Fürstenfeldbruck:"Ich hatte so eine Wut im Bauch"

Lesezeit: 3 min

Help-Liberia-Vorsitzender Thomas Böhner über seine Motivation, den Film "Zur Hölle mit dem Teufel" wieder zu zeigen

Interview Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wie liberianische Frauen einen Bürgerkrieg durch Sexentzug beendet und einen grausamen Diktator aus dem Land gejagt haben, erzählt der Film "Zur Hölle mit dem Teufel". Der Verein Help Liberia zeigt in Kooperation mit dem Eine-Welt-Zentrum, der Agenda 21 und der Gleichstellungsstelle das Porträt über die Initiatorin des Widerstandes, die Friedensnobelpreisträgerin von 2011, Leymah Gbowee, anlässlich des Weltfrauentages an diesem Donnerstag im Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck. Im Interview erläutert Initiator und Vereinsvorsitzender Thomas Böhner die Hintergründe.

SZ: Zeigt Ihr Verein diesen Film zum ersten Mal?

Thomas Böhner: Nein, ich habe ihn schon öfter zum Weltfrauentag gezeigt, insgesamt grob 50 Mal. Organisatorisch war das so angelegt, dass der Film erstens teilweise mehrfach am 8. März gelaufen ist. Zudem haben wir ihn auch noch vor oder nach dem Weltfrauentag gezeigt.

Wie ist die Situation für Frauen in Liberia?

Liberia ist wirklich ein Frauenland. Die noch bis vor einigen Wochen amtierende Präsidentin bekam 2011 den Friedensnobelpreis, weil sie das erste weibliche Staatsoberhaupt im ansonsten sehr patriarchalisch geprägten Afrika war. Inzwischen hat sie einen zweiten Preis bekommen, weil sie die Ebola-Krise gut gemeistert und ihr Amt ganz demokratisch abgegeben hat.

Das ist aber nicht Gegenstand des Filmes.

Nein, darin geht es um die Zeit davor. Es herrschte lange Bürgerkrieg in Liberia, etwa von 1989 bis 2004 mit einer Pause um 1999/2000. Leymah Gbowee, Friedensnobelpreisträgerin 2011 und übrigens aus der gleichen Stammesgruppe wie meine Frau, hatte die Nase voll vom Krieg. Sie mobilisierte die Frauen. Sie schickte die Muslimas in evangelische Kirchen und die evangelischen Frauen in Moscheen, um für den friedlichen Protest zu gewinnen. So schaffte sie es, dass Tausende Frauen friedlich protestierten, sobald der Präsident an ihrem Versammlungsplatz an der Hauptstraße vorbeikam. Als Gbowee ihren Mitstreiterinnen dann empfahl, den Männern den Sex zu verweigern, war der Krieg innerhalb von ein paar Wochen vorbei.

Was hat Sie dazu bewegt, diesen Film hier so oft zu zeigen?

Das erste Mal sah ich den Film im Völkerkundemuseum. Dieser hat mich so gepackt, ich hatte so eine Wut im Bauch und Begeisterung dafür, dass man mit so wenigen Mitteln so viel erreichen kann, völlig gewaltfrei. Den musste ich einfach auch anderen Menschen zeigen. Aber am interessantesten war eine Vorstellung einmal in Liberia selbst.

Wie ist es dazu gekommen?

Es war in einem Schulgebäude. Ich organisierte Tische, habe sie zur Pyramide geformt, zwei Fernseher rücklings aneinander drauf gestellt, und so haben die Leute das von zwei so großen alten Röhrenfernsehern geguckt. Befremdlich war dann, dass nach der Hälfte des Filmes so viele ältere Frauen rausgegangen sind. Als ich später meine Freunde und Verwandten fragte, erklärten mir diese, dass alles noch zu frisch wäre und für die Frauen nach wie vor sehr belastend. Das war eine schlimme Zeit, in der kaum eine Frau nicht vergewaltigt wurde.

Wie hat Ihre aus Liberia stammende Frau auf den Film reagi ert?

Es war im Brucker Scala-Kino; sie ist psychisch zusammengebrochen, als sie den Film zum ersten Mal gesehen hat. Sie war damals aktiv mit dabei. Nach Ende des Bürgerkrieges ging sie hinaus in die Dörfer aufs Land und hat die Frauen überredet, sich zur Wahl registrieren zu lassen. Dies war der zweite Teil des Protestes, denn ohne ihn hätte es danach wohl keine Präsidentin gegeben.

Wenn Sie den Film schon so oft hier gezeigt haben, wie reagieren die Zuschauer?

Die Leute, die reingehen, glaube ich, sind politisch interessiert. Danach gibt es eigentlich immer Gesprächsbedarf. Und ich versuche auch immer einen aktuellen Bezug herzustellen. Diese Gruppe, sie heißt "Women for Peace", ist auch heute noch aktiv, zum Beispiel bei der Ebola-Krise waren sie plötzlich wieder da und haben den Leuten klar gemacht, wie ungemein wichtig Hygiene ist.

Der aktuelle Bezug ist vermutlich diesmal die Me-too-Debatte?

Nein, die gibt es nicht in Liberia, weil die Bevölkerung kaum Zugang zu Nachrichten hat. Es geht vielmehr um die Situation im Land und die ist derzeit unsicher, seit ein neuer Präsident gewählt worden ist. Seine Vizepräsidentin ist die Frau des Präsidenten, der damals aus dem Land gejagt wurde. Dem muss man gut auf die Finger schauen. Das von der Präsidentin geschaffene Frauenministerium aber gibt es noch.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: