Fürstenfeldbruck:In der Ablehnung des Putsches vereint

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Regelmäßig wird offenkundig, dass Türken auch ihre Kultur mitbringen, zum Beispiel beim Tag der offenen Moschee an der Zadarstraße in Bruck. (Foto: Günther Reger)

Im Landkreis lebende Türken sind erleichtert, dass der Aufstand des Militärs in ihrem Heimatland gescheitert ist. Zugleich wollen sich aber gerade Geschäftsleute nicht zur Politik des Präsidenten äußern - aus Furcht vor Repressalien der Erdŏgan-Anhänger

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Im Landkreis Fürstenfeldbruck leben 4000 bis 5000 Türken, von denen wiederum die meisten in der Kreisstadt wohnen. Wie in ihrem Heimatland auch gehören die Fürstenfeldbrucker Türken unterschiedlichen Ethnien an. Und sie vertreten, wie die Türken in ihrem Heimatland auch, unterschiedliche politische Positionen. Es wäre also zu einfach, sie nur in Erdŏgan-Anhänger und Erdŏgan-Kritiker zu unterteilen. Der wohl bekannteste Türke im Landkreis dürfte der Schriftsteller Haydar Isik aus Maisach sein, der politisch verfolgt wurde und wegen seiner Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK auch in den Fokus deutscher Sicherheitsbehörden geriet. Nach 37 Jahren im Exil hatte Isik im Frühjahr 2015 erstmals die Erlaubnis erhalten, seine Heimat zu besuchen. Es gibt aber nicht nur Kurden wie Isik, sondern auch Tschetschenen, Georgier, Syrer, Albaner, Griechen und eine Reihe weiterer Ethnien. Nach dem Militärputsch vom Wochenende unterscheidet sich das, was Haydar Isik zu den Ereignissen sagt, nicht sonderlich von dem, was von anderen Türken hier auch zu hören ist, obwohl der Kurde sehr politisch denkt. "Die Putschisten sind schlimm", sagt der Maisacher.

Diese Aussage ist nicht als Anspielung darauf gemeint, dass Putschgeneral Kenan Evren den Intellektuellen 1982 in Abwesenheit ausbürgern ließ. Und dem 78-Jährigen Kurden ist in seiner Stellungnahme zu den aktuellen Ereignissen die Erleichterung darüber anzumerken, dass der Aufstand der Militärs gegen den Staat im Keim erstickt werden konnte und es gelang, die Putschisten diesmal frühzeitig zu entwaffnen. Ebenso schlimm findet es Isik jedoch, dass es die Regierung überhaupt zu einem solchen Putsch kommen ließ.

Mehmet Akif Nemutlu fungierte in Fürstenfeldbruck über Jahrzehnte als Bindeglied zwischen Deutschen und Türken. Setzt er sich doch schon seit 1977 für die Integration seiner Landsleute ein. So leitete er zwanzig Jahre lang den Beistandsverein Türkische Arbeitnehmer und gründete den "Türkisch-islamischen Verein - Ditib Fürstenfeldbruck". 27 Jahre lang leitete er die Sportabteilung von "Genclerbirligi" und beteiligte sich an Projekten wie "Gewalt im Sport" oder "Integration mit Sport". Mit "Bestürzung" reagierte der Ruheständler auf den Aufstand des Militärs, dessen Verlauf und Folgen er seit Freitagabend fast ununterbrochen auf CNN-Türk mitverfolgte, wie er sagt. Nemutlu ist sich sicher, dass hundert Prozent der im Landkreis lebenden Türken gegen den Putsch sind. Und zwar unabhängig davon, welcher der vielen Ethnien sie nun angehören. Laut Nemutlu sind deshalb noch am Freitagabend viele seiner Landsleute aus Fürstenfeldbruck nach München gefahren, um vor dem türkischen Generalkonsulat zu demonstrieren, dass die hier lebenden Türken auf der Seite der Regierung stehen. Trotz aller Meinungsunterschiede und politischen Divergenzen.

Von türkischen Geschäftsleuten, besonders, wenn sie liberal eingestellt sind, ist es dagegen fast nicht möglich, eine Stellungnahme zu bekommen, die noch dazu in einer Zeitung abgedruckt wird. Vor allem den Präsidenten Recep Tayyip Erdŏgan zu kritisieren, erscheint nicht opportun, weil man Repressalien von auch hier lebenden radikalen Erdŏgan-Anhängern fürchtet. Weil der Umgang unter Türken nicht immer leicht ist, hält man lieber den Mund. "Ich habe die Nase voll von Politik", beteuert denn auch ein türkischer Geschäftsmann. Mit politischen Statements Stellung zu beziehen, ist offenbar nicht gut fürs Geschäft.

Anders Nemutlu, der vor drei Jahren von der Stadt Fürstenfeldbruck sogar für seine erfolgreiche Integrationsarbeit geehrt worden war. Er ist geschickt genug, sich öffentlich so zu positionieren, dass er keine Angriffsfläche bietet. Die Frage, was er von Erdŏgans Reaktionen auf den Putsch halte, beantwortet er ausweichend. Er könne nicht beurteilen, "ob das gut oder schlecht ist", sagt Nemutlu. Was er dagegen erklären kann, ist, warum Türken, wenn es wie bei einem Putsch um ihr Land gehe, "wie eine Faust zusammenhalten" und gemeinsam gegen "das Böse" kämpfen. Unabhängig davon, ob sie den umstrittenen Präsidenten Erdŏgan nun mögen oder nicht. Seine Landsleute wüssten nur zu gut, was ein Putsch sei und dass jeder Putsch ihr Land um zwanzig Jahre zurückgeworfen habe. Deshalb bezeichnet es Nemutlu wie Isik als ein Glück, dass die Putschisten nicht professionell vorgingen.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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