Fürstenfeldbruck:In der Seele des Mörders

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Friedrich Ani (links) und Franz Dobler bringen den Besuchern die düstere Welt des Krimi-Noir näher. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Gelungene Hommage an den Krimi-Noir-Pionier Jim Thompson

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Mitte der Zweitausender-Jahre veröffentlichte der Autor Jeff Lindsay seine ersten "Dexter"-Romane. Wenig später adaptierte das Fernsehen seine Idee und machte daraus das gleichnamige Seriendrama, das acht Staffeln lang erfolgreich lief. Was die TV-Macher faszinierte, war das Doppelleben von Lindsays Titelfigur, aus deren Sicht die ebenfalls acht Bücher erzählt werden: Dexter Morgan arbeitet für die Polizei in Miami als Blutspurenanalytiker. Außerdem ist er ein Serienkiller, der in seiner Freizeit seine Mordlust an Verbrechern stillt, die den Fängen seiner Arbeitgeber entgangen sind. Jener Erzählperspektive ist es maßgeblich zuzuschreiben, dass man als Leser oder Zuschauer auf Dexters Seite, der Seite des Täters, steht. Skandalös fanden das einige Kritiker.

Dabei war dieses Vorgehen überhaupt nichts Neues. Das wissen Besucher der Reihe "Literatur in Fürstenfeld" spätestens seit dem Vortrag von Friedrich Ani und Franz Dobler. Denn die beiden Schriftsteller, die selbst Krimiautoren sind, setzten sich im Veranstaltungsforum unter anderem mit diesem literarischen Kniff auseinander. Doch waren es nicht Jeff Lindsays Bücher, die den Anlass für die Lesung boten. Im Fokus der Veranstaltung standen die Arbeiten des 1977 verstorbenen Krimi-noir-Pioniers Jim Thompson, der seine Romane bereits ein halbes Jahrhundert vor "Dexter" aus der Perspektive des Mörders schrieb.

Fast pünktlich zu Thompsons 40. Todestag im April sollte der Abend auch eine Hommage sein. Ani und Dobler eint die Faszination für das Werk des US-Amerikaners, der zeitlebens mit gesundheitlichen Schicksalsschlägen und Konflikten mit dem Gesetz zu kämpfen hatte. Friedrich Ani hat ein Nachwort zu Thompsons "Südlich vom Himmel" verfasst. Franz Dobler hat den Roman "Fürchte den Donner" ins Deutsche übersetzt. Und noch etwas qualifiziert die beiden, Texte aus dem Noir-Genre, jener düsteren Untergattung der Vierzigerjahre-Kriminalliteratur, vorzulesen: Mit ihren kratzigen Stimmen und dem trockenen Humor könnten sie selbst jener Welt entsprungen sein.

Besonders Franz Dobler wirkt im Halbdunkel mit seinem Oberlippenbart und den nach hinten gegelten Haaren wie ein Gangsterboss à la "Der Pate". Er liest aus seiner eigenen Übersetzung des Frühwerks "Fürchte den Donner" sowie aus Thompsons vor einigen Jahren verfilmtem Krimi "The Killer Inside Me". Letzterer, der 1952 erschien, gab der Veranstaltung in Fürstenfeld ihren Titel. Friedrich Ani trägt Ausschnitte aus "1280 schwarze Seelen" und "In die finstere Nacht" vor. Die Interpretationen beider Autoren transportieren die rauchig-verruchte Südstaaten-Atmosphäre der Szenerien treffend. Auf Dauer wirken sie allerdings etwas einschläfernd, was jedoch auch schlichtweg auf Thompsons eher unaufgeregten Erzählstil zurückzuführen ist und nicht auf die beiden Vortragenden.

Einen Einblick in die Kernthemen des Krimi noir erlauben die ausgewählten Szenen durchaus. In jeder trifft man auf gescheiterte Existenzen, auf niedere Fantasien, auf Sex und Gewalt, sei sie emotional oder körperlich. Außerdem treffen Mann und Frau aufeinander. Die misogynen Protagonisten, aus deren Sicht Thompson erzählt, haben eine verkorkste Vorstellung vom Mannsein. Sheriff Nick Corey will seine Rechte als Verheirateter einfordern, von einer Frau, die er nicht leiden kann. Der Auftragsmörder Carl Bigelow hat für die Gattin seines nächsten Opfers zunächst nur Geringschätzung übrig. Und der Texanische Sheriff Lou Ford schlägt eine Prostituierte halb tot, was der Beginn einer leidenschaftlichen Affäre ist. Im Geheimen ist der Gesetzeshüter ein Frauenkiller. Es wäre durchaus möglich, dass Thompson gerade mit der Figur des Ford auch als Inspiration für Jeff Lindsays Dexter gedient hat.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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