Fürstenfeldbruck:Irrweg eines Mobbingopfers

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Aussteiger aus der rechten Szene besucht Gymnasium

Von Luca Thiel, Fürstenfeldbruck

"Magnum, Uzi, Pumpgun", und damit auf an den Schießstand nach Tschechien. Nach der erfolgreichen Rekrutierung waren wöchentliche Schießübungen Pflicht für die Truppe der rechten Szene. Flugblätter verteilen, um für die NPD zu propagieren, antisemitische Schulungen und Seminare besuchen oder einfach Ausländer und Antifaschisten provozieren. Für Andreas zählten diese Aktivitäten fast zehn Jahre lang zu seiner Freizeit. Meistens bekleidet mit seiner Bomberjacke, Springerstiefeln und einem T-Shirt, das eine eindeutige Stellungnahme zur Nazi-Ideologie zeigt. An diesem Donnerstag sieht Andreas, aus dem Osten Deutschlands, anders aus. Normal gekleidet, dazu aber noch Sonnenbrille im Gesicht und die Kappe auf dem Kopf, um seine Identität zu verbergen und damit zu wahren. Deserteure wie er seien "schlimmer als die Feinde".

Als Aussteiger aus der rechten Szene erzählt er den 80 Brucker Schülern und deren Lehrern von seinen Erlebnissen und Erfahrungen innerhalb dieses radikalen Verbands. Organisiert wurde sein Vortrag vom Viscardi-Gymnasium als Fortsetzung des "Aktionstags gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit". Unterstützt durch Peter Bühl von der " Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus" berichtet Andreas von den Anfängen, dem Verlauf und dem Ende seiner Laufbahn als Mitglied der Szene. Mit elf Jahren boten ihm die bereits in der Szene integrierten Schüler seiner damaligen Schule Schutz vor Mobbern, die ihn wegen seiner guten Noten hänselten. Er musste sich der Gruppe seiner Helfer anschließen, um zukünftigen Mobbingattacken zu entgehen. Dafür erhielt er kostenlose T-Shirts, Aufkleber und die sogenannte Schulhof CD, die extra für die Rekrutierung ausgewählte Songs einiger radikaler Bands enthielt. Andreas blieb keine andere Wahl, als alle sozialen Kontakte abzubrechen, vor allem die zu ausländischen Freunden.

Außerdem durfte er nicht in Kontakt mit jenen treten, die die ideologischen Ansichten seiner "Kameraden" in Frage stellten. Rechtsradikale Konzerte im Ausland mit manchmal tausenden Anhängern oder Treffen auf Demonstrationen wurden "durch Drogen- und Waffenverkauf, Alt-Nazis und (über-)regionale Unternehmen" finanziert. Andreas hatte keinen Ansprechpartner außerhalb der Gruppe, selbst mit den Eltern hatte er den Kontakt beendet und vernachlässigte somit jeden Gedanken des Zweifelns. Bis zu dem Tag, als die Polizei um sechs Uhr morgens vor seiner Tür stand, bereit für eine Hausdurchsuchung. Er wurde angezeigt wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Er beschloss sich zu distanzieren und brauchte drei Jahre, bis er vollständig vor Beobachtungen und Drohungen seiner Ex-Kameraden Ruhe hatte.

Trotzdem kommt es vor, dass Andreas in seinem Heimatort auf ehemalige "Freunde" trifft, die ihn noch bedrohen. Seine Eltern unterstützen ihn, außerdem meldete er sich beim bayerischen Aussteigerprogramm an und verarbeitet seitdem seine Erfahrungen, auch indem er an Schulen von seinem Leben in dem rechtsextremen Milieu erzählt. Er findet: "Die Schüler müssen aufgeklärt werden, sonst gehts so negativ aus wie bei mir."

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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