Darstellungen auf einem Rechner gespeichert werden, obwohl der Nutzer nur legale Pornos geschaut hat? Diese Frage soll nun ein Gutachten klären. In Auftrag gegeben hat es ein Richter am Amtsgericht in Fürstenfeldbruck, nachdem sich ein 67 Jahre alte Angeklagte in einer Verhandlung wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften zu einer derartigen Erklärung verstiegen hatte. Allerdings wirkte diese Behauptung schon im Gerichtssaal etwas dünn. Bereits ein Jahr zuvor hatte der Mann laut Anklage über einen Nachrichtendienst strafrechtliche relevante Bilder von Minderjährigen verschickt, auch daran konnte er sich nach eigenen Angaben nicht mehr so richtig erinnern.

Zwei Taten legt die Staatsanwaltschaft dem Rentner aus Fürstenfeldbruck also zur Last: Zum einen soll er zwischen Oktober und Dezember 2016 über einen Nachrichtendienst Foto- und Videodateien mit kinderpornografischen Inhalten verschickt haben. Zum anderen fanden die Ermittler im so genannten Cache-Speicher, einem Speicherelement zwischen Zentraleinheit und Arbeitsspeicher, drei Dateien mit vergleichbaren Inhalten. Deshalb sitzt der 67-Jährige am Donnerstag wegen des Besitzes, Besitz-Verschaffens sowie des Verbreitens kinderpornografischer Schriften auf der Anklagebank.

Der Rentner nimmt eine ablehnende Haltung ein, scheint der Anklage widersprechen zu wollen. Doch dann räumt er ein, sich dunkel erinnern zu können, irgendwann einmal irgendjemandem ein Foto geschickt zu haben. "Aber ich weiß nicht, was für ein Foto und ich weiß nicht, wie der Mann heißt." Es sei eines Abends gewesen, als er sich gelangweilt habe und er auch schon einiges getrunken hatte. Überhaupt interessiere er sich nicht für Kinderpornos, schließlich habe er selbst vier Kinder, beteuert der Fürstenfeldbrucker seine Unschuld.

Richter Johann Steigmayer fragt den Senior, wie denn die illegalen Bilder in den Cache-Speicher gelangt sein könnten. Von denen wisse er gar nichts, erwidert der Gefragte. Worauf ihm der Vorsitzende ein weiteres Indiz vorhält: "Ich suche nach Videos mit sehr jungen Mädchen zwischen zehn und 16 Jahren." Ob er denn erklären könne, wie dieser von ihm verfasste Satz in dem Dialog mit dem unbekannten Mann gelangt sei, fragt Steigmayer. Das sei bloß ein Witz gewesen, erwidert der Angeklagte. Und sein Verteidiger beeilt sich, darauf hinzuweisen, dass die illegalen Bilder nicht heruntergeladen wurden. Sie könnten in den Cache-Speicher gelangt sein, als sein Mandant ganz legale erotische Darstellungen angeschaut habe, argumentiert er.

Dieser Argumentation kann der Richter nicht folgen. Einerseits soll der Angeklagte legale Pornos angesehen haben, andererseits einen sehr fragwürdigen Witz gemacht haben? Das wirke nicht stimmig auf ihn, erklärt Steigmayer. Und verkündet, die Frage, ob strafrechtlich relevante Dateien quasi aus Versehen auf einem Rechner landen können, von einem Experten klären zu lassen. Bleibt abzuwarten, ob so eine Untersuchung den Angeklagten entlasten kann. Denn wie der Richter anmerkt, haben die Ermittler früher in dem Chat den Namen des angeblich unbekannten Chatpartners gefunden.

© SZ vom 08.06.2018 / alin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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