Fürstenfeldbruck:Junge Systemkritik

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Mit Blaumann und Partyhütchen wird das System hinterfragt. (Foto: Günther Reger)

Das Theater 4 hat eine kluges Stück geschrieben und inszeniert

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Viel Theater auf den Bühnen gab es seit Beginn des ersten Lockdowns nicht zu sehen im Landkreis. Eine Inszenierung allerdings hat es während der kurzen Lockerungsphase im Juli doch gegeben. Und es war ein gewaltiges Stück, mit dem das Nachwuchsensemble Theater 4 damals kurzzeitig das Vakuum füllen dürfte. "Sagen wir jetzt nichts" ist die Bühnenwerdung der jungen Kapitalismuskritik, die vor dem Lockdown regelmäßig für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gegangen ist. Diskutiert werden Klimaschutz, Emanzipation, Ungerechtigkeit, Schuld, Moral, das Recht auf bewusstes Nicht-Gut-Sein.

Entstanden ist die Inszenierung komplett unter Corona-Bedingungen. Vier Tage lang haben sich das Ensemble und die Regisseurin Katharina Holzhey in eine Einzimmerwohnung in den österreichischen Alpen zurück gezogen und gemeinsam an ihrer fundamentalen Systemkritik gearbeitet.

"Dass Corona für viele Menschen großes Leid bedeutet, darf nicht abgestritten werden. Selbst dann nicht, wen man Corona - wie wir - auch als Chance begreift. Als Ausnahmezustand, der uns aus unserer Komfortzone locken kann, der dazu anregen kann, über das Gegebene hinauszudenken und der uns Zeit gibt, um die Geschwindigkeit zu überdenken, mit der wir denken, unser Leben leben zu müssen", sagt die 22-jährige Regisseurin Holzhey. "Genau diese Chance durch Corona, die alle negativen Auswirkungen nicht hinwegsynthetisieren kann, wollten wir nutzen. Denn es ist gerade genau die richtige Zeit, um unangenehme Fragen zu stellen".

Diese Chance hat das Stück durchaus mit dem richtigen Ton genutzt. Weil es kein vorwurfsvoll-moralistischer Vortrag ist, kein "Wir sind die Guten und ihr die Bösen". Das Ensemble hat es sich nicht so leicht gemacht, einfach eine utopisch-naive Lösung anzubieten und dann einen Weg dorthin zu konstruieren. Vielmehr stehen die eigenen Positionen, das eigene Verhalten, die eigene Rolle im System genauso zur Diskussion wie die Kritik an den Verhältnissen.

Verbunden sind die Ernsthaftigkeit und Schwere des Themas mit einer großen Spielfreude auf der Bühne. Die Schauspieler Adula Kohns, Tim Golling, Lena Sammüller, Titus Weber und Marleen Uebler toben, schreien, schmollen und powern sich auf den Fitnessgeräten aus, die das Bühnenbild bilden.

Gegründet worden ist das Theater 4 2019 als Nachwuchsensemble des Theater 5, das seit mittlerweile 40 Jahren in Fürstenfeldbruck besteht. "Es ist natürlich toll, sich da quasi ins gemachte Nest setzen und die Strukturen und Connections nutzen zu können", sagt Holzhey. Als nächstes möchte sie mit ihren Schauspielern ein Filmprojekt umsetzen. Es soll ein Film über "Jugend und Haltlosigkeit und den generellen Mechanismus von Ideologien" werden. Den würde sie dann am liebsten direkt im Brucker Lichtspielhaus zeigen.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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