Fürstenfeldbruck:Im Takt des Reisenden

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Pianist Christin Rannenberg und Keith Dunn verstehen sich blind. r (Foto: Reger)

Blues-Duo lässt in Fürstenfeld bewegten Musikstil aufleben

Von Jörg Konrad, Fürstenfeldbruck

Sie war einst Hilfsmittel für alle Klavier- und Orgelstimmer, wurde später auf Jahrmärkten als Spielzeuginstrument verlost und trat irgendwann die Nachfolge der (singenden) Säge und dem (geblasenen) Kamm an. Das ideale Tascheninstrument für jeden Wanderarbeiter und jeden Hobo. So landete die Mundharmonika fast zwangsläufig im Refugium des Blues, wo sie bis heute ihre größten und eindrücklichsten Erfolge vorzuweisen hat. Wer wissen möchte, was man mit diesem Instrument alles anstellen kann, welche klangtechnischen Spitzfindigkeiten und emotionalen Ausbrüche die Bluesharp zum Ausdruck bringt, der höre sich "Alone With The Blues" von und mit Keith Dunn an. Es ist ein Manifest des Blues. Dunn geht mit den Tönen ebenso sparsam wie zugleich auch verschwenderisch um. Er lacht und weint mit seinem Instrument, zieht enge Grenzen und stößt weit ins Universum vor. Alles was er spielt, klingt zeitlos.

Eben jener Keith Dunn aus Boston, Massachussets, war am Freitag Dank der Reihe Blues&BoogieFirst zu Gast in Fürstenfeld. An seiner Seite hatte der heute in Deutschland lebende Blues-Harp-Solist den erfahrenen Christian Rannenberg. Aus Solingen stammend, verbrachte der Pianist einige Jahre in den USA, um die Musik, der er hoffnungslos verfallen war, zu studieren. Gemeinsam ließen Dunn und Rannenberg auf der Bühne die alten und neuen Helden des Blues aufleben, hielten deren Flamme am Brennen und spielten zugleich auch viele eigene, begeisternde Songs.

Aber wer und was sind eigentlich Bluesmusiker? Bluesmusiker sind permanent unterwegs. Sie durchstreifen in ihren Songs Städte und deren Hinterhöfe, beschreiben verbindende Brücken, die Arbeit auf dem Feld und zurückgelassene Liebschaften. In ihrer Ruhelosigkeit folgen sie am Morgen erneut Straßen, Schienen und Flüssen. Die Zeit treibt sie voran. Unablässig sind sie "On The Road", auf der ewigen Suche nach dem Glück, das sie jedoch nie wirklich finden.

Vielleicht hat sich das Umfeld gewandelt. Vielleicht sind die Brücken abgerissen, die Hinterhöfe zu Parks geworden, die alten Rangierbahnhöfe modernen Appartements gewichen. Rein äußerlich hat sich auch der Blues verändert. Er ist weit weniger Straßenmusik als er es früher war und seine Sprache versteht man weltweit. Sein Inhalt aber ist der gleiche geblieben. Musik zwischen gestern und morgen, voll Sehnsucht und Leidenschaft und Hoffnung. Genau dieses Leben kennt Keith Dunn nicht nur aus den Songs seiner persönlicher Favoriten. Er war selbst mit Duke Robillard, Stevie Ray Vaughn oder Big Mama Thornton auf Tour, quer durch den Süden und den Norden der USA, dann europaweit. Jeden Tag an einem anderen Ort.

Das härtet ab, schafft Erfahrungen und Verbindlichkeiten. Erst recht mit jedem Seelenverwandten. Zum Beispiel einem wie Christian Rannenberg. Beide verstehen sich blind, sie wissen wovon sie träumen, sie kennen die Geschichte ihrer Musik und sie beherrschen jeweils ihr Instrument. Beste Voraussetzungen also für einen musikalischen Dialog. Rannenberg ist in dieser Konstellation eher der Begleiter, Taktgeber, das rhythmische Zugpferd. In stoischer Gelassenheit, fast diskret, gibt er die meisten der zwölftaktigen Songs vor. Nicht, dass er nicht anders kann, wie manche seiner Boogie-Pirouetten zwischenzeitlich hörbar belegen. Aber der Solist des Abends ist nun einmal Keith Dunn. Der weiß die Blues-Harp einzusetzen, sich klanglich auf ihr zu bewegen. Mal subtil, mit Wehmut und Fernweh im Ton, dann wieder mit Humor, virtuos, raffiniert, ja auch archaisch. Blues als Religion - das wär's.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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